Das Futures-Spiel und der Super-Spike
08.05.2008 | Ronald Gehrt
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Das Futures-Spiel: Die Spielutensilien:Man nehme ein wenig Geld. Es muss nicht viel sein, sagen wir mal 50 Milliarden, so wie bei der Société Générale. Also das, was Sie und ich halt so an Klimpergeld in der Hosentasche herumtragen. Aber für den Ölmarkt reichen eigentlich auch fünf Mlliarden.
Nun setze man ein paar Leute an die Computer. Da die Spielregeln herzlich simpel sind, kann man auch einen Trupp College-Abgänger dahinter klemmen und von einem 25jährigen Senior-Trader mit 150 Jahren Börsenerfahrung beaufsichtigen lassen. Geht schon. Vor allem: Je weniger die, die wirken, wissen, was sie BEwirken, desto besser. Und nun geht es los:
Das Futures-Spiel: Vor Spielbeginn
Man prüfe, wie hoch üblicherweise die Tages-Umsätze in den Öl-Futures liegen und prüfe darüber hinaus, wann normalerweise eher umsatzschwache Zeiten sind. Dann beginnt man, "behutsam" Long-Positionen einzukaufen, nach der guten alten "Berserker-Methode". Das heißt, man walzt einfach alles platt, was an Verkaufsorders im Markt liegt. Beispiel:
Nehmen wir an, das US-Öl Light Sweet Crude läge momentan bei 120 Dollar. Der Umsatz war gestern an der NYMEX 350.000 Kontrakte, die Margin für Clearing-Mitglieder liegt bei 6.500 Dollar, wobei ein Kontrakt 1.000 Barrel umfasst. Das heißt, der Tagesumsatz war bei ca. 2,3 Milliarden Dollar, bezogen auf die Margins (das Geld, das man wirklich bezahlt und das bei der Terminbörse als Sicherheitsleistung hinterlegt wird). Dabei entsprechen im Future ein Cent Kursveränderung 10 Dollar. Was heißt, die Margin deckt 6,50 Dollar Kursveränderung ab, bei diesem Kurs 120 Dollar also etwas mehr als 5%.
Da kann man also, bei diesen Schwankungen, schnell mal ins Schwitzen kommen, denn wenn ein größerer Teil der Margin am Handelsende eines Tages aufgezehrt wäre, müsste man nachschießen. Und wer mal so eben 50.000 Kontrakte Long ist, der sollte Reserven haben. Dass in den letzten Monaten so viele Anleihe- Hedge Funds im Zuge der Kreditkrise pleite gingen lag daran, dass die eben keine ausreichenden Reserven hielten. Haben die Spieler im Ölmarkt nun die nötigen Reserven? Weiß man nicht ... und das muss man im Hinterkopf behalten.
Dabei zählt aber nicht, wo jeder einzelne Kontrakt gekauft wurde, sondern die Gesamtposition, d.h. der Durchschnitt. Wenn man also Long ist und die Kurse steigen immer weiter, bleibt alles völlig problemlos. Kritisch wird es, wenn man in stagnierende Kurse weiter kauft. Denn dann nähert sich das Margin-Call- Niveau, d.h. dort, wo man nachschießen muss. Und wenn die Kurse kippen, erst recht, aber dazu gleich mehr.
Das Futures-Spiel: Die ersten Spielzüge
Zunächst mal das Procedere, um die Kurse dorthin zu schieben, wo man es gerne hätte. Man schnappt sich einen nach Möglichkeit etwas umsatzarmen Zeitpunkt. Sagen wir, Öl steht bei genau 120. Auf 50 Cent nach oben liegen gestaffelt 2.000 Kontrakte zum Verkauf. Normalerweise gehen die Kurse da nicht drüber, weil die Umsätze pro Stunde in einer ruhigen Phase bei vielleicht 5.000 Kontrakten liegen und diese Sell-Orders natürlich immer erneuert werden. Doch jetzt komme ich, der große Käse der Futuresmärkte. Ich kaufe einfach locker alle 2.000 Sell-Orders binnen Sekunden auf (Berserker-Methode), so schnell, dass andere gar nicht dazu kommen, noch mit neuen Sell-Orders gegenzuhalten. Jetzt, bei 120,50 angekommen, sichere ich mein erreichtes Kursniveau, indem ich einfach bei 120,50 1.000 Kontrakte als Buy-Order hinsetze und jeweils einen Cent tiefer bis 119,95 immer noch mal 1.000. Das wär’s erst mal.
Denn damit der Ölpreis nun wieder unter 199,95 fallen könnte, muss irgend jemand meine 6.000 Kontrakte, die ich da zum Kauf hingesetzt habe, erst mal wegkaufen. Erst dann wäre der Weg frei. Selbst wenn jemand sich durch diese 6.000 Kontrakte kämpfen würde ... ich hab ja ein paar Milliarden in der Hinterhand. Wer das meiste Geld in den Ring wirft bestimmt, wo es langgeht. C’est la bourse.
Nach einer guten Tasse Kaffe entschließt sich der Hedge Funds, dass ein Kurs von 120,50 ganz nett ist, 121 wären aber noch netter. Also: Das selbe Spielchen noch mal. Alle über aktuellem Kurs liegenden Sell-Orders wegkaufen und den Sperrriegel auf 120,95 bis 121 legen und fertig. Nun könnten Sie einwenden: Wenn da aber doch ein noch größerer Fisch dagegen hält, kommt man schnell in Not. Nun, nur, wenn einem langsam das Geld ausgeht, und das muss nicht so schnell passieren. Denn diese 6.000 Kontrakte, der Sperrriegel, werden selten wirklich bedient, weil da noch die Parasiten sind.
Das Futures-Spiel: Die Nebenspieler
Die Parasiten sind kleinere Akteure, die diesen Riegel natürlich auch sehen. Sie traden kleine Portionen, die sie über den Sperrriegel legen, also 10 Kontrakte Buy-Order z.B. bei 121,01 und 121,02. Da sie direkt darunter ein "Kissen" aus riesigen Kauforders haben, gehen sie wenig Risiko ein, da mitzuschwimmen. Je steiler die Kurse steigen, desto mehr Parasiten werden angelockt und bilden somit für den großen Fisch ein Polster über seinem eigenen Sperrriegel.
Hinzu kommen die, die beim Brechstangen-Kaufen der Hedge Funds die Gegenseite einnahmen, da ja jeder neue Long-Position zugleich eine neue Short-Position bedeutet. Wenn diese in die dauernd weiter steigenden Kurse eindecken, unterstützen sie den Prozess der steigenden Kurse ebenfalls. Und:
Eine Gefahr, dass der Riegel gebrochen wird bestünde ja nur, wenn jemand massiv Short gehen will. Diejenigen, die nur aus Long-Positionen aussteigen und so von dem hohen Kursniveau profitieren wollen, wären schön blöd, das mit der Brechstange zu tun. Nein, die freuen sich über die guten Gewinne, die der große Fisch ihren bestehenden Long-Positionen beschert und bedienen in kleinen Stückchen die Parasiten, um nur langsam Positionen abzubauen und dem großen Fisch nicht bei seinem Spielchen des Kurse- Treibens zu irritieren. Und da die massiv und immer weiter steigenden Umsätze unterstreichen (neben diesem Kursverhalten, das durch seine Methode die Urheber klar aufzeigt), dass die Hedge Funds den Markt momentan dominieren und die fast alle nach dem Momentum traden (solange es weiter steigt, wird immer weiter Long gegangen) ist nicht zu erwarten, dass da ein großer Fisch aus seinem stumpfen Vorgehen ausschert und massiv Short gehen will.
Könnten die Kurse also auf ewig weiter steigen? Nein, und das lässt mich jetzt schon fröhlich grinsen. Denn die Kurseinbrüche beim Dax im Januar und beim Gold im März zeigen den Haken auf, den das Spielchen hat.
Der Haken an der Sache
Je schneller und höher die Kurse steigen, desto mehr "normale" Akteure steigen aus ihren Long-Positionen aus oder gehen sogar Short. Der Druck wird also höher. Vergessen wir nicht, dass der "faire" Marktpreis unter normalen Umständen von den meisten Öl-Experten im Bereich 70-90 Dollar gesehen wird.
Die Spieler werden also immer öfter "bedient", d.h. ihre Sperrriegel-Kauforders werden auch wirklich durch Gegenpositionen bedient. Ihre Positionen wachsen und wachsen. Die offenen, ausstehenden Kontrakte in den Öl-Futures haben momentan ein erstaunlich hohes Niveau erreicht und wachsen täglich schneller. Je riesiger die Positionen der Hedge-Funds aber werden, desto mehr stellt sich das Problem: Wie soll man aus Buchgewinnen echte machen, sprich wie in aller Welt kommt man aus diesen Positionen wieder raus? Denn diese gewaltige Größe war es, die den Spielern bei Dax und Gold das Genick brach, als plötzlich mehr Verkaufsdruck aufkam als zuvor.
Dazu muss man eines sehen: Um aus einer Long-Position im Future herauszukommen, muss man das Gegenteil tun. Man geht also Short und stellt sich dadurch dann neutral. Aber: Dazu bedarf es eines Gegenparts, d.h. es muss auch wirklich jemand diese Shortposition ermöglichen, indem dieser Gegenpart zum aktuellen Kurs LONG gehen will.
Dauerpositionen bringen langsame Verluste
Nicht besonders hilfreich ist, einfach in den Positionen drin zu bleiben um beim auslaufen eines Future- Kontraktes in die nächste Laufzeit zu rollen. Denn die jeweils nächsten Liefermonate liegen im Kurs immer niedriger. Der Liefertermin Juni 2009 notiert sechs Dollar unter dem Kurs des aktuellen Futures! Da man sehen muss, dass die Futures-Spieler ja nicht von einem Kurs von 120 Dollar ausgehen können und müssen sondern von dem, was sie de facto bezahlt haben (die Margin von 6,50 Dollar pro Barrel), ist das fatal.
Also MUSS man irgendwann die Positionen wieder verkleinern, indem man Short geht. Das heißt, die großen Fische und ihre Sperrriegel sind auf einmal auf schwindelerregend hohem Kursniveau weg und gesellen sich zu denen, die Short gehen. Da ihre eigenen Fallnetze fehlen (wären sie noch da, würden sie mit sich selber handeln) und das jeder Marktteilnehmer in den Orderbüchern SEHEN kann; da die Kurse zuvor massiv gestiegen sind und so zum Verkauf einladen ... wer wäre da bereit, solche Mengen Long zu gehen und den Spielern so aus den Positionen zu helfen, wenn jeder erfahrene Trader weiß, dass die nun unter Druck stehen?
Die durch das Futures-Spiel aufgebauten, überdimensionalen Long-Positionen bedeuten riesige, überdimensionale Short-Orders, um sie zu neutralisieren. Das erzeugt immensen Druck, sodass jeder clevere Trader aus der Gruppe der "Normalen" sich hütet, hier mitten in eine solche Aktion Long zu gehen. Und je weniger Long-Positionen auf aktuellem Level aufbauen wollen, desto weniger Positionen können die Spieler des Futures-Spiel abbauen.
Schiere Größe wird zum Fallstrick
Das erzeugt Druck. Und dazu kommt der nächste Haken: Wenn dieser Druck dazu führt, dass das Momentum negativ wird, heißt das laut Spielplan Short gehen. Das heißt, die Hedge Funds, die bereits aus ihren Long-Positionen raus sind, drehen auf Short. Dann will erst recht keiner Long gehen und das Tempo der Abwärtsbewegung beschleunigt sich erneut.
Das ist letzte Woche passiert, als die Rohölpreise plötzlich binnen zwei, drei Tagen um fast zehn Dollar fielen. Und dieser Absturz hätte sich fortgesetzt, wenn nicht die großen Spieler, bei denen bereits die Margin brannte, am 1. Mai noch mehr Geld in den Ring geworfen hätten. Da wurde der Ölpreis wieder über den 20 Tage-Durchschnitt gehievt und dadurch zugleich ein Verkaufssignal des Momentums verhindert. Zugleich wurde durch das Aufholen der Verluste dieses Tages zahllose Margin-Calls, d.h. Nachschusspflichten, verhindert, denn für die Berechnung zählt das Handelsende.
Fahnenstangen brechen. Immer.
Einmal sind sie also noch davon gekommen. Aber durch diese Rettungsaktion sind die Positionen ja NOCH größer geworden. Und man musste die alten Hochs knacken - einerseits, um wieder mehr Luft zum nächsten Margin-Call zu bekommen, andererseits, um neue Käufer anzulocken, die dadurch auf diesem Level Long gehen wollen und so helfen, dass die Spieler irgendwie ihre Positionen wenigstens reduzieren, wenn schon nicht loswerden können.
Sieht man diese "Studie" von Goldman Sachs, dem größten Hedge Fund-Betreiber, in diesem Licht, passt sie gut ins Bild. Das Kursziel von 200 Dollar klingt verlockend und die Aussage der positiv erzieherischen Wirkung von Hausse-Spekulanten auf uns alle klingt, als wolle man sich nicht nur selbst Absolution erteilen, sondern denen, die solche Spekulationen ablehnen, sanft einflüstern, es sei doch gar nichts dabei ... kauft, ihr tut sogar Gutes ... und helft den Hedge Funds, aus ihren Positionen zu kommen, damit ein anderer Long ist, wenn die Chose kippt!
Jeden Morgen steht ein neuer Idiot auf, sagt man. Aber SO blöd sind nicht viele. Und ich wette darauf, es sind in jedem Fall zu wenige, um den nächsten Kursrutsch wegen überladenen Hedge-Fund-Portfolios zu verhindern!
Herzliche Grüße
© Ronald Gehrt
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