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Von Sachverstand und Monopolen

05.01.2005  |  Claus Vogt
Alle Jahre wieder kommen die sogenannten Wirtschaftsweisen zu ihren Herren nach Berlin. Sie dürfen für einen ach so kurzen Moment das Blitzlichtgewitter genießen, mit dem die Presse ihrem Auftritt öffentliches Gewicht verleiht. Hände drücken, Schultern klopfen, Häppchen essen und Kontakte knüpfen, das ganze schaurige Gehabe moderner Politik-Beratung steht auf dem Programm. Der offizielle Höhepunkt ist natürlich die Überreichung des "Jahresgutachtens".

Irren ist bekanntlich menschlich, wir alle machen Fehler. Diese zeitlose Wahrheit wurde uns kürzlich erneut schmerzhaft bewusst, als wir auf die Idee kamen, die Homepage des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu besuchen, um das "Jahresgutachten 2004/05" zu überfliegen. Es trägt den fast lyrischen Titel "Erfolge im Ausland - Herausforderungen im Inland" und ist 1.077 Seiten lang. Seine Lektüre, ein schmerzhafter Fehler unsererseits, bereitete uns eine nicht unerhebliche Pein, die wir an dieser Stelle mit unseren Lesern auszugsweise teilen möchten.

"Am Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt ist festzuhalten, um eine weitere Beschädigung zu vermeiden. Wer mehr Wachstum will, muss die Staatsverschuldung dauerhaft reduzieren".

Der zweite dieser beiden Sätzen findet unser volle Zustimmung, der erste natürlich nur insoweit wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt als gegebene politische Realität akzeptieren. Als Verfechter freier Märkte sehen wir selbstverständlich keinen Nutzen in staatlichen Steuerungsversuchen und Manipulationen und schon gar nicht in auf Dauer angelegten Staatsschulden, also auch nicht in einem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der lediglich den Umfang staatlicher Schuldenaufnahme beschränken soll.

Beide zitierten Sätze stehen auf Seite 44* des "Gutachtens" und sind Teil des ersten Kapitels, das "Zusammenfassung" heißt.

Auf Seite 786 lesen wir unter der Überschrift "Eine andere Meinung" folgende instruktive Ausführungen: "Insgesamt sollte deshalb die Bundesregierung davon Abstand nehmen, die 3 vH-Marke des Stabilitäts- und Wachstumspakts um jeden Preis einzuhalten."

Damit lässt das "Gutachten" wie üblich keinen Politiker-Wunsch offen. Egal, welche Meinung favorisiert werden sollte, man kann sich auf das "Gutachten" der angesehenen Hoflieferanten berufen.

Welchem dieser konträren Ratschläge werden die Politiker wohl folgen? Der 4/5-Mehrheit, die zumindest ein bisschen Zurückhaltung predigt? Oder dem Abweichler, der weiterhin empfiehlt, das scheinbar unerschöpfliche Füllhorn fremder Leute Geld - und sei es auch auf Pump - über den Lieblingen der jeweiligen Regierung auszuschütten?


Geschockt

Eine Durchsuchung des dankenswerterweise als pdf-Dokument vorliegenden "Gutachtens" nach dem Wort "Schock" zeigt nicht weniger als 218 Fundstellen. Damit trifft uns im Durchschnitt auf jeder fünften Seite des "Gutachtens" ein Schock. Wir lesen von Ölpreisschocks, Wechselkursschocks, Nachfrageschocks und Angebotsschocks, von Technologieschocks, Preisschocks und Geldmarktschocks, von Schockperioden gar, was immer das auch sein mag. In der von unzulänglichen Modellen beherrschten Welt fast aller moderner Universitäts-Ökonomen scheint die Bedrohung also immer irgendwie von außen zu kommen. Wie kann das sein, wo Wirtschaft und Gesellschaft doch bis auf ganz wenige Ausnahmen wie beispielsweise Naturkatastrophen das Ergebnis menschlichen Handelns sind?

Der Vorteil dieser auf modernen makroökonomischen Modellen basierenden Sichtweise liegt auf der Hand: Niemand trägt letztlich die Verantwortung für unangenehme Folgen wirtschaftspolitischer Sünden, solange sie als externe Schocks verkauft werden können. Trotz immer wiederkehrender verheerender wirtschaftlicher Fehlentwicklungen, die problemlos auf wirtschaftspolitische Manipulationen und Fehler zurückgeführt werden können, und zahlloser einfacher Gegenbeispiele kann auf diese Weise die Mär vom Primat der Politik und der Notwendigkeit umfassender Bürokratien fröhlich weitererzählt werden. Die ständig vorangetriebene Beschränkung individueller Freiheiten in Wirtschaft und Gesellschaft kann vor diesem Hintergrund stets als angeblich dem Gemeinwohl dienende Maßnahme verkauft werden - neuerdings natürlich stets im Konsens mit einer nebulösen "internationalen Staatengemeinschaft".

Die Tatsache, dass nicht etwa Politiker und Bürokraten es sind, die Wohlstand schaffen und die Welt zum Besseren verändern, sondern Unternehmer und ihre Mitarbeiter sowie Sparer und Investoren, bleibt auf diese Weise stets unausgesprochen. Grundlegende Einsichten in eigentlich sehr einfache wirtschaftliche Zusammenhänge werden bewusst vernebelt, um den Status quo staatlicher Wirtschaftslenkung und die schleichende Verstaatlichung der Gesellschaft vorantreiben zu können.


Der Leviathan im Kampf gegen Aids

Die Vereinten Nationen legten im November ihren jüngsten Aids-Bericht vor (www.unaids.org). Darin übermitteln sie den ob des millionenfachen Leids tief betroffenen Lesern einige dramatische Zahlen. Beispielsweise habe die Seuche im Berichtsjahr 3 Mio. Menschen getötet, und fast 5 Mio. frische Infektionen seien hinzugekommen, mehr als je zuvor. "Spiegel-Online" fasste dieses traurige Ergebnis in gewohnt gekonnter Manier zusammen: "Die Immunschwäche hat in diesem Jahr mehr Menschen getötet und sich schneller verbreitet als jemals zuvor." Offensichtlich waren die Bemühungen der Welt-Bürokraten im Kampf gegen Aids nicht gerade von Erfolg gekrönt. Soweit die fachliche Seite des Problems.

Auf der finanziellen Seite ihrer Arbeit waren die Bürokraten hingegen sehr viel "erfolgreicher". Hier ist es ihnen gelungen, die ihnen anvertrauten Steuergelder in atemberaubender Weise auszugeben, immer mehr und immer schneller. Von 300 Mio. US-Dollar im Jahr 1996 konnten sie ihren Etat auf 5 Mrd. US-Dollar in 2003 verfünfzehnfachen. Selbst für eine internationale Behörde ist diese Steigerung durchaus beachtenswert.

Der unvoreingenommene Leser könnte nun anhand der hier geschilderten Entwicklungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Behörde auf geradezu klägliche Weise versagt hat. Er könnte die Forderung nach einer drastischen Neuausrichtung der geleisteten Arbeit stellen und vielleicht sogar personelle Konsequenzen fordern.

Ganz anders ist natürlich die Reaktion der Bürokraten selbst. Sie fordern für 2005 eine Erhöhung ihres Etats auf 12 Mrd. US-Dollar. Für 2007 verlangen sie gar 20 Mrd. Sie werden mit ihren dreisten Forderungen nach fremder Leute Geld auf offene Ohren stoßen, so unsere durch Erfahrung begründete Vermutung.

Wir sehen in dieser überaus traurigen Geschichte ein Musterbeispiel für die Funktionsweise von Bürokratien. Misserfolge führen regelmäßig zu einer Forderung nach mehr Geld, einem Ausbau der gescheiterten Behörde oder der Etablierung einer neuen, natürlich zusätzlichen. Unter dieser Seuche - wir könnten sie Bürokratitis nennen - leidet auch Deutschland schon seit langem.


Und die Börse?

Was das alles mit der Börse zu tun hat? Kurzfristig zugegebenermaßen gar nichts. Langfristig allerdings sehr viel, denn die hier angesprochenen Missstände, die natürlich nur recht willkürlich ausgewählte Beispiele sind, erschweren oder verhindern sogar die Schaffung von Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Und langfristig kann die Börse als Ganzes nur dann steigen, wenn die Wirtschaft wächst und die Unternehmensgewinne steigen.




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