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Von Sachverstand und Monopolen

05.01.2005  |  Claus Vogt
- Seite 3 -
Der Präsident und die Börse

Im Vorfeld der amerikanischen Präsidentschaftswahl setzte die US-Börse bekanntlich zu einer Kursrallye an, die sich auch in den Wochen danach fortsetzen konnte. Zahlreiche Kommentatoren sehen in dieser Entwicklung den Beginn einer lang anhaltenden Hausse und verweisen zur Unterlegung ihrer Prognose auf frühere Präsidentschaftswahlen. Anhand zweier Grafiken hat Peter Eliades kürzlich in seinem Börsenbrief eine lehrreiche Darstellung zu diesem Thema vorgelegt (ww.stockmarketcycles.com), der wir hier weitgehend folgen.

Der Chart "Der Präsident und die Börse, Teil 1" zeigt den amerikanischen Aktienindex ab 1984. Die senkrechten Linien markieren den Monat der Wahl, also den November jener Jahre, in denen Präsidentschaftswahlen stattfanden. Bis auf das Jahr 2000, in dem die Luft aus der größten Aktienblase aller Zeiten zu entweichen begann, war der Wahl-Monat ganz offensichtlich ein guter Zeitpunkt für den Kauf von Aktien. Insbesondere fällt auf, dass im Vorfeld der Wahlen eine viele Monate lange ereignislose Seitwärtsbewegung die Börsen prägte. Dann folgte jeweils der Ausbruch nach oben. Die Ähnlichkeit mit dem im Jahr 2004 zu beobachtenden Muster ist tatsächlich frappierend. Sollten wir aus diesem Chart den Schluss auf eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung ziehen und die Ereignisse des Jahres 2000 als Kuriosität betrachten?

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Betrachten wir jetzt den nächsten Chart, "Der Präsident und die Börse, Teil 2". Hier sehen wir eine Darstellung der Wahljahre von 1968 bis 1984. Und siehe da, dem Betrachter offenbart sich ein vollkommen anderes Muster, das allerdings dem des Jahres 2000 entspricht. Die Zeit der Präsidentschaftswahl war in den Jahren 1968, 1972, 1976 und 1980 ein fast perfekter Zeitpunkt zum Ausstieg an der Börse.

Zusammengenommen ergibt sich aus den beiden Grafiken wohl folgender Eindruck:
Die Zeit um die Präsidentschaftswahl fiel in den vergangenen Jahrzehnten jeweils mit einem bedeutenden Wendepunkt an den US-Börsen zusammen. Es scheint so, als sei in Zeiten eines langfristigen Aufwärtstrends - wie er zuletzt von 1982 bis März 2000 herrschte - mit der Präsidentschaftswahl der Startschuss zu einer Kursrallye gegeben worden. In Zeiten eines langfristigen Abwärtstrends hingegen - wie zuletzt von 1966 bis 1982 - verflog die Freude der Börse über den neuen Präsidenten bereits nach wenigen Wochen und machte ausgeprägten Kursverlusten Platz. Dem Top von 1968 folgte ein Kursverlust von 36%, dem von 1972 ein Verlust von 48%, dem von 1976 ein Verlust von 20%, und im Anschluss an das Top von 1980 fielen die Kurse um 29%.

Da wir weiterhin der Überzeugung sind, im Jahr 2000 das Ende eines langfristigen Aufwärtstrends und den Beginn eines langfristigen Abwärtstrends erlebt zu haben, halten wir die anhand der aktuellen Sentimentindikatoren als euphorisch optimistisch zu bezeichnenden Erwartungen der überwältigend großen Börsen-Bullen-Herde zumindest für fragwürdig. Wir befürchten, dass das Jahr 2005 ein paar negative Überraschungen für die Bullen bereit halten wird. Wir erwarten nach der mittlerweile rund 2-jährigen Hausse, in der wir lediglich eine ausgeprägte Bearmarket-Rallye sehen, eine baldige Wiederaufnahme des langfristigen Abwärtstrends.


Die fünfte Zinserhöhung

Die US-Notenbank erhöhte am 14. Dezember 2004 erneut die Zinsen. Dabei handelt es sich um die fünfte Zinserhöhung in Folge. Der Zinssatz beträgt jetzt 2,25%, nachdem er im Anschluss an das Platzen der großen Aktienspekulationsblase der 1990er Jahre auf 1% gesenkt wurde. Wir werden an dieser Stelle nicht in die Diskussion der US-Geldpolitik der vergangenen Jahre einsteigen, da unsere regelmäßigen Leser unseren Standpunkt zur Genüge kennen dürften. Statt dessen begnügen wir uns mit der Feststellung, dass Zinserhöhungen sowohl auf die Börse als auch auf die Wirtschaft negative Wirkungen entfalten. Mit jeder Zinserhöhung steigen deshalb ganz allgemein die Risiken an den Finanzmärkten und für die Wirtschaft.


Das Gesamtmodell

Die fundamentale Bewertung des US-Aktienmarkts befindet sich weiterhin auf einem extrem hohen Niveau. Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-Umsatz-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis und die Dividendenrendite liefern ohne Wenn und Aber dieses Ergebnis. Damit sind sämtliche klassischen Maßzahlen der Unternehmensbewertung in Übereinstimmung und zeigen eine krass überbewertete Börse an. Aus fundamentalen Überlegungen heraus gibt es also keinen Grund US-Aktien zu besitzen.

Die monetären Rahmenbedingungen sprechen ebenfalls klar und deutlich gegen den Aktienmarkt. Die verschiedenen Geldmengenaggregate steigen mit nur noch 4% bis 5% per annum. Das ist für moderne Verhältnisse sehr wenig und wird unserer Meinung nach nicht ausreichen, um die Rallye der letzten Wochen deutlich auszuweiten. Auch von der Zinsseite her wird die US-Geldpolitik zunehmend weniger expansiv. Nach nunmehr 5 Zinserhöhungen lassen die Äußerungen der Notenbanker übrigens kein Ende des Zinssteigerungszyklus erwarten. Da insbesondere in den vergangenen Monaten die offiziell ausgewiesenen Inflationsraten deutlich angestiegen sind, kann diese Haltung nicht verwundern. Weitere Zinserhöhungen scheinen unvermeidlich zu sein.

Die Sentimentindikatoren zeigen ein Ausmaß an Börsen-Optimismus an, wie es selbst in den von teilweise offensichtlich absurder Aktien-Euphorie gekennzeichneten Jahren 1999 und 2000 nicht festzustellen war. Ein paar Beispiele mögen genügen, um diesen Punkt zu illustrieren. Investors Intelligence wies Mitte Dezember mit 62% Bullen die höchste Optimistenzahl seit 1987 aus. Der Volatilitätsindex verharrt auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Aktienverkäufe von Unternehmensinsidern sind regelrecht heiß gelaufen.

Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüsse sind wieder en vogue und werden in den Medien fast so positiv kommentiert wie einst das Thema AOL Time Warner. Selbst am Markt für Neuemissionen gibt es wieder einen regelrechten Boom und unübersehbare Zeichen ungebremster Gier. So stieg die Aktie von Las Vegas Sands Corp. am Tag der Erstnotierung um stattliche 60%. Vielleicht hat der Hedge Fonds Manager Bill Fleckenstein Recht mit seiner Äußerung, es sei ein passendes Zeichen unserer von einer Echo-Blase geprägten Zeit, dass ausgerechnet ein Spielkasino die Phantasie am IPO-Markt entfachen konnte wie einst die nunmehr fast vergessenen dot-com-Werte.


Fazit

Überbewertung, Euphorie und steigende Zinsen halten wir für ein überaus gefährliches Gemisch. Das Chance-Risiko-Verhältnis, das der US-Aktienmarkt uns präsentiert, ist außerordentlich unattraktiv. Vor dem Hintergrund der weiterhin gewaltigen Ungleichgewichte, die die US-Wirtschaft belasten, muss man gerade in Zeiten steigender Zinsen mit unangenehmen Überraschungen rechnen, auch mit einer schnellen Verschlechterung der überaus schwachbrüstigen Wirtschaftsverfassung und einer Baisse am Aktienmarkt. Da die europäischen Börsen den US-Vorgaben auch in jüngster Zeit sklavisch gefolgt sind, raten wir auch hier zu großer Vorsicht.

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© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank AG



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