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Übertreibung, dein Name ist Investor

05.01.2005  |  Jochen Steffens
Spannend, was die amerikanische Notenbank in ihrem Sitzungsprotokoll veröffentlicht. Mittlerweile machen sich also endlich auch die US-Notenbanker Sorgen um eine Inflation aufgrund hoher Energie- und Rohstoffkosten. Zumindest "unterschwellig" - offen wird immer noch von einer großen wirtschaftlichen Erholung der USA geredet. Selbst die schlechten Arbeitsmarktdaten vom November wurden heruntergespielt.

Übertreibung, dein Name ist Investor: Die US-Investoren und Analysten reagierten panisch auf das Wort "Inflation" und preisten direkt schon einmal eine Zinserhöhung der US-Leitzinsen von 0,75 Basispunkten für die nächsten beiden Zinssitzungen ein. Das heißt, sie rechnen damit, dass einer der beiden Zinsschritte mit 50 Basispunkten größer ausfallen wird als die bisherigen. Das ist quatsch, dafür müssten sich die Konjunkturdaten schon dramatisch verbessern oder die Inflationsraten noch dramatischer verschlechtern.

Nach diesem Sitzungsprotokoll verstehe ich allerdings auch, warum beim letzten Mal doch ein weiterer Zinsschritt beschlossen wurde, trotz der sich verschlechternden Konjunkturdaten. Den amerikanischen Notenbankern sitzt das Inflationsrisiko im Nacken.

Nun kann man nur beten, dass es in den USA zu einer, wenn auch verspäteten Belebung des Arbeitsmarktes kommen wird. Nach diesem Sitzungsprotokoll scheint es ausgemachte Sache zu sein, dass die Zinsen unabhängig von der Entwicklung des US-Arbeitsmarktes weiter angehoben werden.

Das hat zur Folge, dass sich die US-Amerikaner nicht mehr durch billige Kredite finanzieren können. Dieser Umstand wird auf mehrfache Art und Weise den Binnenkonsum belasten, ich habe Ihnen einmal drei Möglichkeiten aufgezeigt:

1. Die direkte Belastung ist offensichtlich: Bei sich verteuernden Krediten wird weniger Geld aufgenommen werden, das dann natürlich auch nicht ausgegeben werden kann.

2. Die US-Amerikaner werden sich weniger Geld leihen, um es in den Aktienmarkt zu investieren. Das könnte das Wachstumspotential der US-Indizes beeinträchtigen. Natürlich steigt die Bereitschaft der Investoren zu konsumieren, wenn sie große Gewinne im Aktienhandel erwirtschaftet haben. Genauso sinkt sie, wenn Verluste am Ende des Jahres auf den Brokerabrechnungen stehen. Auch über diesen Umweg kann es zu einer Belastung des Binnenkonsums kommen.

3. Eine dritte Folge steigender Zinsen: Die Immobilienkäufe werden natürlich nachlassen. Das wiederum wird dazu führen, dass die Preise auf dem Immobilienmarkt sinken. Wie wir von unseren amerikanischen Korrespondenten wissen, haben viele Amerikaner die kräftige Wertsteigerung der eigenen Immobilie dazu genutzt, höhere Hypotheken aufzunehmen, Geld, das sie dann wieder ausgegeben haben. Auch dieser Effekt wird damit der Vergangenheit angehören.

Ausgeglichen werden könnten diese Faktoren, wie gesagt, durch ein starkes Anziehen des US-Arbeitsmarktes.

Jetzt könnte man natürlich fragen: Warum lässt die Fed dann nicht die Zinsen so lange niedrig, bis die Konjunktur deutlich anzieht?

Das Wort, das bei Notenbankern eine gepflegte Panik auslöst, heißt: Inflation! Eine Inflation kann all die Vorteile der niedrigen Zinsen auffressen. Eine ausufernde Inflation kann sich keine Marktwirtschaft leisten, die Folge wäre eine Verelendung weiter Teile der Bevölkerung. Die USA muss versuchen, das Vertrauen in den Dollar wieder herzustellen.

Ein Aspekt der Inflation ist, dass die menschliche Arbeitskraft weniger wert wird (sofern nicht im gleichen Maße die Löhne steigen und das tun sie in den USA nicht). Bei einer stärkeren Inflation erhält der Arbeitnehmer zwar auf dem Papier immer noch den gleichen Lohn. Nur er kann davon leider weniger kaufen. Ein Effekt, der sich jetzt schon durch die gestiegenen Energiepreise in den USA auswirkt. Das Mehrgeld, das für Benzin, Strom- und Heizkosten aufgebracht werden muss, fehlt natürlich im Geldbeutel der Konsumenten. Dieser Effekt ist bei einer um sich greifenden Inflation natürlich noch wesentlich dramatischer.

Mit anderen Worten: Sollte die Dollarschwäche eine stärkere Inflation in den USA bewirken, wird der Amerikaner weniger Geldwert zum Konsumieren haben. Der Binnenkonsum der USA ist zu 70% für das Wirtschaftswachstum der USA verantwortlich. Sollte es hier zu einer Abschwächung kommen, wird sofort auch das Wirtschaftswachstum betroffen. Wenn Sie das nun zusammenfassen, erkennen Sie, in welcher Zwickmühle sich die Fed befindet.

Die Fed hatte bisher gehofft, die Zinsen so lange niedrig halten zu können, bis der Arbeitsmarkt anzieht und damit mehr Menschen in den USA wieder mehr Geld verdienen, das sie ausgeben können. Leider ist dieser Effekt bisher ausgeblieben. Und langsam bleibt der Fed nichts anderes übrig, als trotzdem die Zinsen anzuheben, um eine galoppierende Inflation zu verhindern. Ein abgeschwächtes Wirtschaftswachstum wird sich wiederum belastend auf den Arbeitsmarkt auswirken. Ein Teufelskreis! Ich bin gespannt, wie die Fed versucht, dem entgegen zu steuern.

Nicht verwundert bin ich deswegen, dass erste Meldungen kommen, die US-Regierung plane drastische Einsparmaßnahmen bei den militärischen Ausgaben. Aus einem Dokument des Pentagons soll nach neuesten Gerüchten hervorgehen, dass die USA die Militärausgaben über die kommenden sechs Jahre bereits jetzt um 30 Mrd. Dollar kürzen will. Ich denke, das ist erst der Anfang. Ob gerade der Bush-Regierung ein solcher Schritt leicht fällt?

Nun aber noch schnell zu den Arbeitsmarktdaten, die am Freitag veröffentlicht werden und zum Thema: Börse schizophren, wie immer: Eigentlich ist es fast egal, wie die Arbeitsmarktdaten ausfallen werden, der Markt wird steigen! Fallen sie sehr gut aus, dann hoffen die Investoren, dass der Arbeitsmarkt doch noch rechtzeitig belebt werden kann - die Kurse werden diese Hoffnung einpreisen und steigen. Fallen sie schlecht aus, wird der Markt nicht länger von einem großen Zinsschritt ausgehen und diesen durch steigende Kurse wieder aus dem Markt nehmen. In diesem Fall wird der Markt kurz nach der Veröffentlichung erst einbrechen und dann zur Verwunderung der meisten Anleger wieder steigen.

Bleiben sie im Rahmen der Erwartungen, wird lediglich die Angst vor schlechteren Arbeitsmarktdaten aus dem Markt genommen. In diesem Fall würde es zu einer leichten Kurssteigerung kommen. atürlich nur kurzfristig. Wichtig ist bei dieser Betrachtung, dass der der Markt bis zu den Arbeitsmarktdaten weiter schwach bleibt ...


© Jochen Steffens

Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"



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