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Dollar zum Abschuss frei gegeben

29.02.2008  |  Klaus Singer
Am vergangenen Freitag kam es eine halbe Stunde vor US-Handelsschluss zu einer "last-minute"-Rallye. Anlass waren Gerüchte um eine Rettung von Monoliner Ambac, die geschätzten 3 Mrd. Dollar an frischem Kapital sollen sein AAA-Rating erhalten. Aber können sie viel bewirken angesichts drohender Forderungen aus versicherten 566 Mrd. Dollar Schulden? Wohl kaum, aber dieser Vorgang lehrt einerseits, dass sich die Bullen momentan an jeden Strohhalm klammern und andererseits, dass auch die Bären anfangen, nervös zu werden. Denn eine solch rasante Aufwärtsentwicklung ist nur in einer Short-Squeeze möglich.

Fed-Chef Ben Bernanke sagte Mitte der Woche vor dem Repräsentantenhaus, dass die Hauptsorge der Zentralbank das nachlassende Wachstum sei. Die Fed werde daher auch in inflationärem Umfeld für billiges Geld sorgen, der Kampf gegen eine Rezession habe Vorrang gegenüber dem Ziel der Preisstabilität. Er zeichnete ein düsteres Bild von kaufunwilligen Verbrauchern, investitionsunwilligen Unternehmen und verleihunwilligen Banken. Und von weiter fallenden Hauspreisen - der jüngste Case-Shiller Hauspreis-Index zeigt für Dezember einen jährlichen Rückgang um 9,1 Prozent. Hierzu gibt es auf der Web-Seite der TimePattern unter "Intermarket" einen interessanten Chart zur Entwicklung der Verkaufszahlen neuer Häuser in den USA.

Die Fed-Politik, das Ziel der Preisstabilität zurückzustellen, ist riskant, wie die Erfahrungen mit der Stagflation Ende der 1970er Jahre zeigen. Es ist für die Geldpolitik viel leichter, eine schwache Volkswirtschaft zu beleben, als eine einmal angelaufene Inflation zu bekämpfen. Denn hierbei spielen (genau wie bei einer angelaufenen deflationären Entwicklung) viele psychologische Momente mit, die sich der monetären Steuerung entziehen. Die Hoffnung ist, dass niedrigere Zinsen die Nachfrage von Konsumenten und Unternehmen beleben. Genau das aber kann die Preise weiter treiben. Bernanke spekuliert darauf, dass der Schulden-belastete Verbraucher seine Ausgaben auch bei weiter sinkenden Zinsen nicht unkontrolliert aufbläht und die Inflationserwartungen nicht so stark anheizt, dass die Fed mit ihrer (aktuellen) Politik des billigen Geldes in Probleme beim (späteren) Kampf an der Preisfront kommt.

Über den Erfolg der Fed-Politik dürfte etwas entscheiden, was sich dem unmittelbaren Zugriff von Bernanke & Co. entzieht: Das Vertrauen des Auslands in den Dollar und seine Bereitschaft, das riesige amerikanische Defizit in der Handelsbilanz zu "finanzieren". Gewaltige Zuflüsse ausländischen Kapitals hatten die Zinsen für Hypotheken und Unternehmen auch in der Zeit zwischen 2004 und 2006 niedrig gehalten als die Fed die Leitzinsen deutlich anhob. Ausländische Investoren könnten sich jetzt -z.T. wegen des schwächelnden Dollar- so lange zurückhalten, bis die Renditen am langen Ende deutlich anziehen, und das auch in einem Umfeld sinkender kurzfristiger Zinsen. Das wäre nichts weiter als die Gegenbewegung zu den Jahren zuvor.

Bernanke erwähnte in seiner Rede den schwachen Dollar nicht. Bei früheren Gelegenheiten hatte er noch stets betont, dass er kein Zeichen dafür sehe, dass der Dollar seinen Status als führende Leit- und Reservewährung verlieren könnte. Donald Kohn, Vize-Chairman der Fed, gab den Dollar zum Abschuss frei, als er zeitlich genau passend am Dienstag zur Veröffentlichung des unerwartet steil angestiegenen PPI-Indexes und des eingebrochenen Verbrauchervertrauens die Besorgnis des Fed über das abnehmende Wirtschaftswachstum betonte. Das ließ den Euro umgehend das bis dahin intakte Allzeithoch bei rund 1,49 gegen den Dollar durchbrechen. Da der Mann so etwas nicht einfach dahinsagt, muss man das als Beleg dafür nehmen, dass die Fed ein massives Interesse an der Schwächung des Außenwerts des Dollar hat.

Davon abgesehen sagt der Sturz des Verbrauchervertrauens klar, dass die US-Wirtschaft einer Rezession entgegen sieht, wenn nicht schon gar in einer ist.

Nouriel Roubini kommentiert, er sei zwar auch noch der Meinung, dass die Abwärts-Risiken der Volkswirtschaft größer sind als die der Inflation. Aber an einem bestimmten Punkt könnten die monetären Möglichkeiten der Fed, die Zinsen zu senken, limitiert werden durch die Unwilligkeit des Auslands, das Handelsbilanzdefizit weiter zu "finanzieren".

"Das Ausland" - das sind auch die Staatsfonds, die mittlerweile weltweit über mehr als 2,5 Billionen Dollar verfügen. Morgan Stanley schätzt, dass diese Summe in 2015 auf 12 Bill. Dollar anwachsen wird. Auf China entfiel per Jahreswechsel ein Betrag von 1,53 Mrd. Dollar. Seit Herbst 2007 haben Staatsfonds 47 Mrd. Dollar an Wall Street und 12 Mrd. Dollar bei asiatischen Banken investiert.

Chinas Reserven bestehen aktuell laut Brad Setser von RGEmonitor fast ausschließlich aus amerikanischen Treasury Bills (knapp 400 Mrd. Dollar) und anderen niedrigverzinslichen Dollar-Anleihen. Das Land könnte die US-Märkte durcheinander wirbeln, wenn es versuchte, einen Teil dieser Treasury Bills zu verkaufen. Im März 2007 hatte China angekündigt, einen bedeutenden Teil dieser Reserven in einem Fonds zu bündeln, und durch Diversifikation eine höhere Rendite zu erzielen. Das Renditeziel liegt kurzfristig bei 5 Prozent, auf längere Sicht etwas darüber - auch angesichts der Aufwertungstendenz des Yuan gegenüber dem Dollar nicht leicht zu bewerkstelligen.

Die Finanzmärkte scheinen sich mit der nun Richtung weiterem Dollar-Falls aufgestoßenen Tür zu arrangieren. Jedenfalls kam es dieses Mal bei Annäherung an das frühere Allzeithoch im Euro/Dollar nicht zu einem heftigen Rückzug aus Assets. Geholfen hat dabei sicher auch das mehr oder weniger offene "o.k." der Fed.

Was sind die Interessen der Fed hinsichtlich Außenwert des Dollar? Ein schwaches Finanzsystem braucht niedrige Zinsen, die bringen den Dollar unter Druck. Ein schwacher Dollar lässt insbesondere vor dem Hintergrund einer noch vergleichsweise festen Weltwirtschaft die in Dollar notierten Rohstoffpreise steigen. Hohe Ölpreise ziehen dem US-Verbraucher mehr Dollars aus der Tasche und spülen sie in die großen Golf-Staaten. Der amerikanische Konsument hat keine Wahl, da seine Sparquote um Null ist, muss er den Gürtel enger schnallen.

Ein schwacher Dollar führt über den Import zu weiterem Preisauftrieb. Das schwächt den Dollar weiter. Ein taumelnder Dollar veranlasst die asiatischen Zentralbanken zu weiteren Interventionen. Auf diese Weise steigende Währungsreserven und nicht zuletzt auch durch Zuflüsse heißen Geldes verstärkter Aufwertungsdruck auf die chinesische Währung stellen das oben erwähnte Renditeziel in Frage, was bedeutet, dass aggressiver investiert werden muss.

Und genau das dürfte an Wall Street, und damit bei der Fed angesichts des ungebrochenen Kapitalbedarfs der Banken willkommen sein. Verstärkte Investitionen solcher Staatsfonds in den USA würden auch dazu beitragen, das amerikanische Handelsbilanzdefizit weiter zu finanzieren. Und der weitere Kauf von Währungsreserven zur Dollar-Stützung hält die Zinsen am langen Ende niedrig.

Die Finanzmärkte goutieren spätestens seit 2003 sowieso einen schwachen Dollar, was insbesondere sein Verhältnis zum Euro seither zu einem guten Inflationsindikator für "Assets" macht. Insofern ist die jetzt losgetretene weitere Schwächephase des Dollar kurzfristig keine schlechte Nachricht, so lange es nicht zu einem Kollaps kommt. Die Angst davor hat die Fed selbst ein Stück weit aus dem Markt genommen. Die Frage ist nur, ob, wann und wie nachhaltig die gewünschten Effekte nun eintreten. Nicht, dass irgendein Schock bewirkt, dass vagabundierendes US-Kapital plötzlich heim geholt wird und dann die ganze Spirale rückwärts dreht. Die amerikanische Finanzwirtschaft begibt sich jedenfalls immer weiter in die Abhängigkeit des Auslands, die Handlungsspielräume der Fed werden dadurch nicht größer.

Dass Inflation eine willkommene Schuldenentlastung bewirkt, spricht zwar niemand offen aus. Aber genau das dürfte in Zusammenhang mit der Dollarschwäche und dem daraus folgenden Inflationsimport eine weitere Überlegung sein.

Abgesehen von finanzwirtschaftlichen Aspekten gibt es natürlich auch ein handfestes güterwirtschaftliches Argument für einen schwachen Dollar: Die amerikanische Exportindustrie dürfte hierdurch stimuliert werden (was sich besonders in den Kursen der amerikanischen Technologiewerte zeigen sollte). Dies dürfte zusammen mit der wieder neu belebten Spekulation auf rasch weiter fallende Leitzinsen auch der Grund gewesen sein, warum sich die Aktienbullen zumindest von den grottenschlechten Makronachrichten in der ersten Wochenhälfte recht schnell erholt haben.

Fragt sich, wie lange die Aktienbullen noch den sich zu neuen Rekorden aufschwingenden Ölpreis ignorieren können. Der Dow Jones Transportation Index hatte es zu Wochenbeginn zunächst erfolgreich versucht, fällt aber nun den zweiten Tag in Folge. Mittlerweile notiert er unter der wichtigen Marke von 4700. Gestern jedenfalls konnten sich die Bullen auf breiter Front den schlechten Makronachrichten schon nicht mehr entziehen.

Nachdem die Globalisierung bisher dazu beigetragen hat, den Handlungsspielraum der Nationalstaaten zu beschneiden, frisst sie jetzt auch die Gestaltungsmöglichkeiten der größten Zentralbank der Welt an. Dies musste Bernanke in seinem aktuellen Statement vor dem US-Kongress eingestehen. Er sagte, die Fed habe Probleme, die Zinsen am langen Ende zu kontrollieren, die herunter genommenen Leitzinsen wirkten sich dort nicht aus.

In der Tat, die Spreads zwischen den kurzfristigen Zinsen und den (langen) Kreditzinsen werden sogar größer - so sind die Hypothekenzinsen aktuell höher als im Oktober 2007. Und das trotz der drastischen Reduktion der Leitzinsen um 1,75 Prozent seitdem. Das Abschießen des Dollar wirkt in dieser Situation wie ein Verzweiflungsakt, der das Ausland zwingen soll, über den Kauf von (Staats)-Anleihen die Zinsen am langen Ende zu drücken. Momentan zeigt das Wirkung.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de













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