Affentheater mit der Abgeltungsteuer
02.12.2007 | Manfred Gburek
Die aktuelle Ausgabe des Anlegermagazins Börse Online beschäftigt sich intensiv mit der Abgeltungsteuer. Nachdem ich beim Frankfurter Börsentag am Samstag vor einer Woche Bernhard Jünemann aus der Chefredaktion des Magazins bei einem extrem gut besuchten Vortrag zugehört habe und nachdem das Magazin nun am Freitag eine Telefonaktion zu der umstrittenen Steuer veranstaltet hat, über die in der nächsten Ausgabe berichtet wird, kann ich Ihnen die Lektüre beider Ausgaben nur dringend empfehlen. Jünemann bezeichnete die Steuer übrigens als "absolut irre" und setzte den Friede-Freude-Eierkuchen-Kommentaren zu den ach so tollen Folgen für den Finanzplatz Deutschland seine mahnenden Worte entgegen: "Ich traue den Politikern alles zu."
Journalisten, die ihre Meinung noch frei äußern dürfen, gehören neben einigen streitbaren, nicht bis zur Halskrause mit Aufträgen für Gutachten eingedeckten Professoren zur immer seltener werdenden Spezies von Menschen, deren Kommentaren Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken sollten. Einer dieser Professoren ist Ekkehard Wenger von der Uni Würzburg. Sein folgendes Zitat aus einem Interview im aktuellen Manager Magazin sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Er bezeichnet die unterschiedliche Behandlung von Fonds und Aktien als "massive Diskriminierung direkter Aktienengagements" und fährt fort: "Diese Begünstigung der Fondsbranche ist skandalös, und dagegen werde ich auch Verfassungsbeschwerde einlegen."
Der Stein des Anstoßes lässt sich am besten mit einem weiteren Zitat beschreiben, dieses Mal aus einer Mitteilung des Fondsverbandes BVI: "Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die auf Fondsebene vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, können weiterhin steuerfrei ausgeschüttet werden. Für Anleger, die ihre Anteile vor dem 1. Januar erworben haben, kommt es dadurch zu einer endgültigen Steuerfreistellung." Diese Regelung gilt analog auch für Aktien und Anleihen, nicht dagegen für Zertifikate.
Der Knackpunkt: Wer als privater Anleger bis Ende 2008 Fonds kauft, vertraut den Fondsmanagern Geld an, mit dem diese auch nach 2008 munter Kursgewinne erzielen dürfen, ohne dass unser Anleger dafür 25% Abgeltungsteuer incl. Soli und Kirchensteuer (Letztere mit einer komplizierten Übergangsregelung) berappen muss. Wer dagegen bis Ende 2008 Aktien kauft und sie nach 2008 verkauft, braucht die Kursgewinne darauf zwar auch nicht zu versteuern. Kursgewinne unterliegen aber - anders als im Fall von Fonds - der Abgeltungsteuer, wenn der Aktienkauf nach 2008 stattfindet.
Nun ließe sich argumentieren, dass Fondsmanager Profis sind, die mit dem Geld der Anleger besser umzugehen wüssten als diese selbst. Von daher würde die unterschiedliche Behandlung von Fonds und Aktien wenigstens etwas Sinn ergeben. Doch den Beweis dafür wird niemand je erbringen können; und jahrzehntelange Statistiken sprechen zumindest insoweit dagegen, als die Mehrheit der Manager im Durchschnitt schlechter abschneidet als der für sie maßgebende Börsenindex. Oder um mit den Anhängern der Random-Walk-Theorie zu argumentieren, die Kursbewegungen für zufällig (random) halten: Wenn ein Affe mit Pfeilen auf die Kurstafel wirft, erzielt er mit den getroffenen Aktien im Durchschnitt bessere Ergebnisse als die Mehrheit der Fondsmanager. So gesehen, wird verständlich, warum der streitbare Professor aus Würzburg nicht den Affen mit sich lassen will und der Experte von Börse Online das Affentheater mit der Abgeltungsteuer als irre bezeichnet.
Der Irrsinn zeigt sich auch in scheinbaren Nebensächlichkeiten, wie sie etwa aus dem Internetauftritt des Bundesfinanzministeriums hervorgehen. Da heißt es in den "Ausführungen für Jedermann" vom 17. Juli 2007 unter Punkt 12 zur Frage "Bleibt der Kontenabruf der Finanzbehörden wie bisher bestehen?" zunächst eindeutig: "Nein." Doch dann folgen nicht weniger als sechs Ausnahmen, die auch nach 2008 gelten werden (was einschließt, dass Kontenabrufe vorher munter stattfinden dürfen). Von den Ausnahmen ist eine besonders putzig: "Fälle, in denen ein Bürger ... einem steuerlichen Kontenabruf zustimmt ..." Dazu passt durchaus auch die folgende Aussage des Würzburger Professors Wenger zum kommenden Umgang deutscher Anleger mit ihren Aktiendepots: "Wer ruhig schlafen will, wird sich komplett aus dem Staub machen."
Anleger, die ihr Geld in physischen Edelmetallen investiert haben, also vornehmlich in Barren und Münzen, werden die Abgeltungsteuer wahrscheinlich auf eigene Weise unterlaufen, indem sie ihre Schätze geheim halten. Kein Politiker wird sie zunächst zwingen können, darüber Rechenschaft abzulegen, denn das Horten von Gold, Silber usw. ist nicht verboten. Zunächst. Aber wie lautete so unschön - und doch treffend - eines der Eingangszitate des Journalisten Jünemann: "Ich traue den Politikern alles zu." Und denen wird nach der abgedroschenen Phrase von der sozialen Gerechtigkeit mit Sicherheit ein neues Schlagwort einfallen (z.B. Spekulations-Soli, Barren-Ausgleich oder Münzen-Ablass), um sich auch der Edelmetallgewinne privater Anleger zu bemächtigen. Bei den Goldgewinnen der Bundesbank haben sie es ja schon mehrfach versucht. Wenger, so ist zu erwarten, wird mit seinem "Staub"-Zitat Recht behalten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. auch Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)
Journalisten, die ihre Meinung noch frei äußern dürfen, gehören neben einigen streitbaren, nicht bis zur Halskrause mit Aufträgen für Gutachten eingedeckten Professoren zur immer seltener werdenden Spezies von Menschen, deren Kommentaren Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken sollten. Einer dieser Professoren ist Ekkehard Wenger von der Uni Würzburg. Sein folgendes Zitat aus einem Interview im aktuellen Manager Magazin sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Er bezeichnet die unterschiedliche Behandlung von Fonds und Aktien als "massive Diskriminierung direkter Aktienengagements" und fährt fort: "Diese Begünstigung der Fondsbranche ist skandalös, und dagegen werde ich auch Verfassungsbeschwerde einlegen."
Der Stein des Anstoßes lässt sich am besten mit einem weiteren Zitat beschreiben, dieses Mal aus einer Mitteilung des Fondsverbandes BVI: "Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die auf Fondsebene vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, können weiterhin steuerfrei ausgeschüttet werden. Für Anleger, die ihre Anteile vor dem 1. Januar erworben haben, kommt es dadurch zu einer endgültigen Steuerfreistellung." Diese Regelung gilt analog auch für Aktien und Anleihen, nicht dagegen für Zertifikate.
Der Knackpunkt: Wer als privater Anleger bis Ende 2008 Fonds kauft, vertraut den Fondsmanagern Geld an, mit dem diese auch nach 2008 munter Kursgewinne erzielen dürfen, ohne dass unser Anleger dafür 25% Abgeltungsteuer incl. Soli und Kirchensteuer (Letztere mit einer komplizierten Übergangsregelung) berappen muss. Wer dagegen bis Ende 2008 Aktien kauft und sie nach 2008 verkauft, braucht die Kursgewinne darauf zwar auch nicht zu versteuern. Kursgewinne unterliegen aber - anders als im Fall von Fonds - der Abgeltungsteuer, wenn der Aktienkauf nach 2008 stattfindet.
Nun ließe sich argumentieren, dass Fondsmanager Profis sind, die mit dem Geld der Anleger besser umzugehen wüssten als diese selbst. Von daher würde die unterschiedliche Behandlung von Fonds und Aktien wenigstens etwas Sinn ergeben. Doch den Beweis dafür wird niemand je erbringen können; und jahrzehntelange Statistiken sprechen zumindest insoweit dagegen, als die Mehrheit der Manager im Durchschnitt schlechter abschneidet als der für sie maßgebende Börsenindex. Oder um mit den Anhängern der Random-Walk-Theorie zu argumentieren, die Kursbewegungen für zufällig (random) halten: Wenn ein Affe mit Pfeilen auf die Kurstafel wirft, erzielt er mit den getroffenen Aktien im Durchschnitt bessere Ergebnisse als die Mehrheit der Fondsmanager. So gesehen, wird verständlich, warum der streitbare Professor aus Würzburg nicht den Affen mit sich lassen will und der Experte von Börse Online das Affentheater mit der Abgeltungsteuer als irre bezeichnet.
Der Irrsinn zeigt sich auch in scheinbaren Nebensächlichkeiten, wie sie etwa aus dem Internetauftritt des Bundesfinanzministeriums hervorgehen. Da heißt es in den "Ausführungen für Jedermann" vom 17. Juli 2007 unter Punkt 12 zur Frage "Bleibt der Kontenabruf der Finanzbehörden wie bisher bestehen?" zunächst eindeutig: "Nein." Doch dann folgen nicht weniger als sechs Ausnahmen, die auch nach 2008 gelten werden (was einschließt, dass Kontenabrufe vorher munter stattfinden dürfen). Von den Ausnahmen ist eine besonders putzig: "Fälle, in denen ein Bürger ... einem steuerlichen Kontenabruf zustimmt ..." Dazu passt durchaus auch die folgende Aussage des Würzburger Professors Wenger zum kommenden Umgang deutscher Anleger mit ihren Aktiendepots: "Wer ruhig schlafen will, wird sich komplett aus dem Staub machen."
Anleger, die ihr Geld in physischen Edelmetallen investiert haben, also vornehmlich in Barren und Münzen, werden die Abgeltungsteuer wahrscheinlich auf eigene Weise unterlaufen, indem sie ihre Schätze geheim halten. Kein Politiker wird sie zunächst zwingen können, darüber Rechenschaft abzulegen, denn das Horten von Gold, Silber usw. ist nicht verboten. Zunächst. Aber wie lautete so unschön - und doch treffend - eines der Eingangszitate des Journalisten Jünemann: "Ich traue den Politikern alles zu." Und denen wird nach der abgedroschenen Phrase von der sozialen Gerechtigkeit mit Sicherheit ein neues Schlagwort einfallen (z.B. Spekulations-Soli, Barren-Ausgleich oder Münzen-Ablass), um sich auch der Edelmetallgewinne privater Anleger zu bemächtigen. Bei den Goldgewinnen der Bundesbank haben sie es ja schon mehrfach versucht. Wenger, so ist zu erwarten, wird mit seinem "Staub"-Zitat Recht behalten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist u.a. auch Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005) und das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007)