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Die Ökonomie der Liquiditätskrise

18.02.2008  |  Mag. Gregor Hochreiter
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Die Festsetzung des Zinses durch die Zentralbank erfolgt nämlich auf indirekte Weise, indem die Zentralbank und die Geschäftsbanken das Kreditangebot künstlich ausweiten. Wohlgemerkt -- diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung -- es werden bei dieser künstlichen Ausweitung des Kreditangebotes keine zusätzlichen realen Ersparnisse geschaffen, sondern nur Scheinersparnisse. Zur besseren Unterscheidung wollen wir auf jene Begrifflichkeiten zurückgreifen, die der österreichische Ökonom Ludwig von Mises einführte: die ungedeckten Scheinersparnisse bezeichnete er als Zirkulationskredit, während er für die gedeckten Ersparnisse den Begriff des Sachmittelkredits verwendete.

Der Sachmittelkredit basiert auf realen Ersparnissen oder anders ausgedrückt auf nicht-konsumierter Produktion und schafft nachhaltigen Wohlstand. Die von der Zentralbank und dem auf Bruchteilreservehaltung operierenden Geschäftsbankensystem ("fractional-reserve-banking") ausgegebenen Scheinersparnisse werden hingegen aus dem Nichts geschaffen. Ihnen liegt keine Erhöhung der Sparneigung zugrunde, obwohl die Geldzinsen vorerst sinken.

Die Signalwirkung der künstlichen Absenkung des Zinses auf die Anbieter und Nachfrager von Ersparnissen ist ident mit den Folgen jeder Fixierung eines Höchstpreises. Die Anzahl der Nachfrager nimmt zu, weil sich die Unternehmer zu günstigeren Konditionen verschulden können. Den Anbietern, d.h. den Sparern, signalisiert der künstlich abgesenkte Zins hingegen, daß sich die Ersparnisbildung im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr auszahlt. Ein permanenter Nachfrageüberhang entsteht, der sich jedoch durch die Schaffung von Scheinwerten, die die zu erwartende Angebotslücke - zumindest für einen gewissen Zeitraum - auffüllen, nicht in einer Warteschlange bemerkbar macht.

Irgendwann jedoch realisieren die Unternehmer, daß sie mit den erhaltenen Scheinwerten ihre Unternehmungen nicht fertigstellen können, die sie nur in dem Glauben beginnen konnten, daß die Scheinwerte eigentlich realen Werten, d.h. gedeckten Ersparnissen entsprächen. Als unmittelbare Folge der aufgedeckten Differenz zwischen den auf Scheinersparnissen beruhenden Zirkulationskrediten und den auf realen Ersparnissen beruhenden Sachmittelkredite beginnen die Unternehmer die Zinsen in die Höhe zu treiben, um an das knapper gewordene Gut "reale Ersparnisse" heran zu kommen. Und zwar treiben jene Unternehmer den Zins in die Höhe, deren Unternehmungen selbst zu dem höheren Zins noch profitabel wären. Dieser Zinsanstieg führt jedoch dazu, daß jene Unternehmer, die zum künstlich abgesenkten Zinssatz gerade noch profitabel wirtschaften könnten, aus dem Markt gedrängt werden und in Konkurs gehen. Diese Bereinigung ist unumgänglich, weil die Ausgabe von ungedeckten Zirkulationskrediten diese Unternehmer überhaupt erst dazu verleitet hatte, die an und für sich unrentablen Unternehmungen zu starten. Der Anstieg der Zinsen und die damit einhergehende Rezession als Phase der wirtschaftlichen Abkühlung heilt damit bloß jene Verzerrungen, die die Ausgabe von ungedecktem Zirkulationskredit überhaupt erst verursacht hatte, weil sich die Unternehmer auf breiter Front haben täuschen lassen.


Die Liquiditätskrise

Als erster Vorbote der unabwendbaren Rezession setzt eine aufziehende Liquiditätskrise, die im Grunde genommen den tatsächlichen Charakter des ungedeckten Zirkulationskredits aufdeckt, die Anpassung der Zinsen an das tatsächliche - höhere - Zinsniveau in Gang. Neben kapitalintensiven Produktionszweigen, die besonders von den künstlich abgesenkten Zinsen profitierten, zu denen speziell auch der Immobiliensektor zu zählen ist, trifft die heraufziehende Liquiditätskrise die Banken überdurchschnittlich stark. Denn diese produzieren mittlerweile einen Großteil der ungedeckten Scheinersparnisse und vergeben reihenweise ungedeckte Zirkulationskredite für Projekte, die sich zum tatsächlichen, höheren Zinssatz niemals rechnen würden. Die höhere Ausfallrate an Kreditrückzahlungen bringt die Banken ins Wanken und bestraft sie für ihre fehlerhafte Geschäftsgebahrung in der Vergangenheit.

Die Produktion von Scheinersparnissen hat nach dem endgültigen Zusammenbruchs des Goldstandards in den frühen 1970ern in allen Teilen der Welt eine historisch einmalige Dynamik erhalten. Eine neue Dimension erhielt sie in den USA nach dem Platzen der sogenannten "Dotcom"-Blase im Frühjahr 2001, als der damalige Vorsitzende der amerikanischen Zentralbank FED ("Federal Reserve System"), Alan Greenspan, die Zinsen erneut stark senkte, um eine tiefgreifende Rezession zu verhindern. Die unausweichliche Rezession hat er damit aber bloß aufgeschoben und nicht aufgehoben. Nach sieben weiteren Jahren der Inflationierung, die durch die explodierende Staatsverschuldung zusätzlich Auftrieb erhalten hat, droht das inflationistische Kartenhaus nunmehr endgültig einzustürzen. Und vieles deutet darauf hin, daß die Politik dies- und jenseits des Atlantiks wiederum versuchen wird, den Teufel - die künstliche Zinssenkung - mit dem Beelzebub - einer abermaligen Zinssenkung - auszutreiben.

Die der Liquiditätskrise zugrundeliegende Angebotslücke kann jedoch nur durch einen Anstieg des Zinses behoben werden, niemals durch eine weitere Herabsenkung des Zinses. Wenn also viele Politiker, Akademiker und andere Verantwortliche in Führungspositionen nun von den Zentralbanken die "Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität" fordern, um eine "Kreditklemme" zu verhindern, dann tragen sie mit diesen inflationistischen Forderungen zu einer weiteren Verschärfung der Situation bei. Letztlich sollen noch mehr ungedeckte Scheinwerte geschaffen werden und die Menschen noch länger in die Irre geführt werden. Die Angebotslücke am Markt für reale Ersparnisse vertieft und verstetigt sich und macht die unabwendbare Anpassung an die Präferenzen der Menschen nur um so schlimmer. Es mag unangenehm klingen. Aber die staatlich verordnete Produktion von ungedeckter "Liquidität", von ungedeckten Scheinwerten beschleunigt unter keinen Umständen das nachhaltige Wirtschaftswachstum. Dieses resultiert immer aus einer höheren Sparneigung der Gesellschaft.


© Gregor Hochreiter, Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen



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