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Papierverkäufe, Physische Käufe

06.08.2008  |  Theodore Butler
Die jüngsten Zahlen bestätigen ein wiederkehrendes Muster beim Silberpreis - nämlich der Konflikt zwischen dem, was am COMEX-Markt für Papier-Futures passiert und dem, was am physischen Markt vor sich geht. Um es einfach auszudrücken: Die jüngsten Verkäufe von Long-Positionen haben die physischen Käufe in den Schatten gestellt, was zu einem kurzfristigen Sell-Off führte.

Und natürlich habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder darüber geschrieben, weil es schon so oft vorgekommen ist. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich endlich aufhören kann, mich ständig zu wiederholen. Der Papiermarkt sollte nämlich nicht bestimmen, zu welchen Preisen am physischen Markt verkauft wird. Ich glaube daran, dass dieser Tag auch kommen wird - eher früher als später.

Der letzte Commitment of Traders Report (COT) bestätigt, dass spekulative Long-Positionen seit den jüngsten Spitzen, die sich vor zwei Wochen ausgebildet hatten, verkauft wurden. In meinem Artikel vom 23.07. schrieb ich an einer Stelle ("Auf der Kippe") auch über die extrem negativen COT-Stände. Seit dieser Zeit haben Spekulanten verkauft und Händler glattgestellt - etwas mehr als 11.000 Silber-Futures-Kontrakte (55 Millionen Unzen) und insgesamt fast 27.000 Gold-Futures-Kontrakte (2,7 Millionen Unzen). Extrapoliert vom Stichtag, Dienstag, ist es noch zu weiteren Liquidierungen gekommen. Deswegen ist die Liquidierung schon fortgeschritten und wir befinden uns jetzt eher in der Nähe eines Tiefs, als in der Nähe eines Hochs.

Silber ist schon weiter im Liquidierungsprozess als Gold, wenn man sieht, dass hier, relativ gesehen, mehr Kontrakte liquidiert wurden, als beim jüngsten Preisansturm zuvor etabliert wurden. Aber die 4 größten Silberhändler halten, laut COT-Angaben vom 29.07, immer noch eine viel stärker konzentrierte Netto-Short-Position - 59.286 Kontrakte (fast 297 Millionen Unzen) - als normal wäre. Die Zahlen kommen aufgrund der übergreifenden Liquidierung zustande und sie zeigen, dass auch kurzfristig weiterhin Gefahr besteht. Dies und auch die Nähe der 200-Tage-Durchschnitte beim Silber und beim Gold deuten auf die Möglichkeit eines finalen Auskehrens hin. Wenn dieses Auskehren kommt, sollte aggressiv gekauft werden.


Silber-Triage

In medizinischer Hinsicht bezieht sich der Begriff Triage auf die Bereitstellung von Hilfe für die Bedürftigsten unter den zu versorgenden Patienten. Patienten, deren Zustand am schlimmsten oder auch lebensbedrohlich ist, bekommen sofortige Zuwendung. So sollte es laufen. Vor kurzem habe ich darüber nachgedacht, wie dieses Wort mit Silber in Verbindung steht. Was mich zu diesen Gedanken veranlasst, sind die Investitionsflüsse ins Silber.

Schon gegen Anfang des Jahres konnten wir sehen, dass es zu bedeutenden Zuflüssen in den großen Silber-ETF kam, in einer Periode sinkender Preise. In etwas mehr als einer Woche wurden die SLV-Bestände um 6 Millionen Unzen aufgestockt, wobei die Gesamtbestände des SLV auf fast 202 Millionen Unzen stiegen - das entsprach einem Plus von 55 Millionen Unzen seit ca. Ende Dezember. Zu den jüngsten Einlagerungen kam es vor dem Hintergrund rückläufiger Metallbestände im großen Gold-ETF, GLD, und während einer Periode niedrigen Handelsvolumens im SLV. Die Einlagerungen im SLV waren also mit anderen Worten gewissermaßen gegen die Intuition.

Diese "unpassenden" Einlagerungen in den SLV lassen sich am plausibelsten damit erklären, dass Anteile noch vor den eigentlichen Ankauf von physischem Metall verkauft wurden. Automatisch kann das wiederum nur bedeuten, dass die verkauften Anteile leerverkauft wurden, wonach Zeit bestand, das Metall zu kaufen und es zum Verwalter zu liefern. Diese Praxis steht dem im Prospekt beschriebenen Ablauf entgegen.

Erst kürzlich habe ich über nicht gemeldete Leerverkäufe am SLV geschrieben. Die jüngsten Einlagerungen widerlegen meine These nicht. Es gereicht Barclays zur Ehre, dass sie Anstrengungen unternahmen, sicherzustellen, dass das Silber am Ende auch wirklich eingelagert wurde. Denkt man an die jüngsten Preisbewegungen, die auf Liquidierungen im SLV hindeuten, und nimmt man die jüngsten Einlagerungen hinzu, dann würde ich schätzen, dass die nackte Short-Position im SLV insgesamt von 25 bis 50 Millionen Unzen auf 15 bis 40 Millionen Unzen zurückgegangen ist.

Unabhängig davon gab der Central Fund of Canada mehr Anteile heraus, was den Kauf von ungefähr 3,5 Millionen Unzen Silber mit sich brachte. Man nimmt an, dass es mehrere Monate dauert, bis das eigentliche Metall im Fond ankommen wird.

Was hat das jetzt mit Triage zu tun? Für mich hat es damit in jeder Hinsicht etwas zu tun. Die Verzögerungen bei der Einlagerung von Silber in den SLV und in den Central Fund und auch die anhaltenden Angebotsspannungen bei den Einzelhandelsformen des Investitionssilbers werden immer deutlicher. In der Rohstoffwelt kommen Lieferverspätungen Knappheiten gleich. Wie stark diese Verspätungen wahrgenommen werden, hängt davon ab, wessen Lieferungen mit Verspätung ankommen. Wer sind die Patienten?

Beim Silber sind die entscheidenden Patienten die industriellen Verbraucher. Sie brauchen und verlangen die schnellste Zuwendung und Behandlung. Die Bedürfnisse der Investoren zählen weniger stark. Lieferverspätungen werden die Silberinvestoren nicht umbringen. Solche Verspätungen würden aber den industriellen Verbrauchern großen Schaden zufügen. Sie würden panisch reagieren und Großeinkäufe beim Silber tätigen, um damit Lagerbestände zum Schutz vor zukünftigen Verspätungen aufzubauen. Das würde die Silberknappheit auf die Welt ausweiten und die Preise zum Explodieren bringen.

Die Doktoren am Silbermarkt, die Händler, wissen das nur zu gut. Wenn sie müssen und nicht genug vorrätig ist, werden Lieferungen an Investoren verzögert, um die Lieferungen an industrielle Verbraucher aufrecht zu erhalten und nicht abreißen zu lassen und um eine Panik zu vermeiden. Gerade weil die großen Händler aufs Heftigste short sind. Aber sie wissen, dass es sich dabei nur um eine kurzfristige Not-OP-Aktion handelt und nicht um eine langfristige Lösung. Auch Sie sollten das wissen.


© Theodore Butler

(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 04.08.2008 auf der Website www.investmentrarities.com veröffentlicht.

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