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Heizen die Energie- und Lebensmittelpreise tatsächlich die Teuerung an?

01.03.2008  |  Mag. Gregor Hochreiter
Die fortgesetzte Verwechslung zwischen Inflation und Teuerung treibt munter ihre aktionistischen Politikblüten. Um das inflationistische Übel an der Wurzel zu packen, erteilte etwa der österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein diversen staatlichen Behörden einen Aufspürauftrag. Diese sollen die Gründe für den aktuellen Höhenflug der Konsumentenpreise ausfindig machen. So möchte die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde sogar verdeckte Einkäufer in diverse Supermärkten schicken, um etwaigen Preisabsprachen auf die Spur zu kommen. Was kann man sich unter einem verdeckten Einkauf vorstellen? Melden die Einkäufer ihr Kommen nicht an, um die Kassiererin in einer x-beliebigen Supermarktfiliale an der temporären Absenkung aller Preise zu hindern, die nach dem Abrauschen des staatlichen Preiskontrolleurs wieder saftig erhöht werden? Eine gewisse naive Kreativität ist diesem Vorschlag durchaus abzugewinnen, allein zur Inflationsbekämpfung taugt er kein bißchen.

Doch auch die anderen Vorschläge wie ein branchenspezifisches Preismonitoring und der angekündigte Kampf gegen Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung erweisen sich beim näheren Hinsehen als altbekannte und zudem untaugliche Rezepte zur Symptomsbekämpfung.

Wie konzeptlos bei der Suche nach den Auslösern der aktuellen Inflations- und Teuerungsdebatte vorgegangen wird, zeigt weiters der Umstand, daß mit hartnäckiger Regelmäßigkeit ein seit den 1970ern populäres Erklärungsmuster die Runde macht. So wird die deutliche Erhöhung bestimmter Preise als Ursprung des sich beschleunigenden Anstiegs der Teuerungsrate aufgeführt. Zu den Lieblingsverdächtigen zählen dabei die Energie- und Lebensmittelpreise. Weil diese Preise beständig stiegen, bestünde die Gefahr, daß alle anderen Preise, insbesondere die Löhne, Schritt für Schritt nachzögen und eine sich selbst verstärkende Teuerungsspirale auslösten. Daher müßten diese Preise auf die eine oder andere Weise in Schach gehalten werden, die Ansteckungsgefahr wäre gebannt und der an Inflation leidende Patient "Wirtschaft" wäre geheilt.

Diese Argumentationskette beruht auf einem beharrlichen ökonomischen Fehlschluß, dessen Hartnäckigkeit man daran erkennt, daß niemand die grundsätzliche Frage aufwirft, ob die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise tatsächlich die anderen Preise in die Höhe treiben können? Niemand scheint die ökonomischen Prämissen zu hinterfragen, die als Grundlage für - weitere und zudem kontraproduktive - wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates in die Gesellschaft dienen.

Um die vorliegende Frage klären zu können, bedarf es einer fein säuberlichen Trennung von zwei nicht miteinander in Beziehung stehenden ökonomischen Phänomenen; hier die Preisänderung eines Gutes im Vergleich zu allen anderen Gütern, da der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus.

Das erste Phänomen ist auf die Präferenzänderung der Konsumenten zurückzuführen und ein einfaches Beispiel soll helfen, diesem gängigen ökonomischen Fehlschluß auf die Schliche zu kommen. Nehmen wir an, daß in einer Gesellschaft bloß zwei Güter - Äpfel und Birnen - produziert werden und daß das Angebot an Äpfeln und Birnen über den Beobachtungszeitraum unseres Gedankenexperiments konstant bleibt. Dagegen verändern sich die Präferenzen der Menschen im Laufe der Zeit. Die Nachfrage nach Birnen geht zurück, während die Nachfrage nach Äpfeln zunimmt. Als unmittelbare Folge der veränderten Konsumentenpräferenzen verteuern sich aufgrund der gestiegenen Nachfrage die Äpfel. Gleichzeitig bringt die gesunkene Nachfrage nach Birnen eine Reduktion des Birnenpreises mit sich. Dies liegt schlicht und einfach daran, daß das mehr an Geld, das nunmehr für Äpfel ausgegeben wird, klarerweise nicht für den Kauf von Birnen aufgebracht werden kann. Bei einer annähernd gleichbleibenden Geldmenge führt der Preisanstieg eines Gutes somit notwendigerweise zu einem Absinken aller anderen Preise. Die Kaufkraft des Geldes würde keinen allgemeinenVerlust erleiden.

Gänzlich anders ist die Lage, wenn die Geldmenge beständig vermehrt wird. In diesem Szenario, das heute so aktuell wie schon lange nicht mehr ist, steigen hingegen die Preise auf breiter Flur. Nehmen wir an, die Geldmenge verdoppelt sich über Nacht. Jeder Bürger unserer kleinen Gesellschaft besitzt plötzlich doppelt so viel Geld in seinem Portemonnaie als am Tag zuvor. Infolgedessen werden die Preise für Äpfel und Birnen gleichermaßen in die Höhe schießen. Schließlich jagt deutlich mehr Geld derselben Menge Güter hinterher und die Kaufkraft jeder Geldeinheit halbiert sich.

Beim ersten Beispiel verteuern sich die Äpfel relativ zu den Birnen aufgrund der veränderten Nachfrage nach Äpfeln und Birnen. Im zweiten Beispiel sinkt bislang bloß die Kaufkraft des Geldes relativ zu allen anderen Gütern. Das Preisverhältnis zwischen Äpfeln und Birnen bleibt von der Ausweitung der Geldmenge unberührt.

Als letzten Schritt wollen wir die beiden Phänomene verbinden. Damit erhalten wir ein realistisches Abbild von den Abläufen in der Wirklichkeit, wo die Präferenzen der Menschen nach Gütern genauso schwanken wie die zirkulierende Geldmenge.

Wenn also gleichzeitig die Geldmenge anschwillt und sich die Nachfrage von einem Gut zu einem anderen Gut verschiebt, dann führt dies erstens zu einem allgemeinen Preisanstieg, d.h. Äpfel und Birnen werden teurer. Zweitens steigen die Preise der Güter nicht gleichmäßig, sondern der Preisanstieg wird in unserem Beispiel bei den Äpfeln deutlicher ausfallen, weil die gestiegene Nachfrage dem güterspezifischen Preisauftrieb einen zusätzlichen Impuls verleiht.

Angesichts der beobachteten Preisentwicklung mag sich tatsächlich der Eindruck aufdrängen, daß die Äpfel die Birnenpreise in die Höhe gezogen hätten, weil beispielsweise der Birnenbauer sich von Äpfeln ernährt und deswegen seine höheren Produktionspreise an die Käufer von Birnen weitergibt. Die entscheidende ökonomische Frage ist jedoch nicht, warum der Birnenbauer höhere Preise verlangt. Schließlich möchte jeder Verkäufer einen möglichst hohen Preis für seine angebotenen Güter erzielen. Vielmehr stellt sich die Frage, warum der Birnenbauer trotz gesunkener Nachfrage überhaupt in die Lage gekommen ist, höhere Preise zu realisieren, die er in Zeiten einer annähernd konstanten Geldmenge nicht durchsetzen hätte können.

In Zeiten eines nicht-inflationistischen Geldwesens ist ein allgemeiner Preisanstieg damit theoretisch durchaus denkbar und zwar dann, wenn die gedeckte Geldmenge stärker wächst als die Ausweitung der Güterproduktion. Dies war zum Beispiel in Spanien im 16.Jahrhundert der Fall. Viel wahrscheinlicher ist eine derartige Entwicklung jedoch in Zeiten der Inflation, d.h. wenn die Geldmenge durch das Drucken von ungedecktem Papiergeld aufgeblasen wird wie das heute gang und gäbe ist.

Der wichtigste Anheizer der Teuerung ist somit die Inflation, die sowohl die Äpfel- als auch die Birnenpreise und damit das allgemeine Preisniveau in die Höhe zieht. Die Kausalität läuft also von der Inflation zu allen Preisen und nicht von den Apfelpreisen zu den Birnenpreisen.

Die Inflation wird ihrerseits maßgeblich von der staatlichen Verschuldung getrieben, stellt doch die Inflation ein bequemes Mittel zur Entschuldung und zur stattlichen Mehrung der staatlichen Einnahmen über die Seignorage dar. Wollte man das Übel wirklich an der Wurzel packen, müßte die exorbitante offizielle und die geschickt versteckte inoffizielle Staatsverschuldung massiv zurückgefahren werden. Dieser wohlfahrts- und freiheitsfördernde Schritt könnte theoretisch ebenso umgehend vollzogen werden, wie die Beendigung der Inflationierung des Geldes, sofern sich die Bürger wie die Politik von den kurzfristigen Verlockungen der Inflation und der Staatsverschuldung - endlich - losreißen würden. Daß dies in naher Zukunft passiert, ist jedoch noch unwahrscheinlicher als ein österreichischer Finalsieg bei der kommenden Fußball-Europameisterschaft.


© Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen



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