Eine kleine Glosse zur Lage der Börsennation
22.10.1999 | Dipl.-Kfm. Robert Bock
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind ein amerikanischer Familienvater in seinen vierziger Jahren, sie verdienen gut, sie zahlen monatlich für Ihre Altersvorsorge in einen Mutual Fund ein - und in den letzten zehn Jahren ging es so schön stetig bergauf, daß sie das Gefühl haben, die Rente ist bereits jetzt gesichert. Folglich ist es ja nicht mehr nötig weiterhin so viel einzuzahlen, sondern nun muß die Ausbildung der Kinder, müssen, Reisen, Autos, ein neues Haus in der besten Gegend finanziert werden - und vom Leben will man schließlich auch was haben. Man muß schließlich zeigen was man hat. "Keep up with Jones" nennen dies die Amis gerne.
Schweifen Sie gedanklich kurz ab und erinnern Sie sich bitte an die negative Sparquote in den USA. O.K. Was geschieht nun aber, wenn die Einzahlungen in die Fonds stagnieren? Rückläufig werden? Was passiert, wenn eine kleine Krise - wie auch immer ausgelöst - dafür sorgt, daß dem Durchschnittsamerikaner klar wird, daß seine Rente, er ist Mitte/Ende 40! auf wackeligen Beinen steht? Zum einen werden die Fonds so flott es geht abgestoßen, zum anderen wird wieder - nach alter Väter Sitte - gespart und der Konsum zurückgefahren. Das ist der Stoff, aus dem echte Wirtschaftskrisen und das Ende von Jobwundern geschnitzt sind. Auch das Internet wird daran nicht viel ändern können, da seine Rolle als Wirtschaftssektor noch viel zu unbedeutend ist.
Die Besitzer von Internetaktien werden vielmehr die sein, die verantwortlich dafür sein werden, daß es lange dauern wird, bis das breite Volk wieder an der Börse mitmischen wird, denn die Lemminge, die heute die Börsenboard überschwemmen und mit ihren Kommentaren unter Beweis stellen, daß sie nicht den blassesten Schimmer vom wahren Wesen der Kapitalmärkte haben, die auf gut Glück jeden Schrott kaufen, der am Neuen Markt emittiert wird, die sich Aktien eines Fischereinetze-Herstellers in den USA kaufen, weil das Wörtchen "Net" in der Firma enthalten ist (keine Erfindung von mir, sondern wirklich passiert) - die lieber ihr letztes Hemd für tumbe Signalsysteme hergeben, als ihr Gehirn auch nur fünf Minuten selbst anzustrengen, die werden teueres Lehrgeld bezahlen müssen und sich derart die Finger verbrennen, daß ihnen danach schon ein Bundesschatzbrief ein Übermaß an Nervenkitzel bereiten wird.
Ich amüsiere mich derzeit köstlich, wenn ich so durch die virtuellen Weiten des Investmentkosmos schweife und so viel Unbedarftheit dort erlebe. Man gibt sich kollektiv der Überzeugung oder Hoffnung hin, daß man selbst und in jedem Falle rechtzeitig vor dem "Crash" (denn eine zähe und langwierige "Korrektur" kann sich keiner wirklich vorstellen; kürzlich habe ich in einem Board erlebt, daß einige Leute nicht mal mit dem Namen "Leuschel" etwas anzufangen wußten (!!)) den Ausstieg mit dicken Gewinnen, die man mit dem Taschengeld, der "Stütze" oder gar auf Pump erzielt hat, schaffen wird. Dies ist in meinen Augen eine klare Illusion. An der Börse wird nicht geklingelt - weder zum Ein- noch zum Ausstieg!
Ich versuche einmal für alle von "Kontrollillusion" befallene Zeitgenossen die Stufen des "fortschreitenden psychischen Zerfalls" im Laufe einer Baisse zu skizzieren und ich verspreche Ihnen, wenn Sie heute zu denen gehören, die glauben, es geht an der Börse ewiglich bergauf, Sie werde genau dies erleben:
© Robert Bock
www.Elliottwave-Investor.de
Schweifen Sie gedanklich kurz ab und erinnern Sie sich bitte an die negative Sparquote in den USA. O.K. Was geschieht nun aber, wenn die Einzahlungen in die Fonds stagnieren? Rückläufig werden? Was passiert, wenn eine kleine Krise - wie auch immer ausgelöst - dafür sorgt, daß dem Durchschnittsamerikaner klar wird, daß seine Rente, er ist Mitte/Ende 40! auf wackeligen Beinen steht? Zum einen werden die Fonds so flott es geht abgestoßen, zum anderen wird wieder - nach alter Väter Sitte - gespart und der Konsum zurückgefahren. Das ist der Stoff, aus dem echte Wirtschaftskrisen und das Ende von Jobwundern geschnitzt sind. Auch das Internet wird daran nicht viel ändern können, da seine Rolle als Wirtschaftssektor noch viel zu unbedeutend ist.
Die Besitzer von Internetaktien werden vielmehr die sein, die verantwortlich dafür sein werden, daß es lange dauern wird, bis das breite Volk wieder an der Börse mitmischen wird, denn die Lemminge, die heute die Börsenboard überschwemmen und mit ihren Kommentaren unter Beweis stellen, daß sie nicht den blassesten Schimmer vom wahren Wesen der Kapitalmärkte haben, die auf gut Glück jeden Schrott kaufen, der am Neuen Markt emittiert wird, die sich Aktien eines Fischereinetze-Herstellers in den USA kaufen, weil das Wörtchen "Net" in der Firma enthalten ist (keine Erfindung von mir, sondern wirklich passiert) - die lieber ihr letztes Hemd für tumbe Signalsysteme hergeben, als ihr Gehirn auch nur fünf Minuten selbst anzustrengen, die werden teueres Lehrgeld bezahlen müssen und sich derart die Finger verbrennen, daß ihnen danach schon ein Bundesschatzbrief ein Übermaß an Nervenkitzel bereiten wird.
Ich amüsiere mich derzeit köstlich, wenn ich so durch die virtuellen Weiten des Investmentkosmos schweife und so viel Unbedarftheit dort erlebe. Man gibt sich kollektiv der Überzeugung oder Hoffnung hin, daß man selbst und in jedem Falle rechtzeitig vor dem "Crash" (denn eine zähe und langwierige "Korrektur" kann sich keiner wirklich vorstellen; kürzlich habe ich in einem Board erlebt, daß einige Leute nicht mal mit dem Namen "Leuschel" etwas anzufangen wußten (!!)) den Ausstieg mit dicken Gewinnen, die man mit dem Taschengeld, der "Stütze" oder gar auf Pump erzielt hat, schaffen wird. Dies ist in meinen Augen eine klare Illusion. An der Börse wird nicht geklingelt - weder zum Ein- noch zum Ausstieg!
Ich versuche einmal für alle von "Kontrollillusion" befallene Zeitgenossen die Stufen des "fortschreitenden psychischen Zerfalls" im Laufe einer Baisse zu skizzieren und ich verspreche Ihnen, wenn Sie heute zu denen gehören, die glauben, es geht an der Börse ewiglich bergauf, Sie werde genau dies erleben:
- Phase 1
- Phase 2
- Phase 3
- Phase 4
- Phase 5
- Phase 6
- Phase 7
Die Kurse fallen, die Profis raten zum "Buy on dips", sie sagen sich, daß dies eine erstklassige Gelegenheit ist, die "Lieblinge" billig einzusammeln. Verbilligen der bestehenden Positionen ist angesagt! Sie lachen die mahnenden Stimmen wie gewohnt aus und drehen den Weltuntergangspropheten mit ihren Wellenzählereien eine lange Nase.
Die Kurse fallen weiter, ihr Cash wird knapp und nun heißt es für Sie: Zusehen. Sie verfolgen die Börse (zur Freude Ihrer Partnerin) nicht mehr so intensiv wie sonst und freuen sich, wenn Heiko Thieme in der Telebörse auftritt. Jawohl, das sind die berühmten "Ostereier unter dem Christbaum" und "der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist", usw, usw. Sie versuchen weiteren Cash flüssig zu machen, den Sie in die Schlacht werfen könnten und schreiben Herrn Brichta eine Mail, daß doch der Thieme öfter auftreten solle, was dieser auch gerne verspricht, nachdem er selbst ein wenig gequält aus seinem braunen Anzug hervorlächelt. Sie fragen sich, ob Herr Brichta Herrn Siegert schon zum Essen eingeladen hat, oder ob er Mac-Gutscheine sammelt.
Ihnen ist gar nicht gut zumute und Sie erkundigen sich nur noch über die Schlußkurse. Im Betrieb redet man bevorzugt wieder über Frauen und die Bundesliga (sofern die Clubs bis dahin noch nicht an der Börse sein sollten). Sie schlafen schlecht ein und fragen sich, wie Sie nur so unvorsichtig haben sein können, alles Geld auf diesen Mist zu setzen, den Ihnen ein dubioses Börsenpamphlet eines älteren Herren, der sich in der Werbung so leger an seinen Kamin lümmelte, empfohlen hat. "Gier frißt Hirn" bekommt eine völlig neue Bedeutung für Sie und Sie haben das Gefühl, daß der Opa irgendwie schlauer zu sein scheint, als Sie. Der hat die Kohle aus Ihrem Abo sicher.... Wo und wann kann man da kündigen? Es reicht ja, wenn man ab und zu die vergleichsweise billige Bahnhofspostille seines Filius konsultiert.
Die nackte Angst ergreift Sie und um sich, denn die Kurse fallen, nachdem immer mal wieder ein paar gute Tage, und sogar Wochen dabei waren, auf immer neue Lows. Sie könnten sich selbst ohrfeigen, daß Sie wieder mal die günstige Gelegenheit verpaßt haben mit einem blauen Auge auszusteigen, weil Sie sich der Hoffnung hingegeben hatten, daß nunmehr den verdammten Bären verdientermaßen das Fell über die Ohren gezogen wird. Stattdessen sind Sie wieder der Angeschmierte und verfluchen den Tag, an dem Sie ihr erstes Depot eröffnet haben. Sie rechnen im Stillen, was man mit Schatzbriefen verdienen hätte können und der Konjunktiv bestimmt zunehmend Ihr Denken. Ob sich der arrogante Lackaffe aus der Consors-Werbung noch seine Sushis reinpfeift, oder ist der auch schon - wie Sie - auf Pommes Rot-Weiß umgestiegen? Der Druck wächst, sie sind übel drauf, Ihre Freunde meiden Sie, weil man kein gemeinsames Thema mehr hat, über das man reden möchte. Zum Bahnhof gehen Sie nur noch sporadisch.
Alle Abos sind gekündigt, ntv aus dem Programmspeicher Ihres Fernsehers gelöscht, Ihr Anlageberater wechselt vorsichtshalber die Straßenseite, wenn er sie sieht - doch es hilft nichts. Die Börse, die weiter in Schüben kollabiert und schon mehr als die Hälfte Ihrer Ersparnisse vernichtet hat, scheint nun entgültig (in Ihren, des ehemaligen Superbullen Augen) nie mehr steigen zu wollen. Sie überlegen sich, ob ihr restliches Vermögen reichen würde, um einen Killer auf Herrn Acampora anzusetzen. Na ja, man denkt ja an so manches... Sie fühlen sich wie Frank, der Held in "Und täglich grüßt das Murmeltier": Jeder Börsentag gleicht dem anderen, die Kurse haben verlernt zu steigen. Friedhelm Busch, der das Schlamassel ja schon vor Jahren kommen sehen hat, wie er stündlich zweimal betont, klingt beinahe wie Filmheld Frank, der Wetterfrosch: "Es wird kalt werden. Und es wird dunkel werden. Und so wird es lange, lange bleiben.... ."
Sie haben die Schnauze gestrichen voll - und nicht einmal Herr Thieme klingt mehr überzeugend, nachdem er mal wieder die goldene Zitrone für den miestesten Fonds gewonnen hat. Sie schenken nun voller Hoffnung Herrn Staud Ihr Vertrauen, der nach nunmehr 6 Monaten Baisse (zusammen mit Herrn Brichta) gestern vom Bullen- ins Bärenlager gewechselt ist und mit seinen Indikatoren versucht, die Theorie populär zu machen, daß der DAX demnächst ins Negativterritorium vorstoßen könne. Dies kommt dann auch Ihnen irgendwie dubios vor (warum nur nicht Staud's "DAX-8000-Kampagne", verdammt nochmal?) und sie machen völlig entnervt und aller Träume beraubt Kasse, zählen nicht mal genau nach, was an Restvermögen geblieben ist, aber seit Monaten fühlen Sie sich nun endlich wieder einmal richtig gut. Stille, Ruhe, Glücklichsein, einfach nur an nichts mehr denken ... vor allem nicht an die Börse. Börse? So fern, so weit weg ... und irgendwie so irreal.
Wenige Tage, nachdem Sie Kasse gemacht haben, wird (ohne daß sie davon Notiz nehmen könnten, da jetzt nicht einmal mehr die Cosmopolitan Ihrer Frau einen Börsenteil besitzt) die Prognose dieser widerwärtigen Elliott-Waver, auf deren Korrekturwarnungen Sie retrospektiv doch lieber mehr gegeben hätten, wahr und die Börse startet einen neuen, dynamischen Upmove, der den DAX in wenigen Monaten wieder in die Nähe der alten Highs katapultiert. Das ganze aber bei deutlich dünneren Umsätzen als vormals, denn Sie und Ihre Kollegen haben die Freuden des Festgeldes kennen- und schätzengelernt. Es wird lange dauern, bis Sie wieder mitmischen werden und die Inets liegen wie Blei in den Orderbüchern der Broker....
© Robert Bock
www.Elliottwave-Investor.de