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Julien Chevalier: Eurozone - Rezession und trübe Wirtschaftsaussichten

08.07.2023
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Doch diese rasche und starke Anhebung der Zinssätze kann von der Wirtschaft nur schwer absorbiert werden. Nicht nur die Nachfrage nach neuen Krediten bricht ein, vor allem im Immobiliensektor (die Nachfrage ist geringer als 2007), sondern auch die Produktion und die Investitionen geben nach, was langfristig zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen sollte.

Diese Politik verstärkt zudem die Kluft zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwelt.

Bislang hat die EZB ihre Bilanz nur langsam und vorsichtig reduziert, während sie gleichzeitig historische Zinserhöhungen durchführt. Im Gegensatz zu den privaten Haushalten und Unternehmen profitieren Banken und Finanzinstitute, wenn die Liquidität an Zentralbankgeld aufrechterhalten wird, trotz der steigenden Kreditkosten (dies hat auch die letzte Bankenkrise im März bewiesen). Es ist daher kaum verwunderlich, dass der Aufwärtstrend an den Märkten Bestand hat… Umso mehr, da die Fed, die den Preis der Mehrheit aller Kredite weltweit bestimmt, nun beschlossen hat eine Pause in ihren Zinsschritten einzulegen, nachdem sie den Sektor in den vorangegangenen Monaten massiv unterstützt hat.

Nichtsdestotrotz hat die EZB in ihrer letzten Mitteilung angedeutet, dass sie bestimmte Anleihen, deren Fälligkeitsdatum erreicht ist, ab Juli nicht mehr verlängern wird. Ihre Bilanz wird dadurch stärker sinken, was das Finanzsystem der Eurozone belasten könnte. Die EZB will die Inflation Schritt für Schritt bekämpfen und gleichzeitig eine Bankenkrise vermeiden, was unmöglich scheint.


Was birgt die Zukunft für die Eurozone?

Kurzfristig sollte die Wirtschaft der Eurozone durch einen erneuten Rückgang des BIP im kommenden Semester gekennzeichnet sein. Der Index, der die Aktivität des Herstellungs- und Dienstleistungssektors in der Eurozone misst, ist auf ein extrem niedriges Niveau gefallen und bleibt hinter den Erwartungen zurück. Dieser Sektor, der sich bislang gut gehalten hatte, zeigt, dass die Wirtschaftsaktivität in Europa äußerst anfällig bleibt.

Auf den ersten Blick könnte diese Entwicklung die EZB veranlassen, die Straffung der Geldpolitik bei ihrem Treffen im Juli weniger aggressiv fortzusetzen. Davon gehen zumindest die Märkte aus, denn die langfristigen Zinsen sind im Anschluss an diese Daten gesunken. Dennoch bleibt dieses Szenario sehr unwahrscheinlich, weil die Inflation weiter stark erhöht ist und ein solcher Strategiewechsel eine Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar zur Folge hätte, was die Inflation zusätzlich befeuern würde. Die Preiserhöhungen werden sich also in den kommenden Monaten weiter verlangsamen, wie die Entwicklung der Produktionspreise zeigt, aber gleichzeitig auch das Wachstum ausbremsen.

Mittel- und langfristig könnten mehrere Jahre der wirtschaftlichen Stagnation auf die europäischen Staaten zukommen. Der alte Kontinent leidet noch immer unter den unterschiedlichen Interessen seiner Mitgliedsstaaten und seiner Struktur, die nicht ausreichend daran angepasst ist. Die Einflussnahme ausländischer Mächte erstickt zudem jede Möglichkeit einer Neuorientierung hin zu einem anderen Modell bereits im Keim.

Solange sich an diesen Umständen nichts ändert, bleibt es utopisch, von einem Wiederaufleben Europas zu sprechen. Angesichts der Welt von morgen ist der Einsatz allerdings hoch. Neue Mächte beanspruchen ihren Platz und neue Allianzen werden geschmiedet. Die einzigartigen Eigenschaften Europas, insbesondere in kultureller, intellektueller und wirtschaftlicher Hinsicht könnten es dem Kontinent ermöglichen, sich in vielen Bereichen als führend zu positionieren.


Gold in Zeiten der Rezession

In Zeiten der Rezession hat sich Gold immer als sicherer Hafen erwiesen, der insbesondere eine Absicherung gegen das Risiko eines Marktcrashs bot. Seit mehr als einem halben Jahrhundert zeigt sein Kurs während der meisten Rezessionen eine Aufwärtsbewegung. Vor allem während der Subprime-Krise erwies sich das Edelmetall als ausgesprochen attraktiv: Die Nachfrage stieg immer weiter und der Preis hat sich innerhalb von vier Jahren verdoppelt (zwischen 2007 und 2011).

Auch der Rückgang der Wirtschaftsaktivität von 2020 sorgte für eine hohe Nachfrage und ermöglichte dem Goldkurs ein neues Allzeithoch. Die Rückkehr der Inflation im Jahr 2021 hat Gold bis heute weiteren Auftrieb gegeben. Und da die aktuelle Rezession von einer starken Inflation begleitet wird, sollte die Nachfrage nach Gold folglich noch weiter zunehmen.

Was Silber betrifft, so bleibt die Entwicklung ungewiss. Obwohl auch sein Kurs während der Krise von 2007-2008 stark zulegte, entwickelt sich Silber in Zeiten der Rezession im Allgemeinen nicht so gut wie Gold. In den letzten 50 Jahren konnte das weiße Metall nur während drei von acht Rezessionen eine bessere Performance verbuchen als der S&P 500: 1973, 1981 und 2007. Der Silbermarkt bleibt aufgrund seiner geringeren Größe außerordentlich volatil. Da Silber in zahlreichen Industrieprodukten verwendet wird (insbesondere in der Energieerzeugung, z. B. in Atomreaktoren, Solarpanels etc.), kann ein Rückgang der Wirtschaftsaktivität immer unerwartete Konsequenzen für seinen Kurs haben.

Kurz- bis mittelfristig sollte Gold zumindest seinen Aufwärtstrend fortsetzen. Die Fortdauer der Inflation in den westlichen Volkswirtschaften, die geopolitischen Spannungen, die Abkühlung der Weltwirtschaft und das Wiederaufleben des Protektionismus sind zahlreiche Faktoren, die darauf schließen lassen, dass die Nachfrage in den kommenden Monaten weiter steigen wird. Diese Entwicklungen sind von globaler Tragweite und führen folglich dazu, dass sich Investoren weltweit stärker dem gelben Metall zuwenden.


© Julien Chevalier



Dieser Artikel wurde am 03.07.2023 auf https://de.goldbroker.com veröffentlicht.


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