Haste mal ne Milliarde, ey?
18.09.2008 | Ronald Gehrt
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Fundamentals mit Kantersieg gegen den DollarDie Zinsdifferenz spricht klar für den Euro. Die 10jährigen Bunds rentieren aktuell bei 4,07%, die 10jährigen US-Treasuries um 3,5%. Und Vertrauen in den Dollar ... mehr als in den Euro? Man blicke sich doch mal um! Wenn die US-Wirtschaft eines im Rest der Welt ganz bestimmt nicht genießt, dann Vertrauen.
Mit fundamentalen Gegebenheiten kommt man also nicht gerade weit, will man den jüngsten Anstieg des Dollar zum Euro erklären - der übrigens zum Yen nicht erfolgte. Was das Ganze mehr als Euro-Schwäche denn als Dollar-Stärke ausweist, aber sei’s drum. Erklärung No 1:
Es ist eine reine technische Reaktion. Einer fing an einzudecken, die anderen liefen hinterher. Dafür spräche, dass der US-Dollar-Index, der den Greenback zu allen anderen Währungen gewichtet abbildet, nun an langfristigen Abwärtstrends hängen geblieben zu sein scheint. Aber kann das der alleinige Grund sein?
Möglichkeit No 2: Viele gehen davon aus, dass die Notenbanken weltweit den Dollar stützen. Warum? Nun, natürlich in der Hoffnung, so den eigenen Export in die USA, der durch zu starke eigene Währungen behindert wird, wieder zu erleichtern und gleichzeitig die Inflation zu drücken, da Rohstoffe in Dollar fakturiert werden. Das würde also passen. Aber was ist mit dem Wirt?
Die USA brauchen eigentlich einen schwachen Dollar ...
Will die US-Regierung einen starken Dollar? Verbal seit jeher, das kennen wir ja. Die Platte wurde irgendwann vor Jahrzehnten aufgelegt und von jedem Präsidenten und Finanzminister seither abgespielt. Sie kratzt bereits ein wenig ... bei Mr. Paulson hühühüpft sie sogar etwas. Aber die Wahrheit ist natürlich eine andere. Wenn man schon im Rest der Welt verschuldet ist, bringt a bisserl Inflation so seine Vorteile. Ein schwacher Dollar hilft, denn dann leiht man sich bildlich gesprochen heute zwei Hamburger und muss in ein paar Jahren nur noch einen zurückzahlen. Wobei man sich fragen muss, ob die Gläubiger dieses Geld je wieder sehen ... oder wir nicht in ein paar Jahren über einen Schuldenerlass für die USA verhandeln müssen, wie heute bei einigen afrikanischen Staaten.
Aber davon abgesehen hat der schwache Dollar ja dazu geführt, dass der US-Export bis vor einigen Monaten lief wie am Schnürchen. Die US-Firmen konnten immer billiger anbieten ... und gleichzeitig wurde der Binnenabsatz dadurch gefördert, dass Importwaren immer teurer wurden. Dass das ein reiner, schicksalsbedingter Zufall war, wird wohl niemand glauben. sicher, dadurch hat man sich durch die Hintertür eine zackige Inflation eingehandelt. Aber bis vor ein paar Wochen schien man das seitens der US-Oberen in Kauf nehmen zu wollen. Denn auch wenn es schien, als würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben: Die Export- und Importvorteile gingen zu Gunsten der großen Unternehmen, in den USA traditionell eng und liebevoll mit der Politik verbunden. Die steigenden Rohstoffpreise aber verteilten sich auf die Schultern aller - Unternehmen wie Bürger gleichermaßen. Ein klares 2:1 für die mit dem dicken Geld.
Aus dieser Warte heraus ist somit schwer nachvollziehbar, warum die USA auf einmal einen festen Greenback wollen sollen. Zumal doch nun die Nachfrage nach Energie so plötzlich eingebrochen sein soll, dass sogar Förderkürzungen, Hurrikanschäden und rapide sinkende Lagerbestände (US-Benzinlagerbestände auf dem niedrigsten Stand seit Jahren) für einen Ölpreis-Einbruch um 10 Dollar gut sind. Was brauchen wir da einen starken Dollar, gell?
Ah ... ich vergaß. Da war noch was. Wahlen. Die Amerikaner wählen Anfang November irgendwen. Und die momentan den Präsidenten stellende Partei hat verlauten lassen, dass sie an einem Wahlsieg nicht völlig desinteressiert sei. Dumm nur, dass die Bürger (und die muss man ja immer noch abstimmen lassen, auch wenn es lästig ist) im Moment ein wenig unzufrieden sind. Mit diesem, mit jenem. Ja, es soll sogar welche geben, die mit ALLEM unzufrieden sind, was die Regierung in den letzten Jahren so zustande gebracht hat. Sicher, sie sind alle furchtbar undankbar. Anstatt stolz zu sein, nach einem Haushaltsüberschuss vor acht Jahren nun das größte Loch in der Kasse aller Zeiten miterleben zu dürfen ... und ihren Enkeln einst erzählen zu können: "Ich war dabei! Euer Opa hat die Schulden mitverantwortet, die ihr heute abzahlen dürft!" ... quengeln die Bürger herum. Nur, weil sie ihre Jobs verlieren, ihre Häuser zwangsversteigert werden und Mietwohnungen unerschwinglich sind. Meine Güte!
... außer vor den Wahlen
Nun gab es also zwei Möglichkeiten, diese undankbaren Zweifler dazu zu bringen, ihr Kreuz Anfang November dorthin zu machen, wo es sich gehört. Die eine Möglichkeit war, den Patriotismus wieder zu beleben, der nach dem Irak-Desaster irgendwie Konditionsschwächen offenbart hatte, indem man irgend jemanden angreift. Und dadurch zeigt, dass die US-Bürger nur sicher sind, wann man ihre Sicherheit sicherheitshalber vorausschauend sicherstellt, indem man beispielsweise den Iran angreift. Das hat man scheinbar fallen gelassen. Ist es nicht erstaunlich, dass das Thema Iran vor mehreren Wochen plötzlich von Hundert auf Null aus den Nachrichten verschwand und kurz darauf die Ölpreise fielen und der Dollar stieg?
Sicher, natürlich ist da ein Kausalzusammenhang. Aber wundert sich denn niemand, dass es plötzlich von Säbelrasseln bis "Iran? Nie gehört" nur so kurze Zeit dauerte? War dieser Zusammenhang dadurch fallender Energiepreise nicht zufällig "nicht unerwünscht"? Denn das zweite Mittel, vergrätzte Bürger wieder gnädig zu stimmen, ist ein Rückgang der Heizöl- und Benzinpreise ... wenn man schon die Hypothekenzinsen nicht herunterbekommt. Und siehe da, die Umfragewerte schlagen mit jeden 10 Cent weniger an der Zapfsäule weiter zugunsten der Republikaner aus und das Vertrauen der Verbraucher in die Zukunft steigt.
Fazit: Die USA wollen gar keinen starken Dollar - außer bis zur Wahl. Es spielt ihnen in die Karten, dass der Rest der Welt einen stärkeren Dollar sehr wohl braucht. Aber nur bis zur Wahl. Danach werden wir uns womöglich schnell umgucken. Wenn es überhaupt bis Anfang November durchzuhalten ist, da habe ich meine Zweifel. Aber:
Auch, wenn ich normalerweise keine Prognosen von mir gebe: Ich halte es für sehr, sehr wahrscheinlich, dass sich SPÄTESTES dann die fundamentalen Rahmenbedingungen wieder durchsetzen werden, die 5:0 gegen den Greenback sprechen. Und spätestens dann - möglicherweise aber auch früher - werden die momentan von manchen bereits wieder mal als "ewig" eingestuften Kurseinbrüche der Rohstoffe plötzlich enden und vor allem die Edelmetalle wieder dorthin sausen, wohin sie gehören: Angesichts dieser unerfreulichen Konjunkturlage und fatalen Perspektiven für die kommenden Monate nach oben! Denn wenn der Dollar nicht wieder in die Knie geht, würde Ihnen doch was fehlen, wenn sie nicht wieder an jeder Ecke hören: "Haste mal ne Milliarde, ey?"
© Ronald Gehrt
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