Ethik der Geldproduktion
03.12.2007 | Mag. Gregor Hochreiter
Nach der Publikation seiner bahnbrechenden Mises-Biographie "Last Knight of Liberalism" veröffentlicht der deutsche Ökonom Jörg Guido Hülsmann mit "Die Ethik der Geldproduktion" sein zweites Buch in diesem Herbst. Das im englischen Original unter dem Titel "The Ethics of Money Production" erschienene Werk enthält eine umfassende Einführung in die Geldtheorie und stellt den überaus gelungenen Versuch der Rekonstruktion einer natürlichen Geldordnung dar.
Im ersten Teil des in drei Hauptteile gegliederten Buches führt Hülsmann systematisch in die Theorie der "natürlichen Geldproduktion" ein, wobei "natürlich" synonym für "frei" verwendet wird. In der Tradition der "commodity theory of money" stehend, die in ihren Grundzügen auf den französischen Mönch Jean Buridan de Bethune (1300-1358) zurückreicht und Jahrhunderte später von Carl Menger und Ludwig von Mises entscheidend weiterentwickelt worden war, zeigt Hülsmann, warum das Geld als allgemein akzeptiertes Tauschmittel eine Entdeckung des Marktprozeß ist. Im Zuge seiner Ausführungen widerlegt Hülsmann kurz und prägnant die unzähligen Argumente der Anhänger der "Staatstheorie des Geldes", die Geld als eine Erfindung des Staates betrachten und damit fortwährende Eingriffe in den friedlichen Austausch der Menschen aus unterschiedlichsten Motiven legitimieren. In seine ökonomischen Überlegungen webt Hülsmann ganz der Intention des Buches folgend ethische und rechtliche Überlegungen ein und bedient sich dabei einer Vorgehensweise, die jener der Moralphilosophen und Juristen der Scholastik und insbesondere der Spätscholastik ähnelt ohne den Fehler zu begehen, ökonomische und ethische Argumente gegeneinander auszuspielen oder bloß unkommentiert nebeneinanderzustellen. Seine Darlegungen stellen den legitimen Anspruch, daß sich bei einer umfassende Betrachtung von sozialwissenschaftlichen Phänomenen ökonomische und ethische Argumente komplementär zusammenfügen müssen. Solange jede Disziplin innerhalb ihrer Grenzen argumentiert, also die Ökonomie keine ethischen Schlußfolgerungen zieht und die Ethik nicht gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten rebelliert, erweist sich der inter-disziplinäre Diskurs nicht nur als äußerst fruchtbar, sondern letztlich als unabdingbar.
Der zweite Teil widmet sich ausführlich dem Phänomen der Inflation, die Hülsmann wie die meisten Vertreter der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" als "eine Ausweitung der nominalen Menge eines Tauschmittels über jenes Maß hinaus, das auf dem freien Markt produziert worden wäre" definiert. Im Zuge der Diskussion über die Hintergründe der Inflation begegnen wir jedoch an zwei Stellen einer Argumentationslinie, die aufgrund ihrer Wortwahl zumindest zu Mißverständnissen einlädt. So führt Hülsmann auf Seite 104 aus:
"Wie wir gesehen haben, begünstigt jede neue Geldeinheit die Erstempfänger, zum Beispiel unter einem Silberstandard die Silberbergwerksbetreiber und Silberpräger. [...] Aber wir dürfen nicht übersehen, daß die Vorteile, die den ersten Benutzern entstehen, auch eine beständige Versuchung darstellen, eine Vergrößerung des Geldangebots zu erzwingen." [Heraushebung im Original]
Und einige Seiten später:
"Wie wir weiter oben ausgeführt haben, bringt zusätzliches Geld den ersten Eigentümern einen Nutzen auf Kosten aller anderen Geldeigentümer. Es stimmt, daß dies unabhängig davon der Fall ist, ob das zusätzliche Geld das Ergebnis natürlicher Produktion oder einer Inflation ist. [Meine Hervorhebung] (S. 121)."
In einer Geldwirtschaft ist Geld dasjenige Gut, das sich nach und nach durch seine größere Absatzfähigkeit (Carl Menger) von allen anderen Gütern unterscheidet und derart zum allgemein akzeptierten Tauschmittel auserkoren wird. Weil Geld im Unterschied zu allen anderen Gütern von allen Menschen angenommen wird, ist es für einen Menschen mit Betrugsabsicht der einfachste Weg, gefälschtes Geld im Umlauf zu bringen. Schließlich fragt jeder Marktteilnehmer Geld nach, während ein spezifisches Gut nur von einer stark begrenzten Anzahl von Marktteilnehmern nachgefragt wird, die mühselig identifiziert werden müßte.
Allerdings liegt die Problematik hier nicht am Geld per se, sondern an der Tatsache, daß sich jeder Betrüger mit jedem betrügerischen Akt einen ungerechtfertigen materiellen Vorteil verschafft. Auch der Hütchenspieler am nächsten Straßeneck und der gewöhnliche Panscher werden wohl insgeheim hoffen, ihre betrügerischen Aktivitäten unter dem Schutzmantel des Gesetzes straffrei, wenn auch widerrechtlich, durchführen zu können.
Weil bei jedem Tausch ohne betrügerische Absicht beide involvierten Tauschpartner von dem Austausch der Güter zu profitieren hoffen, bereichert sich der Geldproduzent in einer natürlichen Geldordnung keinesfalls auf Kosten aller anderen Geldeigentümer. Wenn dies der Fall wäre, würde dieser Produzent das neue Geld zum einen erst gar nicht auf dem Markt unterbringen können. Zum anderen scheint die undifferenzierte Anwendung des Konzepts der Nicht-Neutralität des Geldes auf eine Situation der natürlichen bzw. der inflationistischen Geldmengenausweitung aus mehreren Gründen problematisch zu sein.
Unter der Nicht-Neutralität des Geldes ist jener Effekt zu verstehen, der sich daraus ergibt, daß das neu produzierte Geld nicht an alle Marktteilnehmer entsprechend ihrer jeweiligen relativen Geldhaltung ausgeteilt wird und somit die relativen Vermögensverhältnisse zwischen den Bürgern unangetastet bleiben. Tatsächlich tritt das neue Geld an bestimmten Stellen in den Wirtschaftskreislauf ein, weswegen die relative Verteilung der Geldeinheiten eine Verschiebung erfährt. Die sogenannten Erstbezieher des Geldes können zu den alten Preisen noch einkaufen und somit zusätzliche Güter erwerben, während der Nominallohn der Letztbezieher gleich geblieben ist, der Reallohn aber aufgrund der gestiegenen Güterpreise gesunken ist.
Bei einer inflationistischen Geldmengenausweitung kann man ohne Einschränkung von einer ungerechtfertigten und unrechtmäßigen Geldmengenausweitung sprechen, weil die Neuemittenten eine Deckung vorgeben, die nicht vorhanden ist. Diesfalls kommt es also zu einer Umverteilung, die immer ein Null-Summenspiel ist, bei dem keine zusätzlichen Produkte den gesellschaftlichen Wohlstand erhöhen. Wie Guido Hülsmann in zahlreichen Artikeln und im vorliegenden Buch zudem zu Recht argumentiert, ist die Aufrechterhaltung eines inflationistischen Geldsystems nur durch Täuschung, d.h. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, möglich. Diese anfangs bewußten Täuschungsakte können im Falle der Internalisierung in einer großen, fast undurchdringlichen Illusionsblase enden, die Hülsmann in seinem Artikel "Toward a General Theory of Error Cycles" letztlich für den Konjunkturzyklus verantwortlich macht. Nur dank dieser Täuschung, die in den meisten Fällen durch staatliche Privilegien zusätzlich einzementiert wird, können sich die Erstbezieher auf Kostender restlichen Bevölkerung bereichern.
Sollte die Geldmengenausweitung auf natürlichem Wege erfolgen, dann ergibt sich eine gänzlich andere Situation. Jeder Marktteilnehmer kann sich zu vergleichsweise geringen Kosten ein Bild von der betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Geldproduzenten machen, die ihrerseits kein gesondertes Interesse an einer Vernebelung ihrer Geschäftspraktiken haben, im Unterschied zu den Geschäftsbanken in einem inflationistischen Teilreserve-System. Folglich werden manche Markteilnehmer, Unternehmer wie Nicht-Unternehmer, die durch die Geldproduktion verursachte Veränderung der Kaufkraft des Geldes besser antizipieren als andere und ihre Handlungen diesen Erwartungen dementsprechend anpassen. Der Gläubiger wappnet sich gegen die vermehrte Produktion von Geld beispielsweise dadurch, daß er die Höhe der Kaufkraft-Komponente und der terms-of-trade-Komponente des Zinses nach oben korrigiert.
Aus einem weiteren Grund ist es in einer natürlichen Geldordnung verfehlt davon zu sprechen, daß sich die Erstbezieher "auf Kosten aller anderen Geldeigentümer" bereichern. Eine derartige Aussage setzt voraus, daß ein heutiger Geldeigentümer einen Anspruch auf eine zumindest stabile zukünftige Höhe der Kaufkraft des Geldes hätte. Dies impliziert wiederum, daß dieser Geldeigentümer nicht nur die zukünftige Geldproduktion, sondern auch die zukünftige Geldhaltung aller Marktteilnehmer kontrollieren dürfte, was mit einer natürlichen (Geld-)Ordnung klarerweise nicht vereinbar wäre. Der zukünftigen Kaufkraft des Geldes wohnt immer ein spekulatives Element inne, das als wesentlicher Bestandteil des menschlichen Handelns niemals verschwindet. Im Unterschied zur unrechtmäßigen Umverteilung richtet sich die rechtmäßige Güterverteilung allein nach der direkten oder indirekten Produktivität einer Person, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von den subjektiven Wertungsakten der Menschen permanent variiert. Diese Veränderung der Güterverteilung steht jedoch nicht im Widerspruch zu den ethischen Grundfesten einer freien Gesellschaft. Schließlich wird bei einer natürlichen Ausweitung der Geldmenge niemand Opfer eines Betruges, noch kann man andere Leute mit rechtlichen Mitteln daran hindern, zusätzliche gedeckte Geldmittel zu emittieren.
Der dritte und letzte Teil enthält eine Analyse der historischen "Währungsordnungen und Währungssysteme", wobei Hülsmann im Großen und Ganzen einen seit Jahrhunderten währenden Verfallsprozeß sieht, der nur in seltenen Ausnahmefällen, und dann auch nur vorübergehend, gestoppt werden konnte. Die zunehmende Verstaatlichung der Geldproduktion und des Bankensystems illustriert auf eindrucksvolle Weise die von Ludwig von Mises ausgeführte Interventionsspirale. Diese beruht nicht auf einer deterministischen Geschichtsauffassung, sondern argumentiert, daß ein staatlicher Eingriff in das Marktgeschehen über kurz oder lang einen weiteren Eingriff nach sich zieht. Zentralisierung, Monopolisierung und politischer Totalitarismus stehen am Ende dieser Entwicklung, die allerdings jederzeit wieder umgekehrt werden könnte.
Der an der Université d’Angers lehrende Ökonom warnt vor einer übertriebenen Lobhudelei des klassischen Goldstandard in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts, da dessen politische Einführung die Währungs- und Bankensysteme endgültig in die Arme des Staates trieb. Nicht minder bemerkenswert seine Interpretation der amerikanischen Revolution, die er - unter anderem - auf das Verbot des inflationistischen Geldsystems in den englischen Kolonien durch das englische Parlament zurückführt. Dieses Verbot brachte den umverteilenden und für die neue politische und wirtschaftliche Elite äußerst profitablen Geldfluß zum Versiegen. Daß sich nach der erfolgreichen Abnabelung vom britischen Mutterland die Kräfte des "sound money" durchsetzten, bezeichnet Hülsmann folglich als den "radikalsten Bruch in der neueren Rechtsgeschichte des Westens".
Dem Titel des Buches entsprechend richtet sich "Die Ethik der Geldproduktion" nicht nur an ökonomisch interessierte Laien, sondern explizit auch an ein christlich-geprägtes Publikum, dem angesichts der zunehmenden Labilität und der negativen moralischen Konsequenzen des aktuellen Geldsystems ein mit den moralischen und ethischen Grundprinzipien des Glaubens zu vereinbarende Geldordnung vorgestellt wird. Die häufigen Verweise auf einschlägige Bibelstellen bieten zudem eine willkommene Erweiterung der ethischen Würdigung unterschiedlichster Währungssysteme und Geldordnungen. Die um Klarheit bemühte und folglich streckenweise sehr technische Sprache fordert den Leser ohne ihn zu überfordern. Zahlreiche Fußnoten bieten zudem dem Studenten der Sozialwissenschaften einen reichhaltigen Fundus an ökonomischen, rechtlichen und ethischen Literaturverweisen, die es verdienen, studiert zu werden.
© Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft
Im ersten Teil des in drei Hauptteile gegliederten Buches führt Hülsmann systematisch in die Theorie der "natürlichen Geldproduktion" ein, wobei "natürlich" synonym für "frei" verwendet wird. In der Tradition der "commodity theory of money" stehend, die in ihren Grundzügen auf den französischen Mönch Jean Buridan de Bethune (1300-1358) zurückreicht und Jahrhunderte später von Carl Menger und Ludwig von Mises entscheidend weiterentwickelt worden war, zeigt Hülsmann, warum das Geld als allgemein akzeptiertes Tauschmittel eine Entdeckung des Marktprozeß ist. Im Zuge seiner Ausführungen widerlegt Hülsmann kurz und prägnant die unzähligen Argumente der Anhänger der "Staatstheorie des Geldes", die Geld als eine Erfindung des Staates betrachten und damit fortwährende Eingriffe in den friedlichen Austausch der Menschen aus unterschiedlichsten Motiven legitimieren. In seine ökonomischen Überlegungen webt Hülsmann ganz der Intention des Buches folgend ethische und rechtliche Überlegungen ein und bedient sich dabei einer Vorgehensweise, die jener der Moralphilosophen und Juristen der Scholastik und insbesondere der Spätscholastik ähnelt ohne den Fehler zu begehen, ökonomische und ethische Argumente gegeneinander auszuspielen oder bloß unkommentiert nebeneinanderzustellen. Seine Darlegungen stellen den legitimen Anspruch, daß sich bei einer umfassende Betrachtung von sozialwissenschaftlichen Phänomenen ökonomische und ethische Argumente komplementär zusammenfügen müssen. Solange jede Disziplin innerhalb ihrer Grenzen argumentiert, also die Ökonomie keine ethischen Schlußfolgerungen zieht und die Ethik nicht gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten rebelliert, erweist sich der inter-disziplinäre Diskurs nicht nur als äußerst fruchtbar, sondern letztlich als unabdingbar.
Der zweite Teil widmet sich ausführlich dem Phänomen der Inflation, die Hülsmann wie die meisten Vertreter der "Österreichischen Schule der Nationalökonomie" als "eine Ausweitung der nominalen Menge eines Tauschmittels über jenes Maß hinaus, das auf dem freien Markt produziert worden wäre" definiert. Im Zuge der Diskussion über die Hintergründe der Inflation begegnen wir jedoch an zwei Stellen einer Argumentationslinie, die aufgrund ihrer Wortwahl zumindest zu Mißverständnissen einlädt. So führt Hülsmann auf Seite 104 aus:
"Wie wir gesehen haben, begünstigt jede neue Geldeinheit die Erstempfänger, zum Beispiel unter einem Silberstandard die Silberbergwerksbetreiber und Silberpräger. [...] Aber wir dürfen nicht übersehen, daß die Vorteile, die den ersten Benutzern entstehen, auch eine beständige Versuchung darstellen, eine Vergrößerung des Geldangebots zu erzwingen." [Heraushebung im Original]
Und einige Seiten später:
"Wie wir weiter oben ausgeführt haben, bringt zusätzliches Geld den ersten Eigentümern einen Nutzen auf Kosten aller anderen Geldeigentümer. Es stimmt, daß dies unabhängig davon der Fall ist, ob das zusätzliche Geld das Ergebnis natürlicher Produktion oder einer Inflation ist. [Meine Hervorhebung] (S. 121)."
In einer Geldwirtschaft ist Geld dasjenige Gut, das sich nach und nach durch seine größere Absatzfähigkeit (Carl Menger) von allen anderen Gütern unterscheidet und derart zum allgemein akzeptierten Tauschmittel auserkoren wird. Weil Geld im Unterschied zu allen anderen Gütern von allen Menschen angenommen wird, ist es für einen Menschen mit Betrugsabsicht der einfachste Weg, gefälschtes Geld im Umlauf zu bringen. Schließlich fragt jeder Marktteilnehmer Geld nach, während ein spezifisches Gut nur von einer stark begrenzten Anzahl von Marktteilnehmern nachgefragt wird, die mühselig identifiziert werden müßte.
Allerdings liegt die Problematik hier nicht am Geld per se, sondern an der Tatsache, daß sich jeder Betrüger mit jedem betrügerischen Akt einen ungerechtfertigen materiellen Vorteil verschafft. Auch der Hütchenspieler am nächsten Straßeneck und der gewöhnliche Panscher werden wohl insgeheim hoffen, ihre betrügerischen Aktivitäten unter dem Schutzmantel des Gesetzes straffrei, wenn auch widerrechtlich, durchführen zu können.
Weil bei jedem Tausch ohne betrügerische Absicht beide involvierten Tauschpartner von dem Austausch der Güter zu profitieren hoffen, bereichert sich der Geldproduzent in einer natürlichen Geldordnung keinesfalls auf Kosten aller anderen Geldeigentümer. Wenn dies der Fall wäre, würde dieser Produzent das neue Geld zum einen erst gar nicht auf dem Markt unterbringen können. Zum anderen scheint die undifferenzierte Anwendung des Konzepts der Nicht-Neutralität des Geldes auf eine Situation der natürlichen bzw. der inflationistischen Geldmengenausweitung aus mehreren Gründen problematisch zu sein.
Unter der Nicht-Neutralität des Geldes ist jener Effekt zu verstehen, der sich daraus ergibt, daß das neu produzierte Geld nicht an alle Marktteilnehmer entsprechend ihrer jeweiligen relativen Geldhaltung ausgeteilt wird und somit die relativen Vermögensverhältnisse zwischen den Bürgern unangetastet bleiben. Tatsächlich tritt das neue Geld an bestimmten Stellen in den Wirtschaftskreislauf ein, weswegen die relative Verteilung der Geldeinheiten eine Verschiebung erfährt. Die sogenannten Erstbezieher des Geldes können zu den alten Preisen noch einkaufen und somit zusätzliche Güter erwerben, während der Nominallohn der Letztbezieher gleich geblieben ist, der Reallohn aber aufgrund der gestiegenen Güterpreise gesunken ist.
Bei einer inflationistischen Geldmengenausweitung kann man ohne Einschränkung von einer ungerechtfertigten und unrechtmäßigen Geldmengenausweitung sprechen, weil die Neuemittenten eine Deckung vorgeben, die nicht vorhanden ist. Diesfalls kommt es also zu einer Umverteilung, die immer ein Null-Summenspiel ist, bei dem keine zusätzlichen Produkte den gesellschaftlichen Wohlstand erhöhen. Wie Guido Hülsmann in zahlreichen Artikeln und im vorliegenden Buch zudem zu Recht argumentiert, ist die Aufrechterhaltung eines inflationistischen Geldsystems nur durch Täuschung, d.h. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, möglich. Diese anfangs bewußten Täuschungsakte können im Falle der Internalisierung in einer großen, fast undurchdringlichen Illusionsblase enden, die Hülsmann in seinem Artikel "Toward a General Theory of Error Cycles" letztlich für den Konjunkturzyklus verantwortlich macht. Nur dank dieser Täuschung, die in den meisten Fällen durch staatliche Privilegien zusätzlich einzementiert wird, können sich die Erstbezieher auf Kostender restlichen Bevölkerung bereichern.
Sollte die Geldmengenausweitung auf natürlichem Wege erfolgen, dann ergibt sich eine gänzlich andere Situation. Jeder Marktteilnehmer kann sich zu vergleichsweise geringen Kosten ein Bild von der betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Geldproduzenten machen, die ihrerseits kein gesondertes Interesse an einer Vernebelung ihrer Geschäftspraktiken haben, im Unterschied zu den Geschäftsbanken in einem inflationistischen Teilreserve-System. Folglich werden manche Markteilnehmer, Unternehmer wie Nicht-Unternehmer, die durch die Geldproduktion verursachte Veränderung der Kaufkraft des Geldes besser antizipieren als andere und ihre Handlungen diesen Erwartungen dementsprechend anpassen. Der Gläubiger wappnet sich gegen die vermehrte Produktion von Geld beispielsweise dadurch, daß er die Höhe der Kaufkraft-Komponente und der terms-of-trade-Komponente des Zinses nach oben korrigiert.
Aus einem weiteren Grund ist es in einer natürlichen Geldordnung verfehlt davon zu sprechen, daß sich die Erstbezieher "auf Kosten aller anderen Geldeigentümer" bereichern. Eine derartige Aussage setzt voraus, daß ein heutiger Geldeigentümer einen Anspruch auf eine zumindest stabile zukünftige Höhe der Kaufkraft des Geldes hätte. Dies impliziert wiederum, daß dieser Geldeigentümer nicht nur die zukünftige Geldproduktion, sondern auch die zukünftige Geldhaltung aller Marktteilnehmer kontrollieren dürfte, was mit einer natürlichen (Geld-)Ordnung klarerweise nicht vereinbar wäre. Der zukünftigen Kaufkraft des Geldes wohnt immer ein spekulatives Element inne, das als wesentlicher Bestandteil des menschlichen Handelns niemals verschwindet. Im Unterschied zur unrechtmäßigen Umverteilung richtet sich die rechtmäßige Güterverteilung allein nach der direkten oder indirekten Produktivität einer Person, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von den subjektiven Wertungsakten der Menschen permanent variiert. Diese Veränderung der Güterverteilung steht jedoch nicht im Widerspruch zu den ethischen Grundfesten einer freien Gesellschaft. Schließlich wird bei einer natürlichen Ausweitung der Geldmenge niemand Opfer eines Betruges, noch kann man andere Leute mit rechtlichen Mitteln daran hindern, zusätzliche gedeckte Geldmittel zu emittieren.
Der dritte und letzte Teil enthält eine Analyse der historischen "Währungsordnungen und Währungssysteme", wobei Hülsmann im Großen und Ganzen einen seit Jahrhunderten währenden Verfallsprozeß sieht, der nur in seltenen Ausnahmefällen, und dann auch nur vorübergehend, gestoppt werden konnte. Die zunehmende Verstaatlichung der Geldproduktion und des Bankensystems illustriert auf eindrucksvolle Weise die von Ludwig von Mises ausgeführte Interventionsspirale. Diese beruht nicht auf einer deterministischen Geschichtsauffassung, sondern argumentiert, daß ein staatlicher Eingriff in das Marktgeschehen über kurz oder lang einen weiteren Eingriff nach sich zieht. Zentralisierung, Monopolisierung und politischer Totalitarismus stehen am Ende dieser Entwicklung, die allerdings jederzeit wieder umgekehrt werden könnte.
Der an der Université d’Angers lehrende Ökonom warnt vor einer übertriebenen Lobhudelei des klassischen Goldstandard in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts, da dessen politische Einführung die Währungs- und Bankensysteme endgültig in die Arme des Staates trieb. Nicht minder bemerkenswert seine Interpretation der amerikanischen Revolution, die er - unter anderem - auf das Verbot des inflationistischen Geldsystems in den englischen Kolonien durch das englische Parlament zurückführt. Dieses Verbot brachte den umverteilenden und für die neue politische und wirtschaftliche Elite äußerst profitablen Geldfluß zum Versiegen. Daß sich nach der erfolgreichen Abnabelung vom britischen Mutterland die Kräfte des "sound money" durchsetzten, bezeichnet Hülsmann folglich als den "radikalsten Bruch in der neueren Rechtsgeschichte des Westens".
Dem Titel des Buches entsprechend richtet sich "Die Ethik der Geldproduktion" nicht nur an ökonomisch interessierte Laien, sondern explizit auch an ein christlich-geprägtes Publikum, dem angesichts der zunehmenden Labilität und der negativen moralischen Konsequenzen des aktuellen Geldsystems ein mit den moralischen und ethischen Grundprinzipien des Glaubens zu vereinbarende Geldordnung vorgestellt wird. Die häufigen Verweise auf einschlägige Bibelstellen bieten zudem eine willkommene Erweiterung der ethischen Würdigung unterschiedlichster Währungssysteme und Geldordnungen. Die um Klarheit bemühte und folglich streckenweise sehr technische Sprache fordert den Leser ohne ihn zu überfordern. Zahlreiche Fußnoten bieten zudem dem Studenten der Sozialwissenschaften einen reichhaltigen Fundus an ökonomischen, rechtlichen und ethischen Literaturverweisen, die es verdienen, studiert zu werden.
© Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft