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Rezession - Talsohle noch längst nicht erreicht

21.08.2008  |  Klaus Singer
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Anders gerechnet: Die Unternehmensgewinne lagen vor dem Beginn der aktuellen Rezession bei 14 Prozent des BIP, aktuell liegt der Wert noch bei 12 Prozent. Im Verlauf der Rezession findet erfahrungsgemäß eine Reduktion um rund 25 Prozent gegenüber dem Wert im Topp des Geschäftszyklus auf rund 7 Prozent Profit-Anteil am BIP statt. Dem entspricht auch ein mittlerer Kursrückgang im Verlauf einer “normalen” Rezession um ein Viertel. 7 Prozent als “Zielvorgabe” sind im Vergleich zu den 14 Prozent jedoch ein Rückgang um 50 Prozent, also eine Halbierung gegenüber dem Wert vor Beginn der Rezession. Das ist nicht unplausibel, geht doch ein großer Teil der starken Gewinnentwicklung der vergangenen Jahre auf die extrem hohen Hebel im Finanzbereich zurück. Das Ergebnis wäre eine Halbierung des S&P 500 von seinem Topp bei 1560 aus.

Übergeordnet sieht der Analyst uns in einem säkularen Bär-Markt, der im Jahre 2000 begann (ich fühle mich an den Kondratieff-Winter erinnert, dessen Beginn sich ebenfalls da festmachen lässt). Er vergleicht die Situation mit 1929, 1955, bzw. 1966 und 1982. Das einzige Finanzmarkt-Segment mit einer über zehn Jahre inflationsbereinigt negativen Performance ist der S&P 500. Die Hausse zwischen 2003 und 2007 war demzufolge lediglich ein zyklischer Bull-Markt im Rahmen des säkularen Bär-Marktes, wobei die Hälfte dieser Haussebewegung auf die nie da gewesenen Hebel im Finanzbereich zurückgehe. Die aktuelle Phase am Aktienmarkt klassifiziert Rosenberg als zyklischen Bär-Markt im säkularen Bär-Markt.

Nach dem Platzen der Technologie-Blase, gefolgt vom Platzen der Hauspreisblase, der wiederum die Kreditblase folgte: Was sind die Kriterien für eine positive Wende?

Rosenberg zeigt drei Punkte auf: Die Sparquote muss auf acht Prozent steigen , auf Werte wie in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Im vergangenen Jahr war sie kurz unter Null gefallen, das erste Mal seit den 1920ern. Es hatte sich eine Mentalität breit gemacht, dass man vom eigenen Vermögen werde den Lebensabend bestreiten könne - Vorsorge, gleich Sparen, sei überflüssig. Nun deflationieren diese Vermögensgegenstände, was nebenbei gesagt, generell desinflationierend wirkt. Zweitens: Die “Lagerreichweite” bei Wohnungen und Häusern muss unter acht Monate sinken . Gegenwärtig liegt sie bei rund 17 Monaten, wenn man alles einrechnet, auch die Leerstände wegen Enteignung aufgrund nicht bedienter Darlehen. Drittens: Der Anteil der Zinszahlungen am Haushaltseinkommen muss auf 10,5 Prozent sinken , wie in den Nach-Rezessions-Jahren 1982 und 1992. Gegenwärtig liegt er mit 14,1 Prozent nahe dem Allzeithoch. Es hat bisher nie eine Rezession gegeben, bei der dieser Wert so hoch lag.

Um an die Soll-Marke der dritten Bedingung zu kommen, müssen zwei Bill. Dollar an Schulden der Haushalte verschwinden . Wie kann das gehen? Durch Bankrott oder Rückzahlung. In beiden Fällen ist die Konsequenz bezogen auf das Konsumverhalten Sparsamkeit. Es werden sprichwörtlich kleinere Brötchen gebacken. Volkswirtschaftlich gesehen, ist das jedoch nichts anderes als dass die Sparquote in die Höhe gezwungen wird, mit der schon oben erwähnten desinflationären Wirkung. (Hier schließt sich übrigens auch der Kreis zu Nouriel Roubini, der die gesamten Verluste aus der Finanzkrise auf bis zu eben jenen 2 Bill. Dollar veranschlagt.)

Wie reagierten die einzelnen Wirtschaftsgruppen auf das größte steuerliche Anreizprogramm aller Zeiten, dass die Amerikaner im zweiten Quartal mit gut 120 Mrd. Dollar beglückte? Rosenberg: Die Unternehmen haben ihre Lager um 62 Mrd. Dollar abgebaut und nach den jüngsten ISM-Zahlen zu urteilen, scheint das weiter zu gehen. Die Verbraucher nutzten die Mittel, um die Sparquote von 0,3 im ersten auf 2,6 Prozent im zweiten Quartal herauf zu treiben. Das ist immerhin der drittsteilste Anstieg in den vergangenen 55 Jahren. Auch das spricht (pessimistische) Bände hinsichtlich der Zukunftseinschätzungen von Unternehmen und Verbrauchern.

Kommt nach der Technologie-, der Hauspreis- und der Kreditblase nun die Bond-Blase? Nach Rosenberg sind Bonds mit dem Wachstum des nominalen BIP am deutlichsten korreliert, nicht mit dem Budget-Defizit, nicht mit dem Außenwert des Dollar, auch nicht mit dem Preisniveau der Rohstoffe. Da es in diesem Jahr um 4 Prozent zulegen dürfte, ist es kein Wunder, dass sich die Rendite der zehnjährigen Bonds auch bei rund 4 Prozent einpendelt. Der Analyst erwartet für 2009 ein Wachstum des BIP um nominal 1,5 Prozent, daher würde es ihn nicht überraschen, wenn die Rendite wieder zum Tief des Jahres 2003 im Juni bei gut drei Prozent zurückfindet. Das war schon einmal so, 1958.

Rosenberg verweist auf folgendes Prognose-Problem: Da zwar vieles früheren Wirtschaftsepisoden ähnelt, manches aber bei dieser Konsum-zentrierten Rezession auch mit dem Attributen “höchste”, “schwerste”, “größte” belegt ist, reichen die historischen Parallen nicht immer aus, um Vorhersagen zu stützen. Demzufolge ist die Unsicherheit besonders hoch.

Angesichts der Ölpreisschwäche warnt Rosenberg davor, dies als ein Zeichen einer bevorstehenden wirtschaftlichen Erholung zu interpretieren. Auch im Jahre 2000 habe es einen prozentual ähnlichen Preisverfall gegeben, was einige Analysten motiviert hat, ihre BIP-Schätzungen für das Folgejahr anzuheben. Der Grund für den Rückgang war aber der Nachfragerückgang aufgrund rezessiver Tendenzen, keine Angebotsausweitung. Insofern war das keine positive Botschaft, die von besseren Zeiten kündete. Das gelte damals wie heute, heißt es.

Insofern ist das Motto, an dem sich die Bullen zuletzt festgehalten hatten, eine eher kurzatmige Sicht der Dinge. Unter kurzfristigen Gesichtspunkten ist es gleichgültig, ob die Anlegergemeinde einem Popanz hinterher läuft. Übergeordnet lässt sich solch ein Verhalten aber gerade als Bestätigung dafür ansehen, dass wir uns in einem Bär-Markt bewegen.

Rohstoffe, insbesondere Öl und Edelmetalle dürften aktuell einen Zwischenboden ausgebildet haben und jetzt zunächst eine (vielleicht sogar heftige) bullische Reaktion vollführen - mit der Begleitmusik eines steigenden Euro/Dollar. Das machte fundamental immerhin den bullischen Fall plausibler, weil ein schwächerer Dollar für US-Produkte (insbesondere Technologie) bessere Absatzbedingungen auf den Weltmärkten bietet, was positiven Einfluss auf die Unternehmensgewinne hat. Und - siehe oben- steigende Rohstoffpreise lassen sich ja auch als Zeichen für eine Rückkehr wirtschaftlicher Aktivitäten interpretieren. Zunächst jedenfalls …


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de







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