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Wie viel heiße Luft muss noch raus?

18.10.2008  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
An der Inflationsfront zeigt sich jetzt schon deutlicher, dass die Spitze hinter uns liegt. Hier wirken sich die fallenden Ölpreise, aber z.B. auch die schwachen Einzelhandelsdaten in den USA (und auch hier) aus. Die Konsumenten schnallen den Gürtel enger, die Unternehmen verlieren Preismacht.

Das lässt sich auch in der Entwicklung des Goldpreises ablesen, der es selbst in den Zeiten des zurückliegenden überschäumenden Turbulenzen nicht schaffte, sich nachhaltig über der Widerstandszone zwischen 870 und 900 Dollar zu etablieren. Mittlerweile ist er unter die psychologisch wichtige Marke von 800 gerutscht. Natürlich wirkt der festere Dollar belastend, aber das ist ja gerade auch ein Zeichen, dass die weltgrößte Volkswirtschaft nicht in Hyperinflation versinkt. Bemerkenswert auch, dass die "sichere Hafen"-Funktion von Gold bisher keine Abkopplung vom Währungspaar Euro/Dollar bewirken kann.

Inflation oder Deflation? Der "deleveraging process" wirkt prinzipiell deflationär, betrifft aber zunächst nur die Assets im Finanzbereich. Doch diese Phase liegt hinter uns - der Effekt ist insbesondere in den USA über Krediteinschränkung, sinkende Hauspreise, steigende Arbeitslosigkeit und andere, die kaufkräftige Nachfrage betreffende Faktoren längst in die Realwirtschaft übergeschwappt, wo er sich (mit Zeitverzögerung) ausbreitet. Andererseits wirken staatliche Geldspritzen auf jeden Fall dann inflationär, wenn sie als "nicht rückzahlbare Zuschüsse" ausgestaltet werden. Liquiditätsinjektionen durch die Zentralbanken wirken hingegen so lange nicht (dauerhaft) inflationär, so lange sie über Kreditkonstruktionen laufen. Aber diese Effekte bleiben zunächst ebenfalls auf den Finanzbereich beschränkt. Und wenn die für die Banken bereitgestellte Liquidität diesen Bereich nicht verlässt (etwa durch Ausweitung der Kreditvergabe), bleibt das auch so.

Meiner Meinung nach stehen wir am Beginn einer deflationären Phase. Wie weit es dabei mit der Cash-Präferenz geht, wird man noch sehen. Auch unter dem historischen Aspekt einer Rückabwicklung zumindest der jüngsten Exzesse der Finanzindustrie wäre es unter zyklischen Gesichtspunkten folgerichtig, wenn einer inflationären Phase eine deflationäre folgt. Ich hatte vor längerem schon eine analoge, zugegeben mechanische Überlegung hinsichtlich der Perspektive des Greenback angestellt, die sich bis jetzt umgesetzt hat.

Eine deflationäre Tendenz in Zusammenhang mit einer Rezession (wenn nicht Depression) wäre auch eine schlechte Botschaft für die Aktienmärkte. Erstens sinkt der Bedarf einer Anlage in Sachwerten zur Absicherung gegen Geldentwertung, zweitens leidet die Gewinnentwicklung der Unternehmen unter der nachlassenden kaufkräftigen Nachfrage der Konsumenten. Abgesehen von eventuellen Bärenmarktrallyes ist es meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, dass der S&P 500 seine Tiefs aus 2002/2003 testet. Und dafür, dass er diesen Test besteht, lege ich meine Hand nicht ins Feuer. Unter diesem Aspekt liegt auch für den DAX nahe, dass er das Niveau aus der Anfangsphase des zurückliegenden Bull-Runs auf seinen Bestand hin testet. Das muss nicht gleich morgen sein - wir stehen erst am Anfang einer rezessiven Entwicklung.

Der Verlauf des die implizite Volatilität des S&P 500 messenden VIX ist imposant. In den vergangenen Tagen stellte er Allzeit-Rekorde in Folge auf. Gestern stieg er intraday bis über 81 und schloss nur geringfügig unter den Schlussnotierungen vom 10. und 15. Oktober bei knapp 70. Aus der Entwicklung der Breite des kurzfristigen Bollingerbandes lässt sich ein Maß für Angst bis Gier entwickeln. Dieses erreicht am 10. Oktober ein absolutes Panik-Extrem. Gemessen hieran dürfte die Unterseite bei den Aktienkursen jetzt zunächst einmal abgesichert sein. Siehe Chart im Rahmen dieses Artikels auf der Web-Seite der TimePattern.

Auch wenn von bullischer Seite jetzt verstärkt argumentiert wird, eine Rezession sei auf dem aktuellen Kursniveau eingepreist und im Übrigen sei das Ganze auch nur eine (scharfe) Korrektur mit großen Kaufchancen - der Spruch "kaufen, wenn die Kanonen donnern" mag zehn mal stimmen, dafür, dass das auch beim elften Mal so ist, gibt es keine Garantie. Insbesondere dann nicht, wenn die Kanonen gar nicht mehr aufhören, zu donnern ... Und genau darum geht es: Der Kondratieff-"Winter" entwickelt sich.

Zurück zu den eingangs gemachten Bemerkungen zum Öl: Momentan wird spekulativ in die Abwärts-Richtung übertrieben. "Spekulativ" meint dabei nicht nur die Ausrichtung auf den Finanzmärkten. Nein, es herrscht zurzeit auch ein stoffliches Überangebot. Biedes drückt die Preise. Allerdings dürfte sich das Abwärtspotenzial nun allmählich erschöpfen, mag sein, dass noch der Bereich um 63 Dollar (Brent) angesteuert wird. In der kommenden Woche trifft sich die OPEC zur Krisensitzung, das wird nicht ohne Auswirkung bleiben. Möglicherweise dient eine Stabilisierung des Ölpreises bullisch eingestellten Akteuren als Grundlage für eine "es wird schon wieder"-Argumentation.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de




Hinweis:Links zu einigen der erwähnten Charts finden Sie in diesem Artikel auf der Web-Seite der TimePattern. Marktstatus, Analysen und Prognosen unter www.TimePatternAnalysis.de.










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