Quartalssaison - die Hoffnung stirbt zuletzt
11.04.2008 | Klaus Singer
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Werfen wir dazu einen Blick auf den amerikanischen Arbeitsmarkt: Im März wurden erneut 80.000 Arbeitsstellen abgebaut, mehr als erwartet und der dritte Abbau in Folge. Seit Dezember sind nun 232.000 Jobs verloren gegangen. Die Arbeitslosenquote sprang im März auf 5,1 Prozent, dem höchsten Wert seit September 2005. Aktuell sind 4,2 Millionen US-Bürger ohne Arbeit, in den vergangenen 12 Monaten wuchs ihre Zahl um 914.000. Beobachter sehen für das Jahresende eine Arbeitslosenquote von 6 Prozent voraus. Natürlich, der Arbeitsmarkt läuft der Konjunktur hinterher, das gilt besonders für die Phase des Aufschwungs, aber auch (mit deutlich geringerer Verzögerung) für den Abschwung. Die negative Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat gerade erst Formen angenommen - da ist es ebenfalls sehr unwahrscheinlich, dass hier schon ein Boden erreicht ist. Hinzu kommt, dass die mittleren Stundenlöhne zuletzt um 3,6 Prozent gestiegen sind, während die Preise um 4,5 Prozent zulegen. Zusammen mit den übrigen widrigen Rahmenbedingungen v.a. aus der Immobilien- und Kreditkrise spricht das nicht dafür, dass der amerikanische Verbraucher schon wieder
unbekümmert nach vorne blickt. Im Gegenteil - sein Spielraum für Konsum wird noch enger werden. Dass in einem solchen Umfeld bereits ein langfristig tragfähiger Boden in der Verbraucherstimmung erreicht ist, ist unwahrscheinlich.
Ein weiterer Fundamental-Punkt, die Kredit-Krise: Der IWF schätzt in seinem jetzt erschienen Global Financial Stability Report die hier bis März aufgelaufenen Verluste (einschließlich Abschreibungen) auf 945 Mrd. Dollar. Der auf den privaten Immobiliensektor entfallende Anteil kommt auf 565 Mrd. Dollar, Aktivitäten im kommerziellen Immobilienbereich schlagen mit 240 Mrd. Dollar zu Buche. Ausleihungen an Unternehmungen tragen 120 Mrd. Dollar bei, Verluste aus Verbraucherkrediten werden auf 20 Mrd. Dollar
beziffert.
In der historischen Perspektive stellt der IWF die gegenwärtige Krise auf dieselbe Stufe wie die japanische Bankenkrise der 1990er Jahre. Die Verfasser weisen darauf hin, dass bei der Bewertung der Verluste ein weiter Spielraum besteht, da viele Marktsegmente gegenwärtig keine Bildung von Marktpreisen zulassen.
Insgesamt rechnet der IWF an ausstehenden US-Schulden 23,2 Bill. Dollar vor, verbrieft und verteilt sind davon 10,84 Bill. Dollar. Damit machen die jetzt geschätzten Verluste 4 Prozent der gesamten Verschuldung aus. Die Verluste aus dem verbrieften und verteilten Teil der Verschuldung kommen laut IWF absolut auf insgesamt 720 Mrd. Dollar, ihr Anteil am entsprechenden Aggregat beträgt schon 6,6 Prozent. Hier zeigt sich klar, dass die "Sekurisation" mitnichten Risiken minimiert, wie immer wieder behauptet.
Das scheint noch nicht der Weltuntergang zu sein. 945 Mrd. Dollar sind gerade einmal 2 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, andererseits aber auch das eines mittelgroßen Landes wie etwa Australien. Die dot-com-Blase hat 2 Bill. Dollar platzen lassen - das waren damals 5 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
ABER: Sinken die Hauspreise in den USA um 10 Prozent, bedeutet das einen Vermögensrückgang von 2 Bill. Dollar. Dies ist bereits erreicht und ein Boden bei der Entwicklung ist nicht in Sicht. Experten rechnen mit einem Rückgang um insgesamt 20 bis 30 Prozent, was einem Vermögensverlust von 4 bis 6 Bill. Dollar entspricht. Dies ist der ganz große Rahmen, in dem sich die Verluste bewegen. Dieser Rahmen muss natürlich nicht ausgeschöpft werden, wobei Länge und Schwere der Rezession eine wichtige Rolle spielen. Das gilt auch für Verluste außerhalb des Immobiliensektors, etwa aus Ausleihungen an Unternehmen, aus fallenden Aktienkursen und anderen rückläufigen Asset-Märkten, sowie aus Konsumentenkrediten.
Man kann etwas kühn auch so rechnen: Die Schulden im Finanzbereich belaufen sich bis jetzt auf 50 Prozent des Vermögensrückgangs im privaten Haussektor. Nimmt man optimistisch an, dass der Boden (schon) bei 20 Prozent Preisrückgang erreicht wird, kämen 2 Mrd. Dollar Verluste heraus,
also steht noch einmal der gleiche Betrag aus wie bis jetzt. Dabei dürfte das Verhältnis der Verluste zu Vermögensrückgang eher steigen, folglich dürften auch die Verluste eher höher ausfallen. Wie gesagt - "kühn"; es geht hierbei nur um die grobe Richtung.
Noch etwas anderes sollte man im Auge behalten: Bis jetzt sind nur etwa 200 Mrd. Dollar abgeschrieben worden. Wo steckt der Rest der vom IWF errechneten Verluste im Gesamtwert von knapp 1000000000000 Dollar?
Es tut mir leid - angesichts all dieser Faktoren halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass der Boden der gegenwärtigen Finanzkrise schon erreicht ist, geschweige denn, bald bereits "Talfest" der Rezession gefeiert werden kann.
Ich denke, es wird im Laufe der Quartalsaison zu einem erneuten Test der Kursregion von Anfang März kommen. Wenn diese hält, dürfte sich die Überzeugung durchsetzen, dass dann erst einmal die negative Gewinnentwicklung eingepreist ist. Dies könnte sich in einer kräftigeren Kurserholung umsetzen. Aber wie oben bereits angedeutet, es wäre nur eine von mehreren, noch kommenden Bärenmarktrallyes.
© Klaus G. Singer
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