Short-Squeeze oder mehr?
26.07.2008 | Klaus Singer
Nun ist sie gekommen, die zuletzt an dieser Stelle avisierte Rallye. Jede kräftige Aufwärtsbewegung beginnt mit einer ordentlichen Short-Squeeze. Im aktuellen Fall allerdings bedurfte es hierzu institutioneller Hilfe: Die SEC aktivierte eine Regel, die das Eingehen ungedeckter Short-Spekulationen bei einer Reihe von Aktien aus dem Finanzbereich verbietet. Das führte schließlich zu einer Eindeckung, woraufhin diese Aktien von den Toten auferstanden und die Rallye anstießen.
Bemerkenswert war dabei die relative Schwäche von Technologieaktien. Erst seit Wochenmitte scheint sich hier etwas zu tun. Üblicherweise sind Aufwärtsbewegungen ohne Führerschaft der Nasdaq-Indices recht brüchig. Dieser Schönheitsfehler könnte jetzt ausgebügelt werden.
Unterlegt wird die Rallye aus Intermarket-Sicht durch einen deutlichen Abverkauf von TBonds, was die Zinsen steigen lässt - und das nicht nur am langen Ende, sondern auch z.B. bei den 13-Wochen-TBills. Diese werden gerne als Kapital-Parkplatz benutzt. Sie rentierten zuletzt im Tief bei 1,35 Prozent und haben sich auf zeitweilig über 1,55 Prozent aufgeschwungen, was bedeutet, dass Kapital vom Parkplatz geholt wurde. Dass es nicht im Sparstrumpf verschwand, zeigt sich an der Aktienkursentwicklung unter deutlich anziehendem Volumen.
Hedge-Fonds drehten ihre zuletzt gewohnte Ausrichtung auf steigende Rohstoffe und Rohstoff-Aktien kombiniert mit Short-Spekulation in Finanztiteln gerade herum. Der Ölpreis purzelt und stützt die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Wiederbelebung, was wiederum bei vielen den Appetit auf Aktien steigert.
Gleichzeitig kann sich der Dollar gegen Euro befestigen. Die Marke von 1,60 wurde in dieser Woche erneut unter massiver publizistischer Schützenhilfe verteidigt. So sagte Plosser, Philly-Fed und im FOMC stimmberechtigt, die Geldpolitik sei bislang sehr nachgiebig. Das müsse sich ändern, die Zinsen müssten bald wieder steigen. Auch Finanzminister Paulson (ehemals Goldman Sachs) bekräftigt seine Unterstützung für einen starken Dollar. Dauer-Optimist John Lipsky, IWF, schlug in dieselbe Kerbe, der Euro sei überbewertet und der Rutsch des Dollar in den vergangenen Jahren habe ihn näher an einen mittelfristigen Gleichgewichtspunkt gebracht. Die Hauptfaktoren bei der Bildung globaler Ungleichgewichte seien jedoch weiterhin Chinas Geld- und Währungspolitik, sowie die hohen Ölpreise. Gegenwärtig trage die Eurozone die Hauptlast der Anpassungen.
Die Quartalszahlen zeichnen in der laufenden Berichtssaison ein sehr gemischtes Bild. Teilweise kamen sie (v.a. in der Finanzbranche) besser herein als befürchtet. Aus dem Technologiebereich überwogen hingegen die Enttäuschungen v.a. hinsichtlich der gegebenen Ausblicke. Hier spiegeln sich die flauen Konjunkturaussichten wider. Insgesamt rechnet man damit, dass die Gewinn um 15 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres sinken. Das wäre dann das vierte Quartal in Folge mit abnehmenden Erträgen.
Gemessen am Sentiment ist keine überzogen bullische Attitüde festzustellen, was eher bullisch zu werten ist. Die Auswertung der Volumenverteilung ist zu Wochenbeginn in Akkumulation gekippt. Schon in der zweiten Juni-Häfte, war die Distribution in fallende Kurse hinein kurz von Akkumulation abgelöst worden. Als sich aber zeigte, dass noch kein tragfähiger Boden existierte, begann die "Material-Verteilung" erneut und zog den S&P 500 weitere 70 Punkte nach unten. (Entsprechende Charts sind über diesen Artikel auf der Web-Seite der TimePattern einsehbar).
Jetzt deutet vieles darauf hin, dass ein Zwischenboden eingezogen worden ist. Ganz aktuell allerdings dürften die Zeichen eher auf Konsolidierung stehen. Die Nagelprobe hier wird dabei sein, ob der Nasdaq relative Stärke aufbauen kann.
Schaut man sich die Quartalszahlen der Finanzinstitute genauer an, so sieht das Bild nicht mehr so sehr nach Entspannung aus wie auf den ersten Anschein. Nouriel Roubini macht einen Mix aus kreativer Bilanzierung, von den Regulierungsbehörden gestütztes Aussitzen/Vortragen der Verluste bis hin zu Gewinnmanipulation aus.
Nach wie vor liegt der Schlüssel der Finanzkrise bei der Entwicklung der Hauspreise. Wenn diese um insgesamt 30 Prozent nominal (bis jetzt rund minus 15 Prozent), bzw. 40 Prozent real nachgeben, dürften Kreditverluste durch Pleiten usw. auf ca. 1 Bill. Dollar kommen, rechnet Roubini aus. Das macht etwa 75 Prozent des Eigenkapitals der US-Finanzinstitute aus. Zudem müssten dann bis zu 50 Prozent der von Fannie Mae and Freddie Mac besicherten Hypotheken nationalisiert werden. Das wären in absoluten Zahlen rund 2,5 Bill. Dollar. Zuletzt war an dieser Stelle Bezug genommen worden auf eine Schätzung von S&P, wonach das staatliche Heraushauen von beiden zwischen 420 Mrd. bis 1,1 Bill. Dollar kostet - den Steuerzahler.
Die Schätzungen gehen auseinander, wie viele Finanzinstitutionen im Gefolge der Finanzkrise noch pleite gehen. Einige sprechen von 300 vorwiegend kleineren, regionalen Banken, wenn es zu einer Rezession wie in den 1980er Jahren oder der Anfang 1990 kommt. Die Einlagensicherung FDIC führt eine Liste mit gegenwärtig 90 Institutionen.
Der FDIC hält gemäß gesetzlichen Vorgaben einen Fonds in der Größe von 1,25 Prozent der versicherten Einlagen, das sind absolut 53 Mrd. Dollar, die in US-Staatsanleihen angelegt sind. Der Bankrott von IndyMac alleine führt schon zu einem Mittelabfluss von 4 bis 8 Mrd. Dollar, wodurch sich das Reserve-Verhältnis auf knapp über ein Prozent reduziert. Man geht davon aus, dass die Prämien im September auf 10 bis 15 Cent je 100 Dollar Einlage steigen, gegenwärtig sind 5 bis 7 Cent fällig. In der "Savings and Loan"-Krise der 1980er Jahre waren sie bis auf 23 Cent gestiegen. Eine Untersuchung des FDIC selbst legt nahe, dass Risiko einer Insolvenz des Einlagensicherungsfonds deutlich gestiegen ist.
Der Rettungsplan von Fannie und Freddie dürfte jetzt alle politischen Hürden reibungslos passieren. Das zuständige Kongress-Büro schätzt, dass auf den Steuerzahler in den Etats 2009 und 2010 jeweils 25 Mrd. Dollar zukommen, warnt aber gleichzeitig vor dem Risiko deutlich höherer Belastungen. Durch die Federal Housing Administration sind 300 Mrd. Dollar an Hypotheken besichert. Hier wird für die Jahre 2008 bis 2013 mit weiteren jeweils 2,7 Mrd. Dollar an Ausfallkosten gerechnet.
Die Gerüchte über eine Pleite von GM und Ford reißen nicht ab. Das ist zunächst nichts weiter als ein Beleg für die schlechte Stimmung bei den Aktionären. Schaut man beim VIX, dem Angst-Index, genauer hin, so lassen sich in seiner Korrelation zum S&P 500 Index Anzeichen einer Entwicklung zu einer "wall of worry" ausmachen. "Anzeichen" - mehr erst einmal nicht, aber auch das stützt gegenwärtig eine bullische Attitüde. (Wobei angesichts der weiter bestehenden gravierenden Risiken besser von "ditch of ignorance" gesprochen werden sollte.)
Wie geht es mit anderen Basiswerten weiter? Die Prognosen der TimePatternAnalysis sehen übergeordnet weiteres Abwärtspotenzial bei Edelmetallen. Bei Gold z.B. liegt ein Test des Bereichs bei 870 in der Luft. Beim Öl dürfte das zuletzt markierte Topp bei rund 145 für längere Zeit Bestand haben, auch wenn mit einem Rebound in diese Richtung gerechnet werden muss. TBonds dürften übergeordnet weiter unter Verkaufsdruck stehen, nachdem bei der 30-jährigen Rendite zuletzt die langfristig bedeutende Marke von 4,65 Prozent überwunden werden konnte. Das Währungspaar Dollar/Yen hat noch Aufwärtspotenzial über die kritische Zone oberhalb von 108 hinaus. Bei Euro/Yen ist die Luft hingegen weitgehend raus. Das stützt die Perspektive für Euro/Dollar: Hier steht zunächst die Zone bei 1,54/1,55 zum Test an. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass das Niveau bei 1,60 auch längerfristig als Deckel Bestand hat.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Bemerkenswert war dabei die relative Schwäche von Technologieaktien. Erst seit Wochenmitte scheint sich hier etwas zu tun. Üblicherweise sind Aufwärtsbewegungen ohne Führerschaft der Nasdaq-Indices recht brüchig. Dieser Schönheitsfehler könnte jetzt ausgebügelt werden.
Unterlegt wird die Rallye aus Intermarket-Sicht durch einen deutlichen Abverkauf von TBonds, was die Zinsen steigen lässt - und das nicht nur am langen Ende, sondern auch z.B. bei den 13-Wochen-TBills. Diese werden gerne als Kapital-Parkplatz benutzt. Sie rentierten zuletzt im Tief bei 1,35 Prozent und haben sich auf zeitweilig über 1,55 Prozent aufgeschwungen, was bedeutet, dass Kapital vom Parkplatz geholt wurde. Dass es nicht im Sparstrumpf verschwand, zeigt sich an der Aktienkursentwicklung unter deutlich anziehendem Volumen.
Hedge-Fonds drehten ihre zuletzt gewohnte Ausrichtung auf steigende Rohstoffe und Rohstoff-Aktien kombiniert mit Short-Spekulation in Finanztiteln gerade herum. Der Ölpreis purzelt und stützt die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Wiederbelebung, was wiederum bei vielen den Appetit auf Aktien steigert.
Gleichzeitig kann sich der Dollar gegen Euro befestigen. Die Marke von 1,60 wurde in dieser Woche erneut unter massiver publizistischer Schützenhilfe verteidigt. So sagte Plosser, Philly-Fed und im FOMC stimmberechtigt, die Geldpolitik sei bislang sehr nachgiebig. Das müsse sich ändern, die Zinsen müssten bald wieder steigen. Auch Finanzminister Paulson (ehemals Goldman Sachs) bekräftigt seine Unterstützung für einen starken Dollar. Dauer-Optimist John Lipsky, IWF, schlug in dieselbe Kerbe, der Euro sei überbewertet und der Rutsch des Dollar in den vergangenen Jahren habe ihn näher an einen mittelfristigen Gleichgewichtspunkt gebracht. Die Hauptfaktoren bei der Bildung globaler Ungleichgewichte seien jedoch weiterhin Chinas Geld- und Währungspolitik, sowie die hohen Ölpreise. Gegenwärtig trage die Eurozone die Hauptlast der Anpassungen.
Die Quartalszahlen zeichnen in der laufenden Berichtssaison ein sehr gemischtes Bild. Teilweise kamen sie (v.a. in der Finanzbranche) besser herein als befürchtet. Aus dem Technologiebereich überwogen hingegen die Enttäuschungen v.a. hinsichtlich der gegebenen Ausblicke. Hier spiegeln sich die flauen Konjunkturaussichten wider. Insgesamt rechnet man damit, dass die Gewinn um 15 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres sinken. Das wäre dann das vierte Quartal in Folge mit abnehmenden Erträgen.
Gemessen am Sentiment ist keine überzogen bullische Attitüde festzustellen, was eher bullisch zu werten ist. Die Auswertung der Volumenverteilung ist zu Wochenbeginn in Akkumulation gekippt. Schon in der zweiten Juni-Häfte, war die Distribution in fallende Kurse hinein kurz von Akkumulation abgelöst worden. Als sich aber zeigte, dass noch kein tragfähiger Boden existierte, begann die "Material-Verteilung" erneut und zog den S&P 500 weitere 70 Punkte nach unten. (Entsprechende Charts sind über diesen Artikel auf der Web-Seite der TimePattern einsehbar).
Jetzt deutet vieles darauf hin, dass ein Zwischenboden eingezogen worden ist. Ganz aktuell allerdings dürften die Zeichen eher auf Konsolidierung stehen. Die Nagelprobe hier wird dabei sein, ob der Nasdaq relative Stärke aufbauen kann.
Schaut man sich die Quartalszahlen der Finanzinstitute genauer an, so sieht das Bild nicht mehr so sehr nach Entspannung aus wie auf den ersten Anschein. Nouriel Roubini macht einen Mix aus kreativer Bilanzierung, von den Regulierungsbehörden gestütztes Aussitzen/Vortragen der Verluste bis hin zu Gewinnmanipulation aus.
Nach wie vor liegt der Schlüssel der Finanzkrise bei der Entwicklung der Hauspreise. Wenn diese um insgesamt 30 Prozent nominal (bis jetzt rund minus 15 Prozent), bzw. 40 Prozent real nachgeben, dürften Kreditverluste durch Pleiten usw. auf ca. 1 Bill. Dollar kommen, rechnet Roubini aus. Das macht etwa 75 Prozent des Eigenkapitals der US-Finanzinstitute aus. Zudem müssten dann bis zu 50 Prozent der von Fannie Mae and Freddie Mac besicherten Hypotheken nationalisiert werden. Das wären in absoluten Zahlen rund 2,5 Bill. Dollar. Zuletzt war an dieser Stelle Bezug genommen worden auf eine Schätzung von S&P, wonach das staatliche Heraushauen von beiden zwischen 420 Mrd. bis 1,1 Bill. Dollar kostet - den Steuerzahler.
Die Schätzungen gehen auseinander, wie viele Finanzinstitutionen im Gefolge der Finanzkrise noch pleite gehen. Einige sprechen von 300 vorwiegend kleineren, regionalen Banken, wenn es zu einer Rezession wie in den 1980er Jahren oder der Anfang 1990 kommt. Die Einlagensicherung FDIC führt eine Liste mit gegenwärtig 90 Institutionen.
Der FDIC hält gemäß gesetzlichen Vorgaben einen Fonds in der Größe von 1,25 Prozent der versicherten Einlagen, das sind absolut 53 Mrd. Dollar, die in US-Staatsanleihen angelegt sind. Der Bankrott von IndyMac alleine führt schon zu einem Mittelabfluss von 4 bis 8 Mrd. Dollar, wodurch sich das Reserve-Verhältnis auf knapp über ein Prozent reduziert. Man geht davon aus, dass die Prämien im September auf 10 bis 15 Cent je 100 Dollar Einlage steigen, gegenwärtig sind 5 bis 7 Cent fällig. In der "Savings and Loan"-Krise der 1980er Jahre waren sie bis auf 23 Cent gestiegen. Eine Untersuchung des FDIC selbst legt nahe, dass Risiko einer Insolvenz des Einlagensicherungsfonds deutlich gestiegen ist.
Der Rettungsplan von Fannie und Freddie dürfte jetzt alle politischen Hürden reibungslos passieren. Das zuständige Kongress-Büro schätzt, dass auf den Steuerzahler in den Etats 2009 und 2010 jeweils 25 Mrd. Dollar zukommen, warnt aber gleichzeitig vor dem Risiko deutlich höherer Belastungen. Durch die Federal Housing Administration sind 300 Mrd. Dollar an Hypotheken besichert. Hier wird für die Jahre 2008 bis 2013 mit weiteren jeweils 2,7 Mrd. Dollar an Ausfallkosten gerechnet.
Die Gerüchte über eine Pleite von GM und Ford reißen nicht ab. Das ist zunächst nichts weiter als ein Beleg für die schlechte Stimmung bei den Aktionären. Schaut man beim VIX, dem Angst-Index, genauer hin, so lassen sich in seiner Korrelation zum S&P 500 Index Anzeichen einer Entwicklung zu einer "wall of worry" ausmachen. "Anzeichen" - mehr erst einmal nicht, aber auch das stützt gegenwärtig eine bullische Attitüde. (Wobei angesichts der weiter bestehenden gravierenden Risiken besser von "ditch of ignorance" gesprochen werden sollte.)
Wie geht es mit anderen Basiswerten weiter? Die Prognosen der TimePatternAnalysis sehen übergeordnet weiteres Abwärtspotenzial bei Edelmetallen. Bei Gold z.B. liegt ein Test des Bereichs bei 870 in der Luft. Beim Öl dürfte das zuletzt markierte Topp bei rund 145 für längere Zeit Bestand haben, auch wenn mit einem Rebound in diese Richtung gerechnet werden muss. TBonds dürften übergeordnet weiter unter Verkaufsdruck stehen, nachdem bei der 30-jährigen Rendite zuletzt die langfristig bedeutende Marke von 4,65 Prozent überwunden werden konnte. Das Währungspaar Dollar/Yen hat noch Aufwärtspotenzial über die kritische Zone oberhalb von 108 hinaus. Bei Euro/Yen ist die Luft hingegen weitgehend raus. Das stützt die Perspektive für Euro/Dollar: Hier steht zunächst die Zone bei 1,54/1,55 zum Test an. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass das Niveau bei 1,60 auch längerfristig als Deckel Bestand hat.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de