Deutschland: IWF erwartet Wachstumsschub durch Sondervermögen
07.03.2025 | Folker Hellmeyer

Märkte: Hohe Volatilität an den Märkten
An den Finanzmärkten zeigt sich fortgesetzt ein hohes Maß an Volatilität. Das Muster, dass es zu einer Rotation an den Aktienmärkten zu Lasten der (teuren) US-Märkte und zu Gunsten der (günstigen) europäischen Märkte auch wegen des Potentials der Befriedung des Ukraine-Konflikts kommt, ist weiter erkennbar. Die jetzt im Raum stehenden deutschen Programme, aber auch die Initiative, sich in Europa militärisch konkurrenzfähig aufzustellen, implizieren mehr wirtschaftliche Aktivität. Das wird offensichtlich goutiert.
Die EZB senkte gestern die Leitzinsen erwartungsgemäß um 0,25%. Der Anlagezins liegt nun bei 2,5% (Verbraucherpreise 2,4%) und der Refinanzierungssatz bei 2,65%. Seit Juni 2024 wurde der Refinanzierungssatz von 4,50% auf 2,65% reduziert. Das entspannt, aber die Traktion dieser Senkungen ist am Kapitalmarkt nicht gegeben. 10-jährige Bundesanleihen rentierten im Juni 2024 bei 2,60%, im November 2024 bei 2,10% und aktuell bei 2,88%. Für Investitionen ist der Kapitalmarktzins entscheidend. Diese Entwicklung der Zinskurve wirkt gegen verstärkte Investitionsanreize. Sie verteuert zudem die ohnehin angeschlagenen Staatsfinanzierungen.
Heute richten sich die Augen auf den US-Arbeitsmarktbericht. Sowohl der ADP-Beschäftigungsreport als auch der Challenger Report lieferten leicht negative Vorgaben.
Aktienmärkte: Late Dax +0,01%, EuroStoxx 50 -0,97%, S&P 500 -1,78%, Dow Jones -0,99%, US Tech 100 -1,91%. Aktienmärkte in Fernost Stand 05:52 Uhr: Nikkei (Japan) -2,24%, CSI 300 (China) -0,14%, Hangseng (Hongkong) +0,55%, Sensex (Indien) +0,26% und Kospi (Südkorea) -0,23%. Rentenmärkte: Die 10-jährige Bundesanleihe rentiert heute früh mit 2,88% (Vortag 2,78%), während die 10-jährige US-Staatsanleihe eine Rendite in Höhe von 4,25% (Vortag 4,33%) abwirft.
Devisenmärkte: Der EUR (+0,0014) stieg gegenüber dem USD im Tagesvergleich geringfügig. Gold (-14,50 USD) verlor gegenüber dem USD, während Silber (+0,01 USD) das Niveau hielt. Bitcoin notiert bei 87.600 (05:54 Uhr). Gegenüber dem Vortag ergibt sich ein Rückgang im Tagesvergleich um 4.800 USD, nachdem die Exekutivorder Trumps bezüglich der Reservehaltung von Bitcoin Erwartungen enttäuschte.
Deutschland: IWF erwartet Wachstumsschub durch Sondervermögen
Der IWF rechnet mit einem Wachstumsschub für unsere Wirtschaft durch das von Union und SPD geplante milliardenschwere Finanzpaket. Kurzfristig könnten erhebliche fiskalische Anreize das Wachstum deutlich ankurbeln, indem sie die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen erhöhten, so Vertreter des IWF. Mittel- und langfristig dürften die höheren öffentlichen Investitionen auch die Produktionskapazität der Wirtschaft steigern.
Kommentar: Unter quantitativen Gesichtspunkten ist diese Sichtweise richtig. Entscheidend ist die qualitative Frage, ob es sich bei dem durch Schulden finanzierten Booster um nachhaltig investive Wirkungen mit ökonomischen Multiplikatoreffekten (Steuersubstrat wird generiert)handelt. Das ist bei Investitionen in Infrastruktur der Fall. Es ist nicht bei Militärausgaben gegeben. Sie sind konsumtiver Natur. Es ist eine Mittelverwendung mit ökonomischen Einmaleffekten (kein nachhaltiges Steuersubstrat).
Fletcher zufolge könne Deutschland die geplanten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung finanziell stemmen. Deutschland habe im internationalen Vergleich eine relativ niedrige Staatsverschuldung und ein relativ niedriges Defizit. Auch die Kreditkosten seien niedrig. Deutschland verfüge also über einen beträchtlichen finanzpolitischen Spielraum, um die öffentlichen Investitionen und andere vorrangige Ausgaben für eine gewisse Zeit zu erhöhen. Da mehr öffentliche Investitionen das Wirtschaftswachstum steigern dürften, könne dieser Effekt wiederum auch die öffentlichen Finanzen durch höhere Steuereinnahmen stützen.
Kommentar: Das mag der Fall sein. Der IWF exkludiert die Sonderhaushalte ("Sondervermögen", die nichts als "Sonderschulden" sind!) bei der Betrachtung der deutschen Staatsverschuldung, die laut IWF bei 62,1% des BIP per 2025 liegen soll. Das ist im relativen Vergleich der großen westlichen Länder entspannt. Werden die Sonderhaushalte berücksichtigt, sieht das anders aus. Dann kommen circa 19% des BIP dazu. Ergo ergibt sich eine reale Verschuldungsquote von gut 80% des BIP (Durchschnitt Eurozone 88,4%). Das ist weniger entspannt. Das 500 Mrd. Programm für Infrastruktur entspricht rund 11% des BIP. Das nicht betraglich definierte Aufrüstungsprogramm ist dabei unberücksichtigt.