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Korrelationen legen Rezession nahe

05.09.2008  |  Klaus Singer
Insbesondere nach dem überraschend positiven Verlauf des US-BIP verschärft sich die Diskussion, ob in den USA eine Rezession droht oder sogar bereits eingetreten ist. Nicht wenige Beobachter sprechen von einer "gefühlten Rezession", die sich u.a. deswegen nicht in einem negativen Quartals-Wachstum des BIP niederschlägt, weil sie von Effekten des Außenhandels verdeckt wird (siehe Artikel vom 30. August 2008).

Was ist eine Rezession? Machen wir die Antwort einmal nicht an nackten Zahlen fest, sondern betrachten das Wirtschaftssystem als Ganzes. Dann lässt sich eine Rezession als eine Phase ansehen, in der die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen "knirschen"; es ist Sand im Getriebe, die makroökonomischen Parameter laufen nicht synchron, die Wirtschaft holpert und stolpert. Dies weist auf Reibungsverluste hin, die ab einem gewissen Ausmaß dazu führen, dass die Wirtschaft schrumpft.

Wenn das so ist, sollte die Korrelationsrechnung geeignet sein, solche Phasen zu erkennen. Und wenn sie auch Auskunft darüber geben kann, wie es um die aktuelle Entwicklung bestellt ist, umso besser.

Hier streiten sich ja die Geister. Nach offizieller Lesart des NBER (nationaler Büro für Wirtschaftsstatistik) ist eine Rezession durch zwei Quartale in Folge mit negativem BIP-Wachstum definiert. Viele Beobachter (siehe z.B. Artikel vom 21. August 2008) halten die für wenig praktikabel und im Tagesgeschäft für nutzlos, weil damit eine Rezession immer erst weit im Nachhinein festgestellt werden kann.

Folgende volkswirtschaftliche Parameter werden untersucht: Der "Industrial Production Index" (INDPRO) ist ein Maß für die Entwicklung der Industrieproduktion. Er sollte sinken, wenn der wirtschaftliche Aufwärtstrend gestört ist. Der Wert "Total Nonfarm Payrolls" (PAYEMS) gibt die monatliche Entwicklung der Arbeitsplätze wider. Die "Personal Consumption Expenditures" (PCE) repräsentieren die annualisierten volkswirtschaftlichen Konsumausgaben. Das "Real Disposable Personal Income (DSPIC)" ist das annualisierte verfügbare persönliche Einkommen.

Diese Werte wurden wechselweise miteinander in einem zwölf Monate weiten, gleitenden Fenster korreliert und deren Ergebnisse zusammen mit den sechs durch das NBER bestätigten Rezessionen seit 1960 dargestellt. Dabei wurden die Korrelationen mit den deutlichsten Ausprägungen in den Rezessionsphasen entsprechend von oben nach unten angeordnet. Das Ergebnis kann im Chart "Rezession und Korrelation" eingesehen werden (Web-Seite der TimePattern - "Intermarket").

Korrelationsergebnisse sagen nichts über die absolute Bewegung der zugrundeliegenden Datenreihen aus, sie stellen lediglich fest, ob eine synchrone oder eine asynchrone Entwicklung vorliegt. In den Darstellungen der Korrelationsverläufe bedeutet ein oberer Wert Synchronität, Ausschläge nach unten weisen auf divergente Verläufe der Datenreihen hin.

Die Korrelation von PCE und PAYEMS divergiert bei allen sechs Rezessionen. Der Arbeitsmarkt kontrahierte jedes Mal schneller und stärker als die Konsumausgaben. Deutlich prägt sich z.B. auch die über lange Zeit ohne Beteiligung des Arbeitsmarktes erfolgte Erholung nach der Rezession 2001 aus. Auch die Korrelation zwischen INDPRO und PCE zeigt bei allen sechs Rezessionen einen Einbruch. Der Produktions-Index reagiert schnell und frühzeitig, während das PCE jeweils nur geringe und verzögerte Anpassungsbewegungen zeigt.

Die Korrelation zwischen DISPC und PAYEMS zeigt immerhin noch bei vier Rezessionen einen Einbruch. Bei der von 1990 kam er später, nämlich drei Monate nach deren Ende und damit immer noch in zeitlich engem Zusammenhang. Die Korrelation zwischen INDPRO und PAYEMS zeigt bei drei Rezessionen Divergenzen zwischen den beiden Zeitreihen. Bei der von1980 gab es zwar einen Einbruch, der führte aber nicht in den signifikant divergenten Bereich, bei der von 1990 trat er wie bei DISPC versus PAYEMS ebenfalls verzögert auf. Auch bei INDPRO versus DSPIC trat in drei von sechs Rezessionen ein Einbruch beim Korrelationsverlauf auf. Der Zusammenhang ist insgesamt recht unruhig.

Nur bei zwei von sechs Rezessionen zeigt die Korrelation zwischen DSPIC und PCE eine Divergenz. Ansonsten findet sich ein, wenn auch unruhiger Gleichlauf. Das ist auch plausibel, weil die beiden Makrogrößen auf kurzem Wege, nämlich beim Konsumenten selbst, abgeglichen werden und nicht erst durch andere volkswirtschaftliche Instanzen laufen. Daher sollten nachhaltige Divergenzen hier eher selten auftreten. Bei der Rezession 1990 war die Divergenz durch einen deutlichen und schnellen Rückgang beim DSPIC bedingt.

Auffällig ist die relativ lange Zeitspanne vor 2000, in der die Korrelationsergebnisse klaren Gleichlauf der untersuchten Zeitreihen zeigen. Eine ähnlich ruhige Entwicklung gab es auch in der Zeit zwischen 1976 und 1980, sowie vor 1974 - Zeichen relativer wirtschaftlicher Prosperität.

In Rezessionsphasen von 1969, 1973, 1981 und 2001 zeigen mindestens vier der sechs Korrelationsreihen deutliche Divergenzen, 1990 sind es drei. Signifikante Einbrüche außerhalb von Rezessionsphasen sind hingegen die Ausnahme, und wenn sie auftreten, so liegen sie in zeitlicher Nähe hierzu. Damit besteht ein überzufälliger Zusammenhang.

Und, wie sieht es aktuell aus? Drei bis vier von sechs Korrelationsergebnissen weisen auf eine signifikante Divergenz zwischen den Zeitreihen hin. Diese Friktionen sind in Analogie zu den Zusammenhängen in der Vergangenheit zumindest rezessionsverdächtig. Dies bestätigt damit auch andere Sichtweisen und warnt damit auch davor, die vordergründig positive Entwicklung der US-BIP über zu bewerten.

Zu den Märkten: Bisher hatten die hohe Inflation, bzw. die entsprechenden Erwartungen, dazu beigetragen, die Aktienanlage trotz eingetrübter wirtschaftlicher Aussichten noch hoch zu halten. Aktuelle Untersuchungen von Lehman Brothers bestätigen, dass zwei Faktoren die Aktienkursentwicklung wesentlich beeinflussen. Einerseits ist da die erwartete Entwicklung der Unternehmensgewinne, andererseits die Inflationsentwicklung. Dies ist auch plausibel, generell dürften Sachwerte in inflationären Phasen bevorzugt werden, während in deflationären Phasen Cash-Präferenz angesagt ist.

Nachdem die Gewinnentwicklung zuletzt zu wünschen übrig ließ und die unsicheren wirtschaftlichen Wachstumsperspektiven das Kursniveau kaum rechtfertigen, blieb eine zeitlang das Argument der hohen Inflation. Wenn das jetzt mit den kollabierenden Rohstoffpreisen in Zweifel kommt, bleibt fundamental gegenwärtig nicht mehr viel, was für beherztes Zugreifen bei Aktien spricht.

Hinsichtlich der Entwicklung der Inflationserwartungen zeigt sich bei der Untersuchung der Preise für Gold und Geld (Zinsen), dass hier zwischen Mai 2006 und September 2007 ein "Hochplateau" ausgebildet wurde, von dem aus es nun abwärts geht. Der Chart kann auf der Web-Seite der TimePattern unter Intermarket eingesehen werden. Wenn der Dollar gegen Euro im Fortgang der rezessiven Tendenzen weitere Stärke aufbaut, dürfte das den Goldpreis unter Druck halten. Zudem dürften auch Anleihen favorisiert werden, was deren Rendite drückt. Damit würden die aus beiden Parametern gebildeten Inflationserwartungen weiter nach unten zeigen.

Der erwähnte Chart zeigt als interessantes Detail übrigens auch, dass das Ende der divergenten relativen Entwicklung bei Zinsen und Goldpreis mit dem Tief des S&P 500 im Spätjahr 2002 zusammenfiel, während im Spätjahr 2007 die Wiederaufnahme der Divergenz in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Topp des S&P 500 steht. Insgesamt bestätigt er eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen Inflationserwartungen und Aktienkursen.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de









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