Warum lassen wir uns durch Vorschriften und Bürokratie knechten?
02.11.2024 | Prof. Dr. Eberhard Hamer
- Seite 3 -
Das Mittelstandsinstitut Niedersachen z.B. hat ermittelt, dass Ärzte heute 40% ihrer Zeit mit Dokumentation, Kontrollen und Bürokratie verschwenden, statt die Patienten behandeln zu können. Kein Wunder, dass wir Ärztemangel haben! Und ebenso hat die Landwirtschaft heute ihre Produktion mehr nach öffentlichen Vorschriften als nach rentablem Landbau zu richten, weil das Überleben der Betriebe immer mehr davon abhängt, mehr offizielle Subventionen zu erzielen als höhere Erträge aus den Produktionen. Das gilt vor allem auch für die Viehzucht. Aus vielen mittelständischen Branchen wird die gleiche Überbürokratisierung beklagt, sind aber Zahlen dafür noch nicht erarbeitet.
Bürokratieüberwälzung auf die Wirtschaft
Die vorstehend erwähnte Bürokratiebelastung der Betriebe ist gerade jetzt unter der Ampel-Regierung gewachsen. Schon vor 40 Jahren hat der Verfasser empirisch ermittelt,
dass Gesetzgeber und Bürokratie die Ausübung der Verwaltung zunehmend auf die private Wirtschaft abgedrückt haben, dass sie m.a.W. kraft ihrer Hoheitsgewalt immer mehr bürokratische Pflichten ohne Kostenersatz auf die Wirtschaft abwälzen, diese also als kostenlosen Hilfsdiener in Anspruch nehmen.
Insgesamt belasteten schon vor 40 Jahren jährlich Bürokratiearbeiten im Durchschnitt alle Betriebe mit etwa 1.057 Stunden. Das waren 132 Arbeitstage oder 26,4 Wochen eines Mitarbeiters (mit Urlaub und Feiertagen 30 Wochen). Seitdem sind tausende eigene und zusätzlich weitere zigtausende EU-Pflichten hinzugekommen.
Den Unternehmen entstanden dadurch schon vor 40 Jahren Kosten von mehr als 50.000 DM, damals für die meisten untersuchten Unternehmen höher als ihr durchschnittlicher Nettogewinn ⁸.
Da alle Unternehmen die gleichen Formulare ausfüllen und die gleichen Meldungen und Kontrollen leisten müssen, wirkte sich die Bürokratieüberwälzung umso schädlicher aus, je kleiner die Unternehmen waren. Kleinunternehmen sind relativ 14 x so stark durch Bürokratiearbeiten belastet wie Großunternehmen. Pro Mitarbeiter lagen damals die Bürokratiekosten in Kleinbetrieben bei fast 700,- DM, in Mittelunternehmen mit 100 Beschäftigten bei ca. 500,- DM, bei Großunternehmen aber unter 100,- DM. Die Bürokratieüberlastung ist also in ihrer Wirkung besonders mittelstandsschädlich. Und das hat sich seit der Untersuchung des Mittelstandsinstituts 1979 nicht etwa gebessert, sondern dramatisch verschärft, wie die vorgenannten 40 % Bürokratiekosten bei Ärzten und Landwirten erkennen lassen ⁹.
Allein für statistische Arbeiten waren im Durchschnitt für jeden Betrieb in Deutschland 109 Stunden notwendig, heute schätzungsweise 140 Stunden.
Für die Steuerbürokratie waren es damals 172 Stunden, jetzt über 200, trotz Einschaltung eines Steuerberaters, allein im Unternehmen selbst.
Die größte Belastung – die Hälfte der zeitlichen Gesamtbelastung – versursacht die Sozialrechtsbürokratie mit damals mehr als 500 Stunden. Sie wirkt sich wegen der Personalintensität auf den Mittelstand überproportional und am belastendsten für die Kleinunternehmen – z. B. das Handwerk – aus.
Insgesamt belasteten schon vor 40 Jahren jährlich Bürokratiearbeiten im Durchschnitt alle Betriebe mit etwa 1.057 Stunden. Das waren 132 Arbeitstage oder 26,4 Wochen eines Mitarbeiters (mit Urlaub und Feiertagen 30 Wochen). Seitdem sind tausende eigene und zusätzlich weitere zigtausende EU-Pflichten hinzugekommen.
Den Unternehmen entstanden dadurch schon vor 40 Jahren Kosten von mehr als 50.000 DM, damals für die meisten untersuchten Unternehmen höher als ihr durchschnittlicher Nettogewinn ⁸.
Da alle Unternehmen die gleichen Formulare ausfüllen und die gleichen Meldungen und Kontrollen leisten müssen, wirkte sich die Bürokratieüberwälzung umso schädlicher aus, je kleiner die Unternehmen waren. Kleinunternehmen sind relativ 14 x so stark durch Bürokratiearbeiten belastet wie Großunternehmen. Pro Mitarbeiter lagen damals die Bürokratiekosten in Kleinbetrieben bei fast 700,- DM, in Mittelunternehmen mit 100 Beschäftigten bei ca. 500,- DM, bei Großunternehmen aber unter 100,- DM. Die Bürokratieüberlastung ist also in ihrer Wirkung besonders mittelstandsschädlich. Und das hat sich seit der Untersuchung des Mittelstandsinstituts 1979 nicht etwa gebessert, sondern dramatisch verschärft, wie die vorgenannten 40 % Bürokratiekosten bei Ärzten und Landwirten erkennen lassen ⁹.
Allein für statistische Arbeiten waren im Durchschnitt für jeden Betrieb in Deutschland 109 Stunden notwendig, heute schätzungsweise 140 Stunden.
Für die Steuerbürokratie waren es damals 172 Stunden, jetzt über 200, trotz Einschaltung eines Steuerberaters, allein im Unternehmen selbst.
Die größte Belastung – die Hälfte der zeitlichen Gesamtbelastung – versursacht die Sozialrechtsbürokratie mit damals mehr als 500 Stunden. Sie wirkt sich wegen der Personalintensität auf den Mittelstand überproportional und am belastendsten für die Kleinunternehmen – z. B. das Handwerk – aus.
Das Mittelstandsinstitut hatte aber auch Abhilfevorschläge, z. B.
die Sozialbeiträge als echte Steuer ins Sozialsystem zu übernehmen,
dass für Kleinbetriebe großzügigere Pauschalierungen eingeführt werden,
dass die Statistik grundsätzlich privatisiert würde,
dass zunächst einmal alle Doppelmeldungen, Doppelstatistiken, Doppelkontrollen u.a. durch unterschiedliche Behörden vereinheitlicht würden.
dass für Kleinbetriebe großzügigere Pauschalierungen eingeführt werden,
dass die Statistik grundsätzlich privatisiert würde,
dass zunächst einmal alle Doppelmeldungen, Doppelstatistiken, Doppelkontrollen u.a. durch unterschiedliche Behörden vereinheitlicht würden.
Alle Versuche, die Bürokratie durch Reduzierung der Bürokraten abzuschlanken, sind bisher bescheiden oder vergeblich geblieben. Am wirksamsten wäre es darum, wenn ganze überflüssige Behörden geschlossen würden, wie z. B. das Wolfsbüro in der Landesregierung Hannover, die vielen überflüssigen und teuren Beauftragten mit ihren Stäben, die explosiv gewachsene Umweltbürokratie u.a. Ein Regierungswechsel könnte hierfür der richtige Zeitpunkt sein.
Diese Vorschläge werden immer wieder seit den vergangenen 40 Jahren von der Mittelstandsforschung gemacht, ohne dass sich Politik und Verwaltung dadurch rühren ließen.
Es kostet Gesetzgeber und öffentliche Bürokratie ja nichts, wenn sie ihre eigentlichen Verwaltungsaufgaben immer stärker auf die Betriebe ablastet. Im Gegenteil: Sie bekommt zusätzliche Leistungen, die sie selbst nicht durchführen muss. Kein Wunder, wenn die eigentlich zugunsten der Betriebe arbeitenden Industrie- und Handelskammern am stärksten gegen die Privatisierung der Statistiken protestiert haben: Weil sie sie dann selbst bezahlen müssten.
Eigentlich sieht jeder ein, dass unsere Überregulierung und Überbürokratisierung zum Verlust von Freiheit und Rentabilität in der Wirtschaft führen, also schädlich sind.
Es hat auch immer wieder politische Versuche gegeben, der Überflutung mit Gesetzen und Bürokratie abzuhelfen ¹⁰. Das Problem dieser Versuche war immer, dass jeder Versuch, Einzelregelungen abzuschaffen, den massiven Protest interessierter Lobby-Gruppen erzeugt, bei dem die Politik dann einknickt.
Dass mit Ende des 2. Weltkrieges alle Nazi-Gesetze abgeschafft galten und die Bürokratie auf Sparflamme lief zeigt, dass nur grundsätzliche Einschnitte den Regulierungs- und Bürokratiemoloch wieder reduzieren können.
Es bleibt deshalb beim Mittelstandsinstituts-Vorschlag: Die Lebensdauer alle Gesetze muss reduziert werden, die Gesetze müssen nicht mehr nur erlassen werden, sondern auch enden, damit das Parlament neu entscheidet, ob sie überhaupt noch notwendig sind.
Die meisten Gesetze werden ohnehin innerhalb von 10 Jahren geändert, novelliert. Was nicht mehr gebraucht wird, kann auch wegfallen, muss sogar wegfallen, um unser Gesetzesdickicht aus über 2.000 Gesetzen wieder zu lichten und anwendbar zu machen und unsere private Freiheit und die Handlungsfreiheit unserer Unternehmen wieder zurückzugewinnen.
Und die Bürger würden es als Befreiung genießen, wenn alle überflüssigen biologischen, grünen und unser Leben belastenden Behörden abgeschafft würden. Wenn die Politik dies nicht schafft, wird es der kommende große Wirtschaftscrash schaffen, welcher dem Staat mehr als die Hälfte seiner Einnahmen entziehen wird.
© Prof. Dr. Eberhard Hamer
Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.
¹ Vgl. dazu ausf. Hamer, Eberhard "Ende, Wende, Wiederaufbau in den neuen Bundesländern", Hannover 1993; vor allem interessant: das Geheimdokument von Alexander Schalck-Golodkowski und Herta König an den Staatsratsvorsitzenden "zur voraussichtlichen Entwicklung der Verschuldung der DDR", S. 11 ff.
² Vgl. Hamer, Eberhard "Privatisierung als Rationalisierungschance", Hannover 1981
³ Wie zuvor, S. 91 ff.
⁴ Vgl. Hamer/Gebhardt "Privatisierungspraxis, Hilfe zur Umstellung Staats- auf Privatwirtschaft"
⁵ Wie zuvor, S. 185
⁶ Vgl. Gebhardt/Jörgens "Mittelstand im öffentlichen Dienst" in: Hamer von Valtier/Jörgens "Die Mittelschicht in Krise und Wandel", Hannover 2020, s. 125 ff.
⁷ Wie zuvor
⁸ Vgl. Hamer, Eberhard "Bürokratieüberwälzung auf die Wirtschaft", Hannover 1971, S. 151
⁹ Leider sind keine aktuellen Untersuchungen mehr zur neueren Bürokratieüberwälzung gemacht worden, hat auch das Mittelstandsinstitut Niedersachsen keine neue Untersuchung mehr durchgeführt, weil kein Mitarbeiter die noch höheren Anforderungen einer öffentlichen Projektförderung zu über-nehmen bereit war.
¹⁰ Z. B. Waffenschmidt-Kommission unter Kohl, verschiedene Wiederentbürokratisierungs-Kommissionen von Bundes- und Landesparlamenten
Hinweis Redaktion: Dr. Eike Hamer ist Referent (am Freitag, den 08.11.) auf unseren neuen Veranstaltung "Forum ONE", die die "Internationale Edelmetall- und Rohstoffmesse" im letzten Jahr (nach 18 Jahren) ablöst. Das Event findet am 7. und 8. November 2024 in München statt.