Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Julien Chevalier: Schwache Wirtschaft lässt China über seine Grenzen hinausblicken

18.09.2023
- Seite 2 -
Die chinesische Wirtschaft könnte in den kommenden Monaten durch wachsende Schwierigkeiten gekennzeichnet sein. Weitere große Immobilienkonzerne könnten insolvent werden, vor allem Country Garden, das im ersten Quartal einen Rekordverlust von 7 Milliarden Dollar verbucht hat. Die Aktienmärkte werden dadurch wohl zusätzlich erschüttert und das Vertrauen der Haushalte dürfte weiter abnehmen. Die Zentralbank hat allerdings noch Handlungsspielraum, um ein mit der Krise von 2007-2008 vergleichbares Szenario zu verhindern.

Dem Land könnten letztlich mehrere Jahre schwachen Wachstums bevorstehen. Der IWF schätzte kürzlich, dass sich das BIP Chinas in den kommenden Jahren um weniger als 4% jährlich erhöhen werde, ein deutlich geringeres Plus als in den letzten vier Jahrzehnten. Dies gilt umso mehr, da der demografische Rückgang des Landes das Wachstum ebenfalls negativ beeinflussen wird. Bis 2025 könnte die chinesische Bevölkerung bis auf 1,17 Milliarden Menschen schrumpfen, bis 2100 sogar auf 587 Millionen Menschen. Aktuell hat das Land 1,4 Milliarden Einwohner.

Volksvermögen wird überwiegend an ausländischen Märkten erwirtschaftet werden (China ist zum größten Kreditgeber weltweit avanciert), ebenso wie Investitionen in erneuerbare Energien und innovative Technologien, insbesondere Elektrofahrzeuge und künstliche Intelligenz.

Open in new window
Gipfel der BRICS-Staaten in Johannesburg, Südafrika (@Courrierinternational)


Da man sich in China dieser Schwierigkeiten und der Unmöglichkeit, die führende Weltmacht zu werden, bewusst ist (was zahlreiche Experten in den letzten Jahrzehnten vorhergesagt hatten), blickt das Land über seine eigenen Grenzen hinaus. Es will eine aktive Rolle in der geopolitischen Gestaltung der Welt übernehmen, wie der jüngste, von China organisierte Gipfel der BRICS-Staaten zeigt. Bei diesem Treffen wurde die Erweiterung der Gruppe um sechs neue Staaten verkündet: Argentinien, Ägypten, Iran, Äthiopien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Eine Initiative, die vor allem von China unterstützt wurde, während Indien skeptisch blieb.

Zusammen mit den neuen Mitgliedern repräsentieren die BRICS fast die Hälfte der Weltbevölkerung, ein Drittel des erwirtschafteten Reichtums, wichtige strategische Regionen (vor allem im Nahen Osten) und 80% der Ölproduktion in einer Welt, in der 40 % des Endverbrauchs auf Erdölerzeugnissen beruhen.

Diese Allianz bedeutet auch das Zusammenkommen der beiden führenden Staaten Lateinamerikas, Argentinien und Brasilien, die 80% der Bevölkerung und des Reichtums dieses Kontinents repräsentieren. Auch die Militärmacht Ägypten gesellt sich nun zu China, Russland und Indien (Länder, die über ein Atomwaffenarsenal verfügen und zu den fünf größten Militärmächten der Welt zählen.)

Die Gruppe der elf Staaten erklärt, gemeinsame Front gegen die Hegemonie der amerikanischen Währung machen zu wollen. Das war eines der Hauptthemen beim Gipfel in Johannesburg, während sich das Volumen des nicht in US-Dollar getriebenen Handels zwischen diesen Staaten vervielfacht.

Im Rahmen dieser Initiative erhöhen mehrere der Länder zudem ihre Goldreserven, insbesondere China. Die Volksrepublik hat ihre Bestände im August den neunten Monat in Folge aufgestockt. Offiziellen Angaben zufolge ist China das Land mit den sechstgrößten Goldbeständen weltweit. Seine Käufe, ebenso wie die anderer Zentralbanken, halten den Goldpreis trotz der steigenden Zinsen auf einem erhöhten Niveau.

Die verschiedenen Initiativen der Bewegung befinden sich im Moment noch im Frühstadium. Wenngleich die Allianz eine Opposition zum westlichen Block und seinen Institutionen darstellen will, stehen mehrere der Staaten (vor allem Indien und Brasilien) weiterhin den USA und Europa nah, sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Anhaltende Konflikte zwischen bestimmten BRICS-Mitgliedern (besonders zwischen China und Indien bezüglich territorialer Fragen), interne Meinungsverschiedenheiten über die weitere Entwicklung der Gruppe, die wirtschaftliche und politische Verschiedenartigkeit der Länder (ihr Außenhandel, die verschiedenen Wechselkurse, die unterschiedlichen geopolitischen Standpunkte…) könnten die Beziehungen untereinander eintrüben.

Die Bewegung wird mehr Einfluss erlangen, wenn neue internationale Institutionen geschaffen werden und über eine stärkere Entscheidungsmacht verfügen als die aktuellen Organisationen (UNO, IWF, Weltbank etc.) Wenn internationale Zeremonien und Preise (Nobelpreis, Universitäts-Ranking etc.) nicht mehr von westlichen Staaten, sondern von diesen Ländern entschieden werden.

Wenn schließlich auch eine neue Währung den Dollar verdrängt (oder ihm zumindest ebenbürtig ist, was bei keiner der heutigen Währungen der Fall ist). Solche Ambitionen erfordern jedoch zuallererst echte Einheit und Einigkeit unter diesen Ländern. Angesichts ihrer jeweiligen Situation deutet alles darauf hin, dass dies nicht morgen geschehen wird.


© Julien Chevalier



Dieser Artikel wurde am 05.09.2023 auf https://de.goldbroker.com veröffentlicht.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"