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2008 - was kommt?

28.12.2007  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Die in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Entwicklungslinien spitzen sich zu und erreichen einen kritischen Punkt. Die Konsequenzen sind:

Kurzfristig: Die Schulden haben sich (nicht nur im privaten Bereich) inzwischen derart aufgetürmt, dass jede kleine Erschütterung eine Lawine auslösen kann. Das Prekäre ist, dass die amerikanische Wirtschaft mittlerweile zu gut 70 Prozent vom privaten Konsum abhängt. Wenn der amerikanische Verbraucher auch nur einen Schnupfen bekommt, wächst sich das in der Volkswirtschaft schnell zu einer Grippe aus. Windige ABS-Konstruktionen erhöhen dabei die Labilität noch - um im Bild zu bleiben, das Immunsystem (nicht nur) der US-Wirtschaft ist stark angeschlagen.

Nicht zu vergessen, die Private-Equity-Aktivitäten haben in vielen Fällen dazu geführt, dass Unternehmen ausgezehrt wurden, der hohe Anteil an Fremdfinanzierung erhöht das Pleiterisiko, auch dadurch wird die Stabilität des Systems beeinträchtigt.

Ich rechne mit einer Rezession der Weltwirtschaft, die etwa zur Jahresmitte 2008 beginnen und in Stärke und Länge die jüngsten beiden Rezession übertreffen dürfte. Siehe Chart "Rezessionswahrscheinlichkeit" unter Inter-Market auf der Web-Seite der TimePattern.


Mittelfristig: Der systemimmanente Weg ist, die skizzierte Situation durch Entwertung der Schulden über anhaltende Inflation in den Griff zu bekommen. Es sieht so aus, dass in der jüngeren Vergangenheit die durch die konsequente Notenbank-Politik des billigen Geldes angeheizte Asset-Inflation in die Gütermärkte übergesprungen ist, wobei inflationäre Tendenzen bei Nahrungsmitteln/Energie und deflationäre bei Industriegütern divergieren. Die Inflations-Erwartungen, wie sie sich aus dem entsprechenden Chart unter Inter-Market auf der Web-Seite der TimePattern ergeben, laufen zwar noch auf hohem Niveau, ihre Tendenz ist jedoch seit Juli abwärts gerichtet. Eine Rezession dürfte für weiteren
Abwärtsdruck bei den Preisen sorgen. Das dürfte den systemimmanenten Weg der Entschuldung erschweren.

Wenn der Verbraucher künftig und nachhaltig mit Verschuldungsbedingten Belastungen seines Einkommens rechnen muss, wird er seine Nachfrage nach Industriegütern einschränken, erst recht bei hohen Nahrungsmittelpreisen. Dies wiederum führt dazu, dass die Produktion von Nahrungsmitteln und Energie eine größere Bedeutung erlangt. Hierdurch sinkt die Produktivität der Gesamtwirtschaft (ich hatte mich mit diesem Zusammenhang u.a. in einem Artikel vom 6. Juli 2007 beschäftigt). Dadurch sinken die Wachstumsperspektiven, was insbesondere den Spielraum für den Schuldendienst einschränkt. Dies wäre in meinen Augen das worst-case-Szenario, insbesondere dann, wenn der Inflationierungsprozess, z.B. bedingt durch eine schwere Rezession, sich ins Gegenteil verkehrt.

Übergeordnet: Die Wirtschaft befindet sich bezogen auf die langen Wirtschaftszyklen von Kondratieff bereits in der Phase des Winters, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die den gesamten Zyklus tragende Technologie der Elektronik keine neuen, revolutionären Innovationen mehr hervorbringt. In einer solchen Situation steigt die Fehlallokation an Produktionsmitteln und Ressourcen besonders deutlich an, Produktivität und Wachstumsaussichten nehmen stetig ab.


"Seitensprung" (1): Die Anschläge auf das World-Trade-Center im September 2001 hat die Politik zumindest in allen entwickelten Industrieländern zum Anlass genommen, die Bürgerrechte weitgehend einzuschränken und Kontrollmechanismen beispiellosen Ausmaßes einzurichten. Wegen der Gefahr terroristischer Abschläge? Oder als Vorbereitung gegen mögliche Unruhen als Antwort auf die insbesondere seit der Jahrtausendwende immer weiter aufgehende Schere zwischen arm und reich? Nouriel Roubini, kritischer Volkswirtschaftsprofessor, warnt neben den wirtschaftlichen zugleich vor den sozialen Folgen, wenn "Massen von Menschen tatsächlich obdachlos werden".

"Seitensprung" (2): Die Diskussion um eine mögliche Klimakatastrophe nimmt einen viel zu breiten Raum ein. Ich denke, dass hat seinen Grund auch darin, von den wirklichen Problemen abzulenken, so nach der Devise "wir sitzen alle in einem Boot". Zudem spricht manches gegen die einseitige Fokussierung auf den Treibhauseffekt. Und wenn sich Tausende von Bürokraten in CO2-spendende Flugzeuge setzen und an irgendwelchen schönen Touristenstränden Luftblasen zum Klimaschutz produzieren, kann es so schlimm nicht sein...

"Seitensprung" (3): Die Nationalstaaten haben sich im Rahmen der Globalisierung selbst kastriert, sich ihrer Möglichkeiten beschnitten. In Europa wurde hierzu eigens ein bürokratischer Moloch namens EU geschaffen. Je unbeweglicher die Nationalstaaten, je mehr hat das Finanzkapital freie Hand. Eine zeitlang mag es durch die Globalisierung zu einer optimaleren Allokation von Produktionsmitteln und Ressourcen gekommen sein. Dieser Punkt ist jedoch seit einer Dekade überschritten.


Damit ist aus meiner Sicht auch klar, dass vor uns eine längere Zeitspanne nicht nur wirtschaftlicher, sondern zunehmend auch sozialer Spannungen liegt. Wie immer aber: Der Weg wird nicht gerade sein, sondern extrem "zackig".

Hinsichtlich der Perspektive für 2008 ist das vermutete Szenario der Preisentwicklung von besonderer Bedeutung: Ich unterstelle, dass die Inflationserwartungen (Gesamtrate) nicht nach oben ausbrechen und in der zweiten Jahreshälfte eher abwärts tendieren.





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