Der deutsche Bürgerkrieg
24.02.2008 | Manfred Gburek
Der Goldpreis steigt, und mit ihm der Silberpreis, weiter nach dem hier mehrfach vorhergesagten Schema: zwei vor, einer zurück. So auch in der abgelaufenen Woche. Das ist ein klassischer Aufwärtstrend. Aber warum hinken viele Minenaktien hinterher, wie Newmont, Gold Fields und die meisten Explorationswerte? Da klingt zunächst die Antwort plausibel, dass es an den fundamentalen Daten der betreffenden Unternehmen liegt, wie etwa an den nicht mehr so ergiebigen Minen von Newmont, an der eingeschränkten Stromversorgung bei Gold Fields in Südafrika oder an den enttäuschenden Bohrergebnissen der Explorateure. Doch eine andere Antwort dürfte treffender sein: Großanleger, wie Fonds und Pensionskassen, bevorzugen zurzeit börsengehandelte Fonds, kurz ETF genannt, die Edelmetalle repräsentieren, deren Preise sie durch ihre Käufe in die Höhe treiben. Davon müssten zwar wiederum die meisten Minenaktien profitieren, aber erst, wenn die Fondsmanager sich auf sie stürzen. Das ist nur noch eine Frage der Zeit; und Aktien wie Barrick, Newcrest, Buenaventura oder Kinross haben ja bereits 2007 gezeigt, wie schnell sich das Blatt zum Positiven wenden kann. Was die Edelmetallpreise selbst betrifft: Von den hier am 9. November 2007 unter der Überschrift "Fünf Tipps zum Gold- und Silber-Timing" genannten Kriterien deutet noch keines auf eine Unterbrechung der Edelmetallhausse, auf deren Ende erst recht nicht.
Nun zu meinem heutigen zentralen Thema, das aktuell nur im Entfernten mit Edelmetallen zu tun hat. Als ich am Freitag routinemäßig durch das Internet klickte, fielen mir auf den politischen Seiten neben der Wortwahl (Bevorzugung einer Sprache wie aus der Gosse) auch die Themenschwerpunkte zur deutschen Befindlichkeit auf. Man könnte sie, in zwei Fragen überspitzt formuliert, so zusammenfassen: Wird Deutschland bald von Kommunisten regiert? Wann erklärt Deutschland Liechtenstein den Krieg? Natürlich haben die Salonsozialisten um Gysi & Co. keine Chance, uns zu regieren, und selbstverständlich wird der raue Ton zwischen den Regierungen in Berlin und im Fürstentum schon bald von der Diplomatensprache abgelöst. Aber steckt hinter den Schlagzeilen nicht doch viel mehr? Ja, und zwar aus folgendem Grund: Politiker müssen auf die Masse der Wähler zielen, wenn sie gewählt werden wollen, und die Masse besteht weder aus Unternehmern noch aus Intellektuellen, sondern aus Arbeitnehmern, aus mehr oder weniger Arbeitslosen bzw. Geringverdienern und aus Rentnern, die wegen der nicht mehr aufzuhaltenden demografischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten das größte Potenzial an Wählern stellen werden. Auf ihre Stimmen kommt es an, sei es - wie gehabt - in Hessen, wie jetzt in Hamburg und 2009 bei der nächsten Bundestagswahl.
Wenn indes die Masse, wie aus einer aktuellen Umfrage von TNS/Spiegel abzuleiten ist, zu 72% den Lebensstandard im Alter einschränken und zudem unter der immer bedrohlicher werdenden Geldentwertung leiden wird, müssen die Politiker taktisch dagegenhalten (das heißt, ablenken), um gewählt zu werden. Also versprechen sie erst das Blaue vom Himmel (Ära Kohl/Blüm), lenken dann mit dem Linksruck von den eigentlichen Problemen der Bevölkerung ab (Ära Merkel/Müntefering/Beck) und werden demnächst steuerfinanzierte Geschenke verteilen. Diese stehen übrigens im Grundsatz schon fest, nur über die Ausgestaltung ist man sich noch nicht einig. Als "Vorbild" werden ausgerechnet die USA herhalten, wo der Staat bereits 2001 Schecks an Konsumenten verteilt hat und wo viele Bürger vom Mai 2008 an, also in nur noch etwas über zwei Monaten, 600 Dollar pro Kopf erhalten werden, Kinder immerhin die Hälfte.
Das alles spielt sich vor dem Hintergrund der größten internationalen Finanzkrise seit Jahrzehnten ab, von der die Politiker - aber nicht nur sie - wiederum abzulenken versuchen, wobei sie mit dem Fürstentum Liechtenstein auf einen Gegner gestoßen sind, der sich mit seinen Waffen zu wehren weiß: öffentlicher Auftritt, Steuersystem-Diskussion und speziell Hinweis auf den deutschen Steuerdschungel. Das deutsche Ablenkungsmanöver ist allzu durchsichtig und wird nicht verhindern können, dass es hier zu Lande gravierende Konflikte aus Anlass der Finanzkrise geben wird. Denn: "Direkt oder indirekt ist der Steuerzahler bei der Sanierung der WestLB mit fünf Milliarden dabei, bei der SachsenLB mit 2,75 Milliarden und bei der Mitteltandsbank IKB mit mehr als sechs Milliarden Euro." So die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 17. Februar. Danach beträgt das "Volumen riskanter Geschäfte" bei der WestLB 23 Milliarden Euro, bei der SachsenLB 18, bei der BayernLB 16, bei der IKB 15 und bei der KfW (indirekt über die IKB) 7 Milliarden Euro. FAS-Fazit: "Kollektiv versagt haben in der Krise die Aufsichtsräte der Staatsbanken. In denen sitzen meistens Politiker." Fazit von Oliver Everling, dem wohl besten deutschen Ratingspezialisten: "In der Praxis zeigt sich, dass staatliche Banken Tür und Tor dafür öffnen, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren." Sprich, die Zeche zahlen am Ende die Steuerzahler. Das Schlagwort von der sozialen Gerechtigkeit erhält dadurch einen faden Beigeschmack.
Dass Politiker unter solchen Umständen um fast jeden Preis von der Diskussion über ihre maroden Staatsbanken ablenken wollen, ist klar. Dass aber Finanzminister Steinbrück gleich zum Gegenangriff übergeht, "die Daumenschrauben stärker" ansetzen will und mit dem verwegenen Plan auftrumpft, Liechtenstein-Flüchtlingen den Garaus zu machen, zeugt denn doch von einer maßlosen Selbstüberschätzung. Zitat aus der jüngsten Illner-Sendung im ZDF: "Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel alle Transaktionen einer Berichtspflicht unterworfen werden oder dass alle Überweisungen aus Deutschland nach Liechtenstein einer Quellenbesteuerung unterworfen werden." Wie bitte, Überweisungen ehrlicher Steuerzahler? Steuerhinterzieher kämen jedenfalls nie und nimmer auf die Schnapsidee, ihr Schwarzgeld nach Liechtenstein zu überweisen. Außerdem ist Liechtenstein keine Bananenrepublik, sondern "eines der qualitativ besten Vermögenszentren in Europa". So steht es in "Die Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum", einer vor kurzem unter der Schirmherrschaft des Handelsblatts herausgegebenen lesenwerten Studie. Details: www.elitereport.de
Machen wir uns nichts vor, in Deutschland herrscht Krieg zwischen dem Staat und seinen eigenen Bürgern. Statt das Steuersystem endlich zu durchforsten, lenkt der Staat die Bürger von seinem Steuerdschungel ab - und bepflanzt ihn sogar noch weiter. Zum Beispiel mit der Neufassung von § 42 Abgabenordnung, bei der es sich um eine Art Grundgesetz für Steuerzahler handelt. Die ursprüngliche Idee war, Steuerzahlern Gestaltungsmissbrauch (etwa wegen der Wahrnehmung von Steuervorteilen) unterzujubeln und sie zum Beweis des Gegenteils zu zwingen (bisher tragen weitgehend Finanzämter die Beweislast). Nach berechtigten Protesten von verschiedenen Seiten ist nun Folgendes herausgekommen: Missbrauch liegt vor, wenn Steuerzahler eine unangemessene rechtliche Gestaltung wählen, die kausal ist für einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten und für den der Steuerpflichtige keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe nachweisen kann. Alles klar? So viel jedenfalls: Die Steuerindustrie, die so genannt wird, weil sie sehr gut vom Steuerdschungel lebt, gehört wieder einmal zu den ganz großen Gewinnern. Sie umfasst: Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Finanzbeamte und -richter, Softwarespezialisten, Veranstalter von Steuerseminaren, Verleger von Steuerliteratur und ihre Drucker. Die Produktivität dieser Industrie tendiert zwar, volkswirtschaftlich gesehen, gegen null; aber in Anbetracht der mächtigen dahinter stehenden Lobbygruppen sinken auch die Chancen auf eine Einfachsteuer Marke Kirchhof oder auf eine Bierdeckelsteuer Marke Merz gegen null.
Fazit: Nachdem der Krieg in die ganz heiße Phase gekommen ist, steht eines auf jeden Fall schon fest: Es wird keinen Sieger geben - und viele Verlierer.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Nun zu meinem heutigen zentralen Thema, das aktuell nur im Entfernten mit Edelmetallen zu tun hat. Als ich am Freitag routinemäßig durch das Internet klickte, fielen mir auf den politischen Seiten neben der Wortwahl (Bevorzugung einer Sprache wie aus der Gosse) auch die Themenschwerpunkte zur deutschen Befindlichkeit auf. Man könnte sie, in zwei Fragen überspitzt formuliert, so zusammenfassen: Wird Deutschland bald von Kommunisten regiert? Wann erklärt Deutschland Liechtenstein den Krieg? Natürlich haben die Salonsozialisten um Gysi & Co. keine Chance, uns zu regieren, und selbstverständlich wird der raue Ton zwischen den Regierungen in Berlin und im Fürstentum schon bald von der Diplomatensprache abgelöst. Aber steckt hinter den Schlagzeilen nicht doch viel mehr? Ja, und zwar aus folgendem Grund: Politiker müssen auf die Masse der Wähler zielen, wenn sie gewählt werden wollen, und die Masse besteht weder aus Unternehmern noch aus Intellektuellen, sondern aus Arbeitnehmern, aus mehr oder weniger Arbeitslosen bzw. Geringverdienern und aus Rentnern, die wegen der nicht mehr aufzuhaltenden demografischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten das größte Potenzial an Wählern stellen werden. Auf ihre Stimmen kommt es an, sei es - wie gehabt - in Hessen, wie jetzt in Hamburg und 2009 bei der nächsten Bundestagswahl.
Wenn indes die Masse, wie aus einer aktuellen Umfrage von TNS/Spiegel abzuleiten ist, zu 72% den Lebensstandard im Alter einschränken und zudem unter der immer bedrohlicher werdenden Geldentwertung leiden wird, müssen die Politiker taktisch dagegenhalten (das heißt, ablenken), um gewählt zu werden. Also versprechen sie erst das Blaue vom Himmel (Ära Kohl/Blüm), lenken dann mit dem Linksruck von den eigentlichen Problemen der Bevölkerung ab (Ära Merkel/Müntefering/Beck) und werden demnächst steuerfinanzierte Geschenke verteilen. Diese stehen übrigens im Grundsatz schon fest, nur über die Ausgestaltung ist man sich noch nicht einig. Als "Vorbild" werden ausgerechnet die USA herhalten, wo der Staat bereits 2001 Schecks an Konsumenten verteilt hat und wo viele Bürger vom Mai 2008 an, also in nur noch etwas über zwei Monaten, 600 Dollar pro Kopf erhalten werden, Kinder immerhin die Hälfte.
Das alles spielt sich vor dem Hintergrund der größten internationalen Finanzkrise seit Jahrzehnten ab, von der die Politiker - aber nicht nur sie - wiederum abzulenken versuchen, wobei sie mit dem Fürstentum Liechtenstein auf einen Gegner gestoßen sind, der sich mit seinen Waffen zu wehren weiß: öffentlicher Auftritt, Steuersystem-Diskussion und speziell Hinweis auf den deutschen Steuerdschungel. Das deutsche Ablenkungsmanöver ist allzu durchsichtig und wird nicht verhindern können, dass es hier zu Lande gravierende Konflikte aus Anlass der Finanzkrise geben wird. Denn: "Direkt oder indirekt ist der Steuerzahler bei der Sanierung der WestLB mit fünf Milliarden dabei, bei der SachsenLB mit 2,75 Milliarden und bei der Mitteltandsbank IKB mit mehr als sechs Milliarden Euro." So die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) vom 17. Februar. Danach beträgt das "Volumen riskanter Geschäfte" bei der WestLB 23 Milliarden Euro, bei der SachsenLB 18, bei der BayernLB 16, bei der IKB 15 und bei der KfW (indirekt über die IKB) 7 Milliarden Euro. FAS-Fazit: "Kollektiv versagt haben in der Krise die Aufsichtsräte der Staatsbanken. In denen sitzen meistens Politiker." Fazit von Oliver Everling, dem wohl besten deutschen Ratingspezialisten: "In der Praxis zeigt sich, dass staatliche Banken Tür und Tor dafür öffnen, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren." Sprich, die Zeche zahlen am Ende die Steuerzahler. Das Schlagwort von der sozialen Gerechtigkeit erhält dadurch einen faden Beigeschmack.
Dass Politiker unter solchen Umständen um fast jeden Preis von der Diskussion über ihre maroden Staatsbanken ablenken wollen, ist klar. Dass aber Finanzminister Steinbrück gleich zum Gegenangriff übergeht, "die Daumenschrauben stärker" ansetzen will und mit dem verwegenen Plan auftrumpft, Liechtenstein-Flüchtlingen den Garaus zu machen, zeugt denn doch von einer maßlosen Selbstüberschätzung. Zitat aus der jüngsten Illner-Sendung im ZDF: "Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel alle Transaktionen einer Berichtspflicht unterworfen werden oder dass alle Überweisungen aus Deutschland nach Liechtenstein einer Quellenbesteuerung unterworfen werden." Wie bitte, Überweisungen ehrlicher Steuerzahler? Steuerhinterzieher kämen jedenfalls nie und nimmer auf die Schnapsidee, ihr Schwarzgeld nach Liechtenstein zu überweisen. Außerdem ist Liechtenstein keine Bananenrepublik, sondern "eines der qualitativ besten Vermögenszentren in Europa". So steht es in "Die Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum", einer vor kurzem unter der Schirmherrschaft des Handelsblatts herausgegebenen lesenwerten Studie. Details: www.elitereport.de
Machen wir uns nichts vor, in Deutschland herrscht Krieg zwischen dem Staat und seinen eigenen Bürgern. Statt das Steuersystem endlich zu durchforsten, lenkt der Staat die Bürger von seinem Steuerdschungel ab - und bepflanzt ihn sogar noch weiter. Zum Beispiel mit der Neufassung von § 42 Abgabenordnung, bei der es sich um eine Art Grundgesetz für Steuerzahler handelt. Die ursprüngliche Idee war, Steuerzahlern Gestaltungsmissbrauch (etwa wegen der Wahrnehmung von Steuervorteilen) unterzujubeln und sie zum Beweis des Gegenteils zu zwingen (bisher tragen weitgehend Finanzämter die Beweislast). Nach berechtigten Protesten von verschiedenen Seiten ist nun Folgendes herausgekommen: Missbrauch liegt vor, wenn Steuerzahler eine unangemessene rechtliche Gestaltung wählen, die kausal ist für einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten und für den der Steuerpflichtige keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe nachweisen kann. Alles klar? So viel jedenfalls: Die Steuerindustrie, die so genannt wird, weil sie sehr gut vom Steuerdschungel lebt, gehört wieder einmal zu den ganz großen Gewinnern. Sie umfasst: Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Finanzbeamte und -richter, Softwarespezialisten, Veranstalter von Steuerseminaren, Verleger von Steuerliteratur und ihre Drucker. Die Produktivität dieser Industrie tendiert zwar, volkswirtschaftlich gesehen, gegen null; aber in Anbetracht der mächtigen dahinter stehenden Lobbygruppen sinken auch die Chancen auf eine Einfachsteuer Marke Kirchhof oder auf eine Bierdeckelsteuer Marke Merz gegen null.
Fazit: Nachdem der Krieg in die ganz heiße Phase gekommen ist, steht eines auf jeden Fall schon fest: Es wird keinen Sieger geben - und viele Verlierer.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu