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Öl: Historie, Bedeutung im Irankonflikt

14.10.2002  |  Stephan Heibel
Der Ölpreis hängt nicht ausschliesslich an einem potentiellen Krieg gegen den Irak. In der vergangenen Woche litt der Ölpreis durch Ängste, der Hurrikan Lilli könne Schäden an den Bohrinseln im Golf von Mexiko anrichten.

Unter "leiden" verstehe ich im folgenden einen Anstieg des Ölpreises. Die Produktion wurde in Erwartung des Hurrikans bereits runtergefahren, die Lagerbestände an Öl sind dadurch auf das niedrigste Niveau seit acht Jahren gefallen.

Aber lassen Sie uns einen Blick in die Geschichte werfen: Mitte des 19. Jahrhunderst begann man, Öl kommerziell zu nutzen und dadurch auch dessen kommerzielle Förderung. Das war die Zeit, in der John D. Rockefeller auf der Suche nach einer krisensicheren Investition in die Ölförderung einstieg.

Ohne auf Boom- und Baissezeiten besonders zu reagieren, förderte er kontinuierlich mehr Öl und kaufte seine Wettbewerber langsam auf. Bis 1880 konnte Rockefeller schliesslich, unterstützt durch eine Rezession in der Eisenbahnindustrie, die er zu seinem Vorteil zu nutzen wusste, die Kontrolle über 90% der amerikanischen Ölproduktion gewinnen.

Erfolgreich schützte er sich in der Folgezeit gegen neue Wettbewerber aus dem Inland. Ernst zu nehmende Wettbewerber kamen aus dem Ausland: die Rothschilds formten die Kasparische und Schwarze Meer Petrolium Company. Marcus Samuel gründete Shell und erschloss Ölquellen in Indonesien. Schliesslich fand eine kleine Firma in Texas die riesigen texanischen Ölquellen, binnen weniger Jahre wurde Texaco zum dritten ernst zu nehmenden Wettbewerber für Rockefellers Firma Standard Oil.

Standard Oil begann einen erbitterten Preiskrieg und nutzte seine noch überlegene Größe aus, um Wettbewerber mit Dumpingpreisen aus dem Land fern zu halten. Diesen wettbewerbsschädigenden Machenschaften setzte der oberste Gerichtshof der USA 1911 ein Ende: Standard Oil wurde in einzelne kleine Unternehmen aufgespalten. Die einzelnen Folgegesellschaften wurden örtlich aufgeteilt. Standard Oil of New Jersey, heute Exxon, war der größte Einzelnachfolger und ist bis heute die größte Ölgesellschaft der Welt. Standard Oil of New York wurde zu Mobil Oil. Standard Oil of Kentucky und California wurden zu Chevron. Nebraska und Kansas schlossen sich zu Amoco zusammen. Der Ohio-Arm wurde von British Petrolium übernommen. Texaco und Getty konnten unabhängig bleiben.

Bis zum zweiten Weltkrieg stieg die Bedeutung des schwarzen Golds so weit an, dass Hitler alles dransetzte, die russischen Baku Ölfelder im Kaukasus zu erobern. Er schaffte es nicht, so dass ab 1942 die Reichsarmee mit geringen Ölreserven zu kämpfen hatte. Prominentestes Beispiel der wichtigen Rolle von Öl: Rommel musste seinen Feldzug durch Nordafrika schliesslich wegen mangelndem Öl aufgeben.

1960 wurde die Organisation der Petroleum (Öl) Exportierenden Countries (Länder) kurz OPEC gegründet. Übrigens: In Bagdad. In den Fünfziger Jahren war die Nutzung von Öl weiter sprunghaft angestiegen. Noch größer jedoch war der sprunghafte Anstieg in den Fördermengen. Im allgemeinen Wettbewerb um Marktanteile fiel der Ölpreis auf historische Tiefstände.

Durch die Gründung der OPEC einigten sich die Mitgliedsländer auf maximale Förderquoten, um den Ölpreis stabil zu halten.

1970 kam die erste Ölkrise auf: Sie erinnern sich sicherlich noch an die autofreien Sonntage in den 70ern. Die Ölnachfrage war weiterhin stark angestiegen und politische Unruhen verhinderten zunächst eine Steigerung der Fördermengen. Muammar al-Ghadafi forderte damals nach der Machtergreifung in Libyen einen größeren Anteil an den Ölgewinnen, bevor er einer Steigerung der Fördermenge zustimmte.

In der Folge nutzten mehr und mehr arabische Länder das Öl dazu, um politische Ziele durchzusetzen. Die Auseinandersetzungen gipfelten im Embargo von 1973 und dem Krieg zwischen Israel und Äypten. Irak drohte, den Nachbarn Kuwait anzugreifen. Saudi Arabien und Iran strebten eine Führungsrolle in der arabischen Ölliga an.

Leidtragender dieser Ölquerelen und den dadurch steigenden Ölpreis waren unter anderem die USA. Sie mischten sich ein und erfuhren als Quittung ein Embargo: Keine Öllieferungen mehr in die USA, da Präsident Nixon Waffenlieferungen zur Stärkung der Israelis zugesagt hatte.

Bis zum Krieg Israels gegen Syrien beruhigte sich die Situation nicht mehr. Erst dann haben sich die OPEC Länder auf einen Ölpreis von $11,65 festgelegt. Der Ölpreis war jedoch zwischenzeitlich bereits von $3 Anfang der 70er auf über $30 gesprungen.

Nun, machen wir einen kleinen Sprung zum Irak: 1990 betrug die tägliche Exportmenge des Öls aus dem Irak 4 Mio. Barrel. Nachdem der Vater des heutigen Präsidenten der USA sich aus dem Irak zurückgezogen hatte, wurde ein Embargo dem Irak auferlegt, demzufolge nur noch 1 Mio. Barrel pro Tag exportiert werden dürfen. Damit ist die Abhängigkeit vom irakischen Öl heute nicht mehr so gegeben, wie damals: Damals entsprachen die 4 Mio. Barrel ungefähr 15% der Fördermenge der OPEC, heute ist der Anteil weit weniger gewichtig.

So, ich hoffe, ich habe ein wenig Licht in den dunklen Moloch der arabischen Ölliga und der Rolle der USA bringen können. Was kann nun passieren?

Aktuell hat sich die OPEC darauf geeinigt, den Ölpreis unter $30 zu halten. Steigt er nachhaltig darüber, so wird die Fördermenge erhöht, das Angebot wird größer, der Preis fällt wieder. Somit kann man wohl schwerlich auf einen steigenden Ölpreis spekulieren, denn der Preis liegt schon heute bei $29. Ölpreissteigerungen können nur aus zwei Gründen erfolgen: Erstens, wenn kurzfristig eine Unterdeckung der benötigten Ölmenge besteht und zweitens, wenn die OPEC sich wieder einmal nicht einigen kann

Der Ölpreisanstieg der letzten Woche ist wohl auf den ersten Grund zurückzuführen: Der Hurrikan Lilli hat dafür gesorgt, dass 1,5 Mio. Barrel Öl pro Tag weniger gefördert wurden, da im Golf von Mexiko einige Bohrinseln ihren Betrieb herunterfuhren. Nun ist der Sturm vorbeigezogen, die Schäden halten sich in Grenzen und das Gleichgewicht kann schon bald wieder hergestellt werden. Der Ölpreis fiel also in den letzten beiden Tagen wieder.

Die Irakkrise ist in der zweite Kategorie zu zählen. Ein Alleingang der USA gegen den Irak führt sicherlich nicht dazu, dass die arabischen Länder sich alle auf die Seite der USA schlagen, eher im Gegenteil. Damit haben wir dann eine gespaltene Arabische Liga. Die OPEC besteht zum größten Teil aus arabischen Ländern.

Zerstreiten sich in Folge eines Angriffs der USA die arabischen Länder, so ist kaum prognostizierbar, wie sich die OPEC verhalten wird, welche Länder gegen welche Länder Embargos verhängen und welche Lösung für den Konflikt erzielt wird. Sicher ist dann nur eines: Solche Unruhen führen zu einem sprunghaften Anstieg des Ölpreises.

Und das können die USA in ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation ganz und gar nicht gebrauchen. Ein hoher Ölpreis erstickt jegliche konjunkturellen Aufschwungversuche. Die USA benötigen einen niedrigen Ölpreis, um die eigene Konjunktur anzukurbeln und somit aus der aktuellen Rezession herauszukommen.

Durch einen Alleingang ist das also nicht machbar. Die USA brauchen zumindest die Unterstützung der UN. Dann ist zu hoffen, dass sich zumindest die Mehrzahl der arabischen Länder ebenfalls gegen den Irak stellt.

Idealerweise würden sich die USA dann einen schnellen Feldzug gegen Bagdad wünschen. Es wird an dessen Ende ein westlich-orientiertes Regime eingesetzt. Das Embargo von 1990 kann aufgehoben werden und das irakische Öl kann wieder reichlich eyportiert werden. Der Ölpreis würde demzufolge sinken.

Also: Ein schneller Sieg gegen den Irak mit der Unterstützung der UN führt zu einem fallenden Ölpreis und kurbelt dadurch die Konjunktur an.

Je länger der Krieg jedoch dauern würde, desto eher könnten sich dann andere arabische Länder auf die Seite des Iraks schlagen. Insbesondere, wenn die UN sich nicht hinter die USA stellen. Damit gibt es drei Unsicherheitsfaktoren, die, jeder einzeln, zu einem steigenden Ölpreis führen würden: Erstens: Stellt sich die UN hinter die USA? Zweitens: Gelingt ein schneller Sieg? Drittens: Wie verhalten sich die anderen arabischen Länder?

Meine Erwartung ist, dass bis in das nächste Jahr hinein die Ungewissheit über diese drei Punkte bestehen bleiben wird. Erst Anfang nächsten Jahres werden sich die UN dazu durchringen, die harte Position der USA zu befürworten. Es wird meiner Einschätzung nach zu einem Krieg kommen. Aufgrund dieses Schocks könnte der Ölpreis, der bis dahin zwischen $27 und $33 gependelt ist, kurzfristig auf $40 springen.

Anschließend hängt alles vom Verlauf des Krieges ab. Da wage ich keine Prognose.


© Stephan Heibel

Quelle: aus US-Aktienletter 40/2002, von www.ekip.de



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