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Machen Sie es wie die Kanzlerin

19.10.2008  |  Manfred Gburek
Kaum ist das mit heißer Nadel gestrickte Finanzmarktstabilisierungsgesetz unter Dach und Fach, da melden sich auch schon die ersten Politiker mit dem Wunsch nach einem Konjunkturprogramm. Einigen von ihnen (denen mit der besten Lobbyarbeit) wird der Wunsch bald erfüllt; wer für Investitionen zur Energieersparnis und Ähnliches plädiert, hat alle Trümpfe in der Hand. Fazit für Haus- und Wohnungseigentümer: Warten, bis die ersten Fördergelder in Aussicht stehen, und dann schnell zugreifen. Das gilt natürlich auch für weitere Fördermaßnahmen. Der Staat wird nicht umhin kommen, seine Rettungsaktionen mehr und mehr vom Bankensektor auf andere Bereiche zu verlagern. Nach irgendeiner Obergrenze für die Staatsverschuldung fragt zurzeit ohnehin kaum jemand; also wird die ganze Chose primär über die Ausgabe weiterer Anleihen finanziert. Höhere Steuern knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl verbieten sich ja von selbst, es sei denn, sie sollen - eher symbolisch als tatsächlich - die Reichen treffen.

Immer wenn ein Sonderfall eintritt (die jetzige Finanzkrise ist ein solcher, sogar ein extremer wie selten zuvor), nutzen clevere Leute ihn aus. Zu diesen gehört an erster Stelle Kanzlerin Merkel. Sie hat mit fast schon bewundernswertem Instinkt ihre Chance erkannt, die ihr von der Zuspitzung der Krise gegeben wurde, und besitzt sogar die Abgebrühtheit, sich vom Genossen Steinbrück zuarbeiten zu lassen (Beschimpfung der Banker, Übernahme der Verantwortung für die neue Finanzmarktstabilisierungsanstalt, demnächst noch einiges mehr). Sobald es zum öffentlichen Auftritt kommt, schiebt die Kanzlerin sich wieder geschickt und mediengerecht in den Vordergrund. Eifern Sie ihr nach - natürlich nur im übertragenden Sinn, indem Sie jetzt etwa verstärkt auf Schnäppchen am Immobilienmarkt achten, die sich zwangsläufig aus der Liquiditätsnot bisheriger Eigentümer ergeben werden, oder indem Sie, wie in der vergangenen Woche empfohlen, antizyklisch die eine oder andere Aktie einsammeln. Das gilt nach wie vor auch für Edelmetallaktien, die in der abgelaufenen Woche noch einmal zusammengedroschen wurden. Da physisches Gold kaum zu haben ist, bleiben solche Anlagen für viele Anleger einer der wenigen Auswege, um vom nächsten Edelmetallboom zu profitieren - vorausgesetzt, Sie haben extrem starke Nerven.

Anleihen sollten wegen des für 2009 zu erwartenden weiteren Inflationsschubs bald ganz tabu sein, Zertifikate spätestens jetzt; und zwar nicht nur wegen der Lehman-Pleite und ihrer bösen Folgen für Inhaber von Zertifikaten, sondern aus einem einfachen Grund: Mit diesen Papieren können Anleger nur dann ihr Ziel (eine überdurchschnittliche Rendite) erreichen, wenn ihre Annahmen sich als richtig erweisen, wenn also beispielsweise bestimmte Kursbandbreiten der zugrunde liegenden Basiswerte nicht über- oder unterschritten werden, wenn der erwartete Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtstrend bestehen bleibt usw. Das ist aber nie gewährleistet, auch wenn Banken und Sparkassen oft so tun als wenn.

Vergleichbares gilt für Aktienanleihen, und als wahre Geldvernichter erweisen sich die meisten Optionsscheine. Bei allen drei der hier genannten Kategorien von Luftschloss-Papieren kommt das dicke Ende noch, das heißt, die in der Presse und im Fernsehen vorgeführten Lehman-Opfer bilden erst eine Vorhut. Leider werden wohl auch viele Aktienfondsanleger zu den Opfern gehören. Denn Fondsmanager sind jetzt vielfach gezwungen, Aktien um fast jeden Preis zu verkaufen, um liquide zu bleiben und ihre Anleger auszahlen zu können, die ihre Fondsanteile zurückgeben. So wird aus der Risikostreuung, die zu den Hauptaufgaben von Fonds gehört, das Gegenteil, eine Zuspitzung des Risikos.

Die hier geschilderte Not der Fondsmanager ist übrigens - abgesehen von der großen Unsicherheit, die mit der Finanzkrise einher geht - der Hauptgrund dafür, dass bis auf Weiteres nur selektive Aktienengagements ratsam erscheinen. Was die Unsicherheit betrifft, ist noch ein Hinweis wichtig: Sie lässt sich auf keinen Fall berechnen, wie uns Professoren, Volkswirte, Analysten und sonstige Schlaumeier immer wieder weismachen wollen. Daraus folgt ein niederschmetterndes Urteil, das gegen die Hersteller aller sog. strukturierten Finanzprodukte spricht (wie Zertifikate & Co.): Da sie die aus der Unsicherheit herrührenden Risiken quantifizieren, muss jedes von ihnen nicht erwartete und damit nicht quantifizierte Ereignis (wie die jetzige Krise) zwangsläufig dazu führen, dass aus den Produkten Wetteinsätze mit ungewissem Ausgang werden. Kurzum, für den Fall, dass daraus noch eine Panik erwächst, sollten Sie weiter einen gewissen Anteil an Liquidität auf dem laufenden oder Tagegeldkonto parken.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist am 7.+8.11.2008 Moderator auf der "Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse" in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).






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