Hayek, Bitcoin und das Gold
18.06.2023 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
In seinem Buch "Denationalisation of Money" (1976) hat Friedrich August von Hayek (1899–1992) sich für die Privatisierung des Geldes ausgesprochen. Sein Kernargument: Wenn der Staat das Geldmonopol innehat, dann ist die Geldwertverschlechterung, die Plünderung der Menschen durch den Staat vorprogrammiert. Hayeks Idee, die Wahl des Geldes der freiwilligen Übereinkunft der Menschen zu überlassen, ist so großartig wie logisch.
Es gibt in der Tat keine überzeugenden Argumente, warum der Staat das Geld monopolisieren sollte. Wie Hayek die Idee für einen freien Markt für Geld in seiner Schrift ausbreitet, ist allerdings an vielen Stellen inhaltlich nicht überzeugend. Das hat seiner Darstellung berechtigte Kritik eingehandelt – und wohl leider auch dazu geführt, dass es den Hauptstrom-Ökonomen leicht gefallen ist, die Idee des freien Marktes zu diskreditieren.
Mit dem Aufkommen des Bitcoins ist Hayeks Idee der freien Währungswahl jedoch erfreulicherweise mehr denn je in aller Munde. Schließlich ist der Bitcoin ja eine Art Manifestation des Hayekschen Vorschlages. Dass das Geld selbstverständlich im freien Markt entstehen muss, war allerdings schon Carl Menger (1840–1921) klar.
Ludwig von Mises (1881–1973) erklärte nachfolgend mit seinem "Regressionstheorem", dass das Geld aus einem Gut entstanden sein muss, das schon vorher, bevor es also als Geld verwendet wurde, einen Marktwert gehabt haben muss. Mit Mises‘ Regressionstheorem als eine unverzichtbare Bedingung für mögliche Geldwerdung lässt sich der Bitcoin durchaus gedanklich vereinbaren – wie Gold und Silber auch. Gleiches gilt allerdings auch für jedes andere, marktgehandelte Gut: wie Bleistifte, Bürsten und Bademützen.
Damit nämlich ein Gut tatsächlich zum Geld – zum allgemein akzeptierten Zahlungsmittel – werden kann, ist es letztlich entscheidend, dass es aus Sicht der Geldnachfrager die geeigneten Eigenschaften aufweist. In der Währungsgeschichte haben hier immer wieder Edelmetalle, allen voran Gold und Silber, das Rennen gemacht. Denn sie sind beispielsweise knapp, teilbar, prägbar, transportabel, haltbar (verderben nicht), verkörpern einen relativ hohen Tauschwert pro Gewichtseinheit.
Der Bitcoin erfüllt durchaus viele dieser Eigenschaften, die üblicherweise an "gutes Geld" gestellt werden. Beispielsweise ist seine Menge definitiv begrenzt, seine Knappheit ist sprichwörtlich vorprogrammiert. Doch halt: Ist das wirklich ein Wettbewerbsvorteil?
Eine konstante Geldmenge wird unweigerlich zu hohen Güterpreisschwankungen und Güterpreisdeflation führen, anders als eine Geldmenge, die veränderbar ist – wie das beispielsweise bei Gold- und Silbergeld der Fall ist. Die "überschüssige" Geldmenge (gemeint ist eine zu große Kassenhaltung der Marktakteure) kann hier zum Beispiel abgebaut werden, indem Goldgeld verstärkt für nichtmonetäre Zwecke nachgefragt wird (für Schmuck und/oder industrielle Produktion).
Bitcoin hingegen hat eine und nur eine Verwendung, und zwar als Tauschmittel zu dienen. Ob die Menschen lieber eine konstante Geldmenge mit stark schwankenden Güterpreisen und starker Güterpreisdeflation oder eine variierbare Geldmenge mit abgemilderten Güterpreisschwankungen und gemäßigter Güterpreisdeflation wünschen, kann wohl nur im freien Markt, nicht vorab und in abstrakter Diskussion entschieden werden.
Auch wenn Peer-To-Peer bei Bitcoinern hoch im Kurs steht: Geld in einer modernen, arbeitsteiligen Volkswirtschaft muss intermediationsfähig sein. Die Menschen wollen und können hier nicht alle Transaktionen direkt und bilateral und anonym abwickeln; man denke hier nur einmal an die Erfordernisse effizient funktionierender Kreditmärkte. Um Mittelsmänner (Intermediäre) kommt man – Stand heute – nicht umhin. Das ist auch kein grundsätzliches Problem, denn Risiken lassen sich streuen (und damit verringern), indem man nicht nur ein Konto bei einem Intermediär, sondern mehrere Konten bei mehreren Intermediären unterhält.
Eine Intermediation ließe sich natürlich auch mit Bitcoin bewerkstelligen – und dass Bitcoiner durchaus auch Intermediationsdienste nachfragen, zeigt die weit verbreitete Bitcoin-Haltung bei Handelsplattformen (die über den Private Key verfügen).
Nur wäre dann sein Alleinstellungsmerkmal – als Bitcoin-Halter quasi unerreichbar zu sein – futsch. Der Bitcoin stände sofort und unmittelbar in direkter Konkurrenz mit vielleicht, sagen wir, einem gold- oder silbergedeckten digitalisierten Zahlungssystem, vielleicht sogar einem, wenn wir ihn so nennen wollen, "High-Tech Mark Banco" (dessen Urtyp immerhin von 1621 bis 1873 den Hamburger Kaufleuten und ihren Geschäftspartnern als verlässliches und geschätztes Geld diente).
Man sollte zudem eines nicht übersehen: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist ein – wohl ungewollter, aber doch vorzüglicher – Förderer des Bitcoins und seines Preises. Denn er gewährt dem Bitcoin einen unsportlichen Wettbewerbsvorteil. Zwar profitieren auch Gold und Silber vom inflationären Fiatgeld, das der Staat den Menschen aufzwingt.
Der Bitcoin jedoch ist dem staatlichen Drangsal weitaus besser entzogen als beispielsweise Edelmetalle – und das wertet ihn auf. Doch sollte Hayeks Währungswettbewerbs-Vision tatsächlich Fuß fassen, wird das einhergehen mit einer Entmachtung des Staates (wie wir ihn heute kennen), wie es sich viele Menschen gegenwärtig vermutlich gar nicht vorstellen können. Und dann würde auch ein echter Währungswettbewerb möglich, den es heute so gar nicht gibt.
Das, was sich unter derartigen Bedingungen als Geld durchsetzen würde, ist offen. Anleger sind daher gut beraten, sich umsichtig zu positionieren – am besten gemäß der Volksweisheit: "Man hat schon Pferde kotzen sehen, auch vor einer Apotheke."
Der Weg zum Hayekschen Währungswettbewerb wird jedenfalls sehr steinig sein. Der Strom kann ausfallen; die Edelmetallhaltung wird staatlich untersagt; der Quanten-Computer kommt früher als gedacht und zerstört alles Digital-Kryptographische; auf dem Mond werden riesige Goldreserven entdeckt; ein besserer Bitcoin 2.0 wird auf den Markt geschmissen; Goldfinger (alias Gerd Fröbe) gelingt es doch noch, die US-amerikanischen Goldreserven zu verseuchen, den Goldpreis in stratosphärische Höhen zu katapultieren und unerschwinglich zu machen.
In jedem Falle ist es ein positiver Beitrag, dass der Bitcoin die Hayeksche Idee des Währungswettbewerbs mit neuem Leben füllt. In der Vergangenheit wurde dieser Wettbewerb schon einmal, vor langer Zeit beantwortet, indem sich die Menschen für Gold (und auch für Silber) als Geld entschieden. Das aber liegt mittlerweile bereits weit zurück. Und die Staaten sind weit gekommen, die Erinnerung an das Edelmetallgeld als gutes Geld aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen zu tilgen, ihr Fiatgeld als "Normalfall" in den Köpfen der Menschen zu zementieren.
Der technologische Fortschritt belebt nun aber mit Bitcoin wieder das Interesse an gutem Geld, und der Verfall des staatlichen Fiatgeldes befördert es gewaltig. Es wäre eine gar nicht zu überschätzende Errungenschaft des Bitcoin, wenn es ihm gelingt, die Idee der freien Währungswahl, die Idee der Freiheit der Menschen bei der Geldwahl zu popularisieren, sie unwiderstehlich zu machen.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH
Es gibt in der Tat keine überzeugenden Argumente, warum der Staat das Geld monopolisieren sollte. Wie Hayek die Idee für einen freien Markt für Geld in seiner Schrift ausbreitet, ist allerdings an vielen Stellen inhaltlich nicht überzeugend. Das hat seiner Darstellung berechtigte Kritik eingehandelt – und wohl leider auch dazu geführt, dass es den Hauptstrom-Ökonomen leicht gefallen ist, die Idee des freien Marktes zu diskreditieren.
Mit dem Aufkommen des Bitcoins ist Hayeks Idee der freien Währungswahl jedoch erfreulicherweise mehr denn je in aller Munde. Schließlich ist der Bitcoin ja eine Art Manifestation des Hayekschen Vorschlages. Dass das Geld selbstverständlich im freien Markt entstehen muss, war allerdings schon Carl Menger (1840–1921) klar.
Ludwig von Mises (1881–1973) erklärte nachfolgend mit seinem "Regressionstheorem", dass das Geld aus einem Gut entstanden sein muss, das schon vorher, bevor es also als Geld verwendet wurde, einen Marktwert gehabt haben muss. Mit Mises‘ Regressionstheorem als eine unverzichtbare Bedingung für mögliche Geldwerdung lässt sich der Bitcoin durchaus gedanklich vereinbaren – wie Gold und Silber auch. Gleiches gilt allerdings auch für jedes andere, marktgehandelte Gut: wie Bleistifte, Bürsten und Bademützen.
Damit nämlich ein Gut tatsächlich zum Geld – zum allgemein akzeptierten Zahlungsmittel – werden kann, ist es letztlich entscheidend, dass es aus Sicht der Geldnachfrager die geeigneten Eigenschaften aufweist. In der Währungsgeschichte haben hier immer wieder Edelmetalle, allen voran Gold und Silber, das Rennen gemacht. Denn sie sind beispielsweise knapp, teilbar, prägbar, transportabel, haltbar (verderben nicht), verkörpern einen relativ hohen Tauschwert pro Gewichtseinheit.
Der Bitcoin erfüllt durchaus viele dieser Eigenschaften, die üblicherweise an "gutes Geld" gestellt werden. Beispielsweise ist seine Menge definitiv begrenzt, seine Knappheit ist sprichwörtlich vorprogrammiert. Doch halt: Ist das wirklich ein Wettbewerbsvorteil?
Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.
Eine konstante Geldmenge wird unweigerlich zu hohen Güterpreisschwankungen und Güterpreisdeflation führen, anders als eine Geldmenge, die veränderbar ist – wie das beispielsweise bei Gold- und Silbergeld der Fall ist. Die "überschüssige" Geldmenge (gemeint ist eine zu große Kassenhaltung der Marktakteure) kann hier zum Beispiel abgebaut werden, indem Goldgeld verstärkt für nichtmonetäre Zwecke nachgefragt wird (für Schmuck und/oder industrielle Produktion).
Bitcoin hingegen hat eine und nur eine Verwendung, und zwar als Tauschmittel zu dienen. Ob die Menschen lieber eine konstante Geldmenge mit stark schwankenden Güterpreisen und starker Güterpreisdeflation oder eine variierbare Geldmenge mit abgemilderten Güterpreisschwankungen und gemäßigter Güterpreisdeflation wünschen, kann wohl nur im freien Markt, nicht vorab und in abstrakter Diskussion entschieden werden.
Auch wenn Peer-To-Peer bei Bitcoinern hoch im Kurs steht: Geld in einer modernen, arbeitsteiligen Volkswirtschaft muss intermediationsfähig sein. Die Menschen wollen und können hier nicht alle Transaktionen direkt und bilateral und anonym abwickeln; man denke hier nur einmal an die Erfordernisse effizient funktionierender Kreditmärkte. Um Mittelsmänner (Intermediäre) kommt man – Stand heute – nicht umhin. Das ist auch kein grundsätzliches Problem, denn Risiken lassen sich streuen (und damit verringern), indem man nicht nur ein Konto bei einem Intermediär, sondern mehrere Konten bei mehreren Intermediären unterhält.
Eine Intermediation ließe sich natürlich auch mit Bitcoin bewerkstelligen – und dass Bitcoiner durchaus auch Intermediationsdienste nachfragen, zeigt die weit verbreitete Bitcoin-Haltung bei Handelsplattformen (die über den Private Key verfügen).
Nur wäre dann sein Alleinstellungsmerkmal – als Bitcoin-Halter quasi unerreichbar zu sein – futsch. Der Bitcoin stände sofort und unmittelbar in direkter Konkurrenz mit vielleicht, sagen wir, einem gold- oder silbergedeckten digitalisierten Zahlungssystem, vielleicht sogar einem, wenn wir ihn so nennen wollen, "High-Tech Mark Banco" (dessen Urtyp immerhin von 1621 bis 1873 den Hamburger Kaufleuten und ihren Geschäftspartnern als verlässliches und geschätztes Geld diente).
Man sollte zudem eines nicht übersehen: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) ist ein – wohl ungewollter, aber doch vorzüglicher – Förderer des Bitcoins und seines Preises. Denn er gewährt dem Bitcoin einen unsportlichen Wettbewerbsvorteil. Zwar profitieren auch Gold und Silber vom inflationären Fiatgeld, das der Staat den Menschen aufzwingt.
Der Bitcoin jedoch ist dem staatlichen Drangsal weitaus besser entzogen als beispielsweise Edelmetalle – und das wertet ihn auf. Doch sollte Hayeks Währungswettbewerbs-Vision tatsächlich Fuß fassen, wird das einhergehen mit einer Entmachtung des Staates (wie wir ihn heute kennen), wie es sich viele Menschen gegenwärtig vermutlich gar nicht vorstellen können. Und dann würde auch ein echter Währungswettbewerb möglich, den es heute so gar nicht gibt.
Das, was sich unter derartigen Bedingungen als Geld durchsetzen würde, ist offen. Anleger sind daher gut beraten, sich umsichtig zu positionieren – am besten gemäß der Volksweisheit: "Man hat schon Pferde kotzen sehen, auch vor einer Apotheke."
Der Weg zum Hayekschen Währungswettbewerb wird jedenfalls sehr steinig sein. Der Strom kann ausfallen; die Edelmetallhaltung wird staatlich untersagt; der Quanten-Computer kommt früher als gedacht und zerstört alles Digital-Kryptographische; auf dem Mond werden riesige Goldreserven entdeckt; ein besserer Bitcoin 2.0 wird auf den Markt geschmissen; Goldfinger (alias Gerd Fröbe) gelingt es doch noch, die US-amerikanischen Goldreserven zu verseuchen, den Goldpreis in stratosphärische Höhen zu katapultieren und unerschwinglich zu machen.
In jedem Falle ist es ein positiver Beitrag, dass der Bitcoin die Hayeksche Idee des Währungswettbewerbs mit neuem Leben füllt. In der Vergangenheit wurde dieser Wettbewerb schon einmal, vor langer Zeit beantwortet, indem sich die Menschen für Gold (und auch für Silber) als Geld entschieden. Das aber liegt mittlerweile bereits weit zurück. Und die Staaten sind weit gekommen, die Erinnerung an das Edelmetallgeld als gutes Geld aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen zu tilgen, ihr Fiatgeld als "Normalfall" in den Köpfen der Menschen zu zementieren.
Der technologische Fortschritt belebt nun aber mit Bitcoin wieder das Interesse an gutem Geld, und der Verfall des staatlichen Fiatgeldes befördert es gewaltig. Es wäre eine gar nicht zu überschätzende Errungenschaft des Bitcoin, wenn es ihm gelingt, die Idee der freien Währungswahl, die Idee der Freiheit der Menschen bei der Geldwahl zu popularisieren, sie unwiderstehlich zu machen.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH