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Von Sachverstand und Monopolen

05.01.2005  |  Claus Vogt
- Seite 2 -
Kein "Random Walk"

Es gab einmal eine Zeit und sie liegt noch nicht sehr weit zurück, da wurde selbst an namhaften Universitäten gelehrt, dass die Börsenkurse einem sogenannten "Random Walk" folgen, also einem reinen Zufallsprinzip. Außerhalb der Universitäten riefen die mit erheblichem statistischen Aufwand unterlegten "Random Walk"-Studien gewöhnlich nur Kopfschütteln oder ein freundliches Schmunzeln hervor. Aber was verstehen Praktiker schon von ihrem Fach verglichen mit den Koryphäen, die das staatliche Bildungsmonopol erzeugt?


Exkurs über Monopole

An dieser Stelle fällt uns die zur Zeit wieder brodelnde Diskussion über das deutsche Bildungswesen ein. Wir möchten hier die einfache ökonomische Erklärung für den bedauerlichen Zustand des deutschen Bildungswesens vorstellen:

(Staatlich garantierte) Monopole führen regelmäßig zu einem leicht vorhersagbaren Ergebnis: Schlechte Qualität oder überhöhte Preise aufgrund fehlenden Wettbewerbs, oft sogar beides. Ob das auch für das staatliche Bildungsmonopol gelten mag? Und das monopolistische Gerichtssystem, das mittlerweile durch absurd lange Wartezeiten dafür sorgt, dem Bürger sein Recht fast schon zu verwehren? Und was ist mit dem staatlichen Geldmonopol der Zentralbanken, das bekanntlich unser ausgesprochenes Steckenpferd geworden ist? Einen kurzen Einblick in die Qualität des modernen Zentralbankwesens erlauben uns die kürzlich vor einem deutschen Publikum gemachten Aussagen des Hohepriesters der US-Notenbank, die wir weiter unten kommentieren werden. Doch jetzt zurück zur Börse.

Langsam aber sicher rückte man in den vergangenen Jahren auch an den Universitäten wieder ab von der "Random Walk"-Hypothese. Statt dessen scheint sich eine Sichtweise durchzusetzen, die zahlreichen Praktikern längst vertraut ist: Die Börsenkurse sind "Mean Reverting", sie bewegen sich unter großen Schwüngen um einen langfristigen Trend herum - vorausgesetzt, es kommt nicht zu einer Katastrophe wie beispielsweise einem verlorenen Krieg.

Die Finanzmarktgeschichte lehrt uns, dass die Aktienmärkte in der Vergangenheit real, also bereinigt um die von den Notenbanken betriebene Inflation, rund 6% p. a. gestiegen sind. Dieses erfreuliche Ergebnis wurde allerdings unter sehr großen Schwankungen erreicht. Es gab also langfristige Aufwärtstrends, die zwischen 10 und 20 Jahre dauerten, und ebenso lange Abwärtstrends. Diese Tatsache haben wir in unserer Arbeit immer wieder einmal vorgestellt, da ihre Kenntnis zum Verständnis der Börse unerlässlich ist.

Außerdem lässt sie unsere bereits im Jahr 2000 aufgestellte Prognose, am Beginn eines 10- bis 20-jährigen Abwärtstrends zu stehen, weniger exotisch erscheinen. Schließlich ist der Gedanke außerordentlich simpel und leicht nachvollziehbar: Nachdem die an der Börse erzielten Ergebnisse viele Jahre lang deutlich überdurchschnittlich gewesen sind, müssen wir damit rechnen, dass sie in den kommenden Jahren unterdurchschnittlich sein werden, damit sich die bekannte Durchschnittszahl ergeben kann.

Zusätzliche Untermauerung erfährt dieses einfache und einsichtige Argument natürlich durch die extreme fundamentale Überbewertung, die nahezu alle Aktienmärkte während der zweiten Hälfte der 1990er Jahre aufwiesen, und die außerordentlich euphorische Stimmung rund um das Thema Aktie. Zumindest an der Weltleitbörse, der US-amerikanischen, hat sich selbst daran noch sehr wenig geändert. Anhand langfristig bewährter fundamentaler Kennzahlen ist der S&P 500 Index stark überbewertet, und die Sentimentindikatoren haben in den letzten Wochen Extremwerte erreicht, die höher sind als am Allzeithoch des Jahres 2000.

Eine sehr lesenswerte und grafisch schön unterlegte Darstellung des hier Gesagten wurde Anfang Dezember von dem britischen Anlageberater Smithers & Co. Ltd. ins Netz gestellt (http://www.smithers.co.uk/). Wir haben diesen Artikel zum Anlass genommen, das Thema wieder einmal aufzugreifen. Anhand der von Smithers verwendeten Zahlen sind übrigens nicht nur für die amerikanische, sondern auch für die französische, die deutsche und die britische Börse in den kommenden Jahren enttäuschende Ergebnisse zu erwarten. Lediglich die japanische Börse ist aus Sicht der "Mean Reverting"-Hypothese attraktiv.

Die Schlussfolgerungen von Smithers & Co. Ltd. lauten wie folgt:
"A rational person must expect very poor returns from equities over the next few years."
(Ein rationaler Mensch muss von den Aktienmärkten in den kommenden Jahren sehr dürftige Ergebnisse erwarten.)

"This is being largely ignored by pension funds."
(Diese Erkenntnis wird von den Pensionskassen weitgehend ignoriert.)

"Such irrationality will almost certainly cause great problems for the stock markets and economies of the world."
(Dieses irrationale Verhalten [der Manager von Pensionskassen] wird fast mit Sicherheit zu großen Problemen an den Börsen und der Weltwirtschaft führen.)

Unsere regelmäßigen Leser wird es nicht verwundern, dass wir diese Schlussfolgerungen uneingeschränkt teilen. Unsere strategische, also langfristige Vorsicht hinsichtlich europäischer und amerikanischer Aktien sollte aufgrund dieser Ausführungen noch einmal nachvollziehbar geworden sein. Für das kurz- bis mittelfristige Timing sind diese Erkenntnisse bekanntlich nicht nutzbar. In einer Welt, in der ein riesiger Finanzmarkt-Zirkus, bestückt mit herrlich schrillen Finanzmarkt-Clowns, fast ausschließlich kurzfristigen Trends nachjagt, erscheinen strategische Überlegungen überaus unpopulär zu sein. Ihre Bedeutung sollte sich aber jedem Anleger problemlos erschließen, sobald er nur einen oberflächlichen Blick zum Beispiel auf den Verlauf des Deutschen Aktienindex wirft: DAX-Käufe des Jahres 1998 haben aller zwischenzeitlichen Euphorie zum Trotz bis zum heutigen Tag eine überaus enttäuschende Performance abgeliefert. Ein rationaler Anleger musste dieses Ergebnis schon damals erwarten. DAX-Käufe des Jahres 2004 werden sich in einigen Jahren vermutlich als ebenso enttäuschend erweisen.


"Voulez-Vous Perdre de L'Argent?"

Möchten Sie Geld verlieren? Mit dieser scheinbar absurden Frage überschrieb Guy Legrand einen viel beachteten Kommentar in der Belgischen Zeitschrift "Trends Tendances". Darin befasste er sich mit dem überaus fragwürdigen Auftritt des US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan in Frankfurt. Die von Legrand kreierte Überschrift hat uns so gut gefallen, dass wir nicht widerstehen konnten, sie hier zu übernehmen. Da unsere regelmäßigen Leser uns als durchaus eigenständigen Denker kennen, werden sie uns dieses freche Plagiat sicherlich verzeihen. Schauen wir uns zunächst an, was genau Legrand zu dieser neugierig machenden Fragestellung veranlasste.

"Rising interest rates have been advertised for so long and in so many places that anyone who has not appropriately hedged this position by now obviously is desirous of loosing money."
(Steigende Zinsen wurden für so einen langen Zeitraum und an so verschiedenen Plätzen angekündigt, dass jeder, der diese Position noch immer nicht angemessen abgesichert hat, offensichtlich danach giert, Geld zu verlieren.)

Mit diesen sensationell ignoranten und hochmütigen Worten zitierte die "Financial Times" Alan Greenspan, den viel geliebten Präsidenten der US-Notenbank. Er soll sie während seiner Teilnahme am "Frankfurt European Banking Congress" am 19. November 2004 ausgesprochen haben.

Wir halten diese Äußerung aus mehreren Gründen für überaus bemerkenswert. Zuallererst gehören auch zu einem Hedge, also der Absicherung einer Position, 2 Parteien. Die eine möchte sich einer riskanten Position entledigen, die andere hingegen ist bereit, diese riskante Position zu übernehmen. Ein Hedge kann also immer nur dazu dienen, Risiken von einer Partei auf eine andere zu übertragen. Verschwinden kann das Risiko dadurch natürlich nicht. Rein technisch ist es also vollkommen unmöglich, dass sämtliche Marktteilnehmer das Risiko steigender Zinsen hedgen, egal wie lange und wo auch immer auf dieses Risiko aufmerksam gemacht wird.

Zweitens ist der US-Dollar bekanntlich seit einigen Jahrzehnten Weltreservewährung eines mehr als zweifelhaften und auf Dauer nicht aufrechtzuerhaltenden Weltwährungssystems. Derzeit halten die Notenbanken der Welt 3.400 Mrd. Dollar an Währungsreserven. Insbesondere die Zentralbanken Asiens haben in den vergangenen Jahren massive US-Dollar-Bestände aufgebaut. Damit haben sie zumindest vorübergehend maßgeblich dazu beigetragen, dass Amerika weit über seine Verhältnisse leben konnte und die notwendige Anpassungskrise im Anschluss an den auf expansiver Geldpolitik basierenden Boom der 1990er bis zum heutigen Tag hinauszögern konnte. Diese staatlichen Käufer amerikanischer Staatsanleihen haben bereits erhebliche Währungsverluste auf diese Bestände hingenommen. Nun droht aufgrund von Zinssteigerungen eine weitere Wertvernichtung. Müssen Greenspans Worte in den Ohren der betroffenen Asiaten nicht wie Hohn und Spott klingen? Kann es klug sein, die Hand, die einen füttert, auf derart barsche Art zu beißen?

Drittens schließlich gibt es auch in den USA Millionen kleiner Leute, die weder über die Mittel noch über die Bildung verfügen, um ihr ganz individuelles Zinssteigerungsrisiko hedgen zu können. Deutlich höhere Zinsen, die auch unserer Meinung nach aufgrund der inflationären Geldpolitik Greenspans früher oder später kommen müssen, werden sich für viele dieser Menschen als Existenz bedrohend herausstellen. Aus den Höhen der US-Notenbank heraus betrachtet müssen das wohl Schwachköpfe sein, die danach "gieren, Geld zu verlieren." Wer den Schaden hat muss für den Spott nicht sorgen.

Eine zusätzliche pikante Note erhalten diese Äußerungen des US-Notenbank-Präsidenten vor dem Hintergrund seiner Anfang des Jahres gemachten Ausführungen zu den Vorteilen variabel verzinslicher Hypotheken-Kredite. Unter der Überschrift "Die Zinsspekulanten" haben wir im April 2004 darüber berichtet. Wir schrieben: "Aufbauend auf einem Trend fallender Zinsen, der bereits seit fast einem Vierteljahrhundert anhält, macht sich der risikofreudige Notenbanker anschließend für den verstärkten Einsatz von variabel verzinslichen Hypotheken stark. Hätte er uns diesen Rat doch schon vor 20 Jahren gegeben! Aber nein, der Trend muss 25 Jahre alt werden, bevor der Notenbanker beherzt zum Aufspringen rät. Bekanntlich gibt es nicht nur Fälle von Altersweisheit, sondern auch ihr Gegenteil."

In Zeiten steigender Zinsen verwandeln sich die Vorteile variabel verzinslicher Kredite natürlich umgehend in Nachteile. Wahrscheinlich handelt es sich bei den zahlreichen US-Immobilienkäufern, die den von der Immobilienblase ausgehenden Sirenengesängen nicht widerstehen konnten und dabei insbesondere im Jahr 2004 vermehrt zu variabel verzinsten Krediten griffen, um diese uns bislang nicht geläufige Menschenart, die laut Greenspan danach giert, Geld zu verlieren.




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