US-BIP - wunderbare Nachrichten?
31.08.2008 | Klaus Singer
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Die am Freitag veröffentlichten US-Zahlen für die persönlichen Auslagen und Einkommen im Juli untermalen den eher negativen Ausblick. Im Jahresvergleich fiel das persönliche Einkommen auf plus 4,2% nach plus 5,5% im Juni. Die PCE-Inflation sprang auf plus 4,5% Jahresrate von plus 4,0% im Vormonat, die Kernrate stieg von 2,3 auf 2,4%. Das führt dazu, das die realen Auslagen im Juli um 0,4% gesunken sind, nach minus 0,1% im Juni. Da die zuletzt im Quartalsvergleich günstige BIP-Entwicklung in den USA besonders von den Exporten profitierte, lohnt ein Blick auf die wirtschaftlichen Perspektiven in anderen Teilen der Erde. Nouriel Roubini führt in einem Beitrag für www.project-syndicate.org aus, alle G7-Mitgliedsstaaten entweder in oder nahe an einer Rezession stehen. Andere entwickelte Länder, wie der Rest der Euro Zone; Neuseeland, Island, sowie einige osteuropäische Wirtschaftsgebiete näherten sich ebenfalls einer rezessiven harten Landung. Die hinlänglich bekannten Gründe reichten von der platzenden Kreditblase über den negativen Wohlstandseffekt aus fallenden Immobilien- und Aktienpreisen, über den Stagflations-Effekt hoher Rohstoffpreise bis hin zu den internationalen Auswirkungen der US-Wirtschaftsschwäche, die immer noch für 30% des weltweiten BIP steht.
Hinsichtlich der USA bekräftigt Roubini, dass die Wirtschaft im ersten Quartal 2008 in eine Rezession abgerutscht ist, Im zweiten Quartal habe sie sich zwar dank Steuerschecks wieder etwas erholen können, aber das formiere nur einen W-förmigen Verlauf ("double-dip").
Wenn sich die rezessive Entwicklung in den entwickelten Wirtschaftsräumen auf der Welt vollzieht, habe das deutliche Konsequenzen für Brasilien, Russland, Indien und China, sowie andere "emerging markets". Der globale Abschwung werde die Preise für Energie und Rohstoffe von der Spitze aus gesehen um bis zu 30% drücken, schreibt Roubini, Das würde die Stagflations-Effekte zwar etwas reduzieren, andererseits seien längst Zweitrunden-Effekte angelaufen, durch die sich inflationäre Tendenzen verselbstständigen und den Reaktionsspielraum der Geldpolitik der Notenbanken zunächst einschränken könnten.
Zum Jahresende hin werde die Inflation in den entwickelten Wirtschaftsräumen jedoch abnehmen, da die kontrahierenden Produktmärkte die Preismacht der Unternehmen reduzieren und steigende Arbeitslosigkeit das Wachstum der Löhne in Schach hält. Die Rezession entwickele sich außerhalb der USA aber zu langsam, der Preisdruck bleibe daher zu lange hoch, so dass die Notenbanken dort zu spät und zu schwach reagieren würden, wodurch sich u.a. auch die Kreditkrise in den betroffenen Ländern weiter verschärft.
Was machen die amerikanischen Aktienmärkte aus der BIP-Entwicklung? Nachdem sie im Verlauf der zurückliegenden Woche in freudiger Erwartung vorgelaufen waren und das Ereignis am Donnerstag gebührend gefeiert hatten, gingen sie am Freitag wieder auf Tauchstation. Katalysator dürfte zum einen das um den Labour Day verlängerte Wochenende sein, zum anderen haben die am Freitag veröffentlichten Daten zu den persönlichen Auslagen und Einkommen (s.o.) dem aufgekommenen Optimismus einen kräftigen Dämpfer verpasst.
Charttechnisch dürfte eine Rolle gespielt haben, dass der S&P 500 per Schlusskurs am Donnerstag gerade wieder die Untergrenze eines Bärkeils erreicht hatte, aus dem er am Montag erst herausgefallen war. Die Nachrichtenlage ließ sich nicht gut genug interpretieren, um Gründe für weiteren Kursgewinn zu liefern und so endete die Woche mit einem Minus. Das Volumen war sowieso dünn, seine Entwicklung stützte die Kursentwicklung kaum. Zudem befindet sich der S&P 500 seit Mitte der Vorwoche in Distribution, was bedeutet, dass große Adressen der Seitenlinie gerne ihr zuvor seit Mitte Juli akkumuliertes Material überlassen möchten - wenn möglich natürlich zu hohen Preisen. Die Kehrseite der Medaille ist die, dass in einer solchen Situation die Verkaufsneigung häufig zu deutlichen Kursverlusten führt - dann nämlich, wenn die Seitenlinie nicht so mitspielt wie gedacht.
Überhaupt, der Labour Day: Der erste US-Feiertag im September markiert üblicherweise das Ende der Ferienzeit mit den fortlaufend ausdünnenden Volumina und zunehmend erratischeren Kursen. In diesem Jahr darf man besonders gespannt sein, was aus der makroönomischen Vorlage gemacht wird (die bei Licht betrachtet -siehe oben- wenig hält, von dem, was sie verspricht). Vor einem Jahr befanden sich die Aktienmärkte nach dem scharfen Einbruch als Folge des Ausbruchs der Kreditkrise am Beginn einer Akkumulationsphase, die bis Anfang Oktober anhielt und kurz vor dem Allzeithoch im S&P 500 bei 1565 endete.
Behalten Sie den kommenden Freitag im Auge, wenn die amerikanischen Arbeitsmarktdaten für August veröffentlicht werden. Zwar sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der zurückliegenden Woche um 10.000 auf 425.000 gefallen, auch der vier-Wochen-Schnitt sinkt um 6.000 auf 440.250. Aber mittlerweile beziehen 3,423 Millionen Amerikaner Arbeitslosenhilfe, 64.000 mehr als in der Vorwoche. Das ist nahe an einem fünf-Jahres-Hoch. Ihre Zahl ist binnen Monatsfrist sogar um 326.000 angestiegen. Das könnte ein düsteres Omen sein. Bis jetzt sind im laufenden Jahr fast eine Million Jobs abgebaut worden.
Und noch etwas: Nach einer aktuellen Umfrage ist das Vertrauen der US-Bevölkerung hinsichtlich des Arbeitsmarktes auf Werte gesunken wie in der Rezession 2001.
© Klaus G. Singer
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