Der Staat als Gefahrenherd
26.10.2008 | Manfred Gburek
Heute zuerst die Antwort auf eine viel gestellte Frage: Wie lange hält der Sturzflug von Gold, Silber und Edelmetallaktien an? Nicht mehr lange, möglicherweise nur noch einige Tage. Unter Umständen hat der für die Aktienbörsen schwarze Freitag, der 24. Oktober, im Edelmetallsektor bereits die Wende gebracht, denn da ist es zu einem sog. One day reversal gekommen: Wende im Tagesverlauf. Die weltweite Beschaffung von Liquidität um jeden Preis durch institutionelle und private Anleger, die sich bisher negativ ausgewirkt hat (auch auf die Kurse der Standardwerte an den Aktienbörsen), wird schlagartig aufhören, sobald die bisher aufgestaute Liquiditätsschwemme sich über die Märkte ergießt. Der Sturzflug kann schon von einem Tag auf den anderen in einen Höhenflug übergehen; Kurvendeuter sprechen dann von einer V-Formation.
Eine solche geht üblicherweise mit einem besonderen Ereignis einher. Bei Standardwerten war es im Frühjahr 2003 der Beginn des Irakkriegs. Und bei Gold, Silber, Edelmetall- und anderen Aktien jetzt? Die Antwort ergibt sich vor allem aus den folgenden Überlegungen zur Finanzkrise:
US-Präsident Bush lädt die Regierungschefs von 20 führenden Ländern zum Weltfinanzgipfel am 15. November ein. Derweil planen China, Japan und Südkorea für Dezember ihren eigenen Gipfel. Die Europäer gipfeln ständig, unter Frankreichs temporärer EU-Präsidentschaft mit Verstaatlichungsfan Sarkozy an der Spitze mehr denn je. Beim Weltfinanzgipfel dürfte die Zukunft des internationalen Finanzsystems zwar eine wichtige Rolle spielen, aber geopolitische Themen werden den Kern der Gespräche hinter verschlossenen Türen bilden.
Die Finanzkrise bietet den Politikern eine nicht wiederkehrende Chance zu mehr Staatseinfluss im eigenen Land, darüber hinaus jedoch auch gegenüber anderen Ländern - wobei es um das Knüpfen neuer und die Festigung alter Netzwerke geht, sonst natürlich darum, die eigenen Stärken zu nutzen, um aus den Schwächen der anderen mehr Kapital zu schlagen. Warum gerade Bush einlädt, ist evident: Er will die Zeit zwischen der Präsidentschaftswahl im November und -vereidigung im Januar nutzen, um seine Amtszeit nicht nur als unpopuläres Auslaufmodell zu beenden - vielleicht sogar mit fatalen politischen Folgen. Wie fatal die sein könnten, ergibt sich aus dem Psychogramm von Bush, das die renommierte Autorin Kitty Kelley in ihrem Buch "Der Bush-Clan" (erschienen bei Bertelsmann) geradezu enthüllend beschrieben hat.
Deutsche Politiker nutzen die Finanzkrise natürlich ebenfalls zur Festigung ihrer Macht, unabhängig davon, dass sie nicht rechtzeitig für Abhilfe gesorgt haben, dass sie also einen Teil der Schuld tragen, sei es bei den Skandalbanken KfW, IKB, BayernLB, WestLB u.a., sei es, dass sie der Deutschen Rentenversicherung und der Frankfurter Sparkasse bei Geschäften mit Lehman Brothers nicht früh genug die rote Karte gezeigt haben. Einer meiner Berliner Informanten sagte mir vor wenigen Tagen: Die Machtfestigung mithilfe von Milliardenprogrammen zur Rettung von Banken und Sparkassen hat unter anderem zur Folge, dass viele Beamte nun total mit der Abwicklung der Programme beschäftigt sind. Man denke nur an das komplizierte neue Gebilde namens Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Das geht zu Lasten der Qualität einiger lange geplanter Reformen, etwa zur Erbschaftsteuer, zur Altersvorsorge oder zur Bilanzierung. Hier fehlen dann qualifizierte Beamte, sodass Lobbyisten leichtes Spiel haben, die Reformen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Wie Sie sehen, hat die Finanzkrise viel weiter reichende Folgen, als die meisten Menschen das bisher wahrhaben wollen oder können. Und falls einer der amerikanischen Vorschläge zu ihrer Bewältigung, die vorübergehende Schließung der Börsen, realisiert werden sollte, dürfte die Panik ihren Höhepunkt erreichen. Dass so ein Vorschlag, wie in diesen Tagen geschehen, überhaupt diskutiert wird, ist für sich genommen schon bedenklich und äußerst brisant: Stellen Sie sich nur vor, wie es dann allen geht, die an ihr in Aktien, Fonds oder Zertifikaten angelegtes Geld kommen wollen, aber nicht können. Stellen Sie sich allerdings auch vor, welche Chancen sich daraus in der Folge ergeben: Es schüttet Geld aus allen Kübeln, weil Regierungen und Notenbanken unter anderem den vorübergehend illiquiden Anlegern etwas Gutes tun wollen, indem sie ihnen plötzlich en masse Liquidität zur Verfügung stellen. Dann kommt es zur nächsten Blase. Die ist nicht mehr fern; und wenn nicht alles trägt, werden Gold und Silber am meisten von ihr profitieren, weil der Wert der Edelmetalle ja nicht von irgendwelchen Versprechen der Regierungen und Notenbanken abhängt, sondern von ihrer realen Kaukraft.
Insofern relativiert sich auch der jüngste Dollar-Anstieg: Er ist in zunehmendem Umfang von sog. Carry Trades getrieben, konkret, von der Ablösung alter Dollar-Schulden. Das gibt es schon seit Jahren beim Yen und beim Schweizer Franken: Fondsmanager von Hedgefonds, aber auch simple Baufinanzierer und sonstige Spekulanten, haben sich in diesen Währungen wegen der niedrigen Zinsen verschuldet. Doch ihre Rechnung ist nicht aufgegangen, weil die Schuldenwährungen gestiegen sind. Das heißt, die geschuldete Summe hat zugenommen, weil die eigene Währung schwächer geworden ist. So, wie jetzt der Euro im Vergleich zum Dollar. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn erst einmal alle früher zu Lasten des Goldes eingegangenen Carry Trades beglichen werden müssen. Der Goldpreis könnte dann im Nu durch die Decke gehen.
Diese Überlegungen sind im Zuge der Finanzkrise nicht mehr von der Hand zu weisen. Sie können indes ad absurdum geführt werden: durch Politiker. Das macht die weltweit zunehmende Einmischung des Staates in die Wirtschaft, ausgehend vom inzwischen stark reglementierten Bankensektor, so gefährlich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist am 7.+8.11.2008 Moderator auf der "Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse" in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Eine solche geht üblicherweise mit einem besonderen Ereignis einher. Bei Standardwerten war es im Frühjahr 2003 der Beginn des Irakkriegs. Und bei Gold, Silber, Edelmetall- und anderen Aktien jetzt? Die Antwort ergibt sich vor allem aus den folgenden Überlegungen zur Finanzkrise:
US-Präsident Bush lädt die Regierungschefs von 20 führenden Ländern zum Weltfinanzgipfel am 15. November ein. Derweil planen China, Japan und Südkorea für Dezember ihren eigenen Gipfel. Die Europäer gipfeln ständig, unter Frankreichs temporärer EU-Präsidentschaft mit Verstaatlichungsfan Sarkozy an der Spitze mehr denn je. Beim Weltfinanzgipfel dürfte die Zukunft des internationalen Finanzsystems zwar eine wichtige Rolle spielen, aber geopolitische Themen werden den Kern der Gespräche hinter verschlossenen Türen bilden.
Die Finanzkrise bietet den Politikern eine nicht wiederkehrende Chance zu mehr Staatseinfluss im eigenen Land, darüber hinaus jedoch auch gegenüber anderen Ländern - wobei es um das Knüpfen neuer und die Festigung alter Netzwerke geht, sonst natürlich darum, die eigenen Stärken zu nutzen, um aus den Schwächen der anderen mehr Kapital zu schlagen. Warum gerade Bush einlädt, ist evident: Er will die Zeit zwischen der Präsidentschaftswahl im November und -vereidigung im Januar nutzen, um seine Amtszeit nicht nur als unpopuläres Auslaufmodell zu beenden - vielleicht sogar mit fatalen politischen Folgen. Wie fatal die sein könnten, ergibt sich aus dem Psychogramm von Bush, das die renommierte Autorin Kitty Kelley in ihrem Buch "Der Bush-Clan" (erschienen bei Bertelsmann) geradezu enthüllend beschrieben hat.
Deutsche Politiker nutzen die Finanzkrise natürlich ebenfalls zur Festigung ihrer Macht, unabhängig davon, dass sie nicht rechtzeitig für Abhilfe gesorgt haben, dass sie also einen Teil der Schuld tragen, sei es bei den Skandalbanken KfW, IKB, BayernLB, WestLB u.a., sei es, dass sie der Deutschen Rentenversicherung und der Frankfurter Sparkasse bei Geschäften mit Lehman Brothers nicht früh genug die rote Karte gezeigt haben. Einer meiner Berliner Informanten sagte mir vor wenigen Tagen: Die Machtfestigung mithilfe von Milliardenprogrammen zur Rettung von Banken und Sparkassen hat unter anderem zur Folge, dass viele Beamte nun total mit der Abwicklung der Programme beschäftigt sind. Man denke nur an das komplizierte neue Gebilde namens Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Das geht zu Lasten der Qualität einiger lange geplanter Reformen, etwa zur Erbschaftsteuer, zur Altersvorsorge oder zur Bilanzierung. Hier fehlen dann qualifizierte Beamte, sodass Lobbyisten leichtes Spiel haben, die Reformen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Wie Sie sehen, hat die Finanzkrise viel weiter reichende Folgen, als die meisten Menschen das bisher wahrhaben wollen oder können. Und falls einer der amerikanischen Vorschläge zu ihrer Bewältigung, die vorübergehende Schließung der Börsen, realisiert werden sollte, dürfte die Panik ihren Höhepunkt erreichen. Dass so ein Vorschlag, wie in diesen Tagen geschehen, überhaupt diskutiert wird, ist für sich genommen schon bedenklich und äußerst brisant: Stellen Sie sich nur vor, wie es dann allen geht, die an ihr in Aktien, Fonds oder Zertifikaten angelegtes Geld kommen wollen, aber nicht können. Stellen Sie sich allerdings auch vor, welche Chancen sich daraus in der Folge ergeben: Es schüttet Geld aus allen Kübeln, weil Regierungen und Notenbanken unter anderem den vorübergehend illiquiden Anlegern etwas Gutes tun wollen, indem sie ihnen plötzlich en masse Liquidität zur Verfügung stellen. Dann kommt es zur nächsten Blase. Die ist nicht mehr fern; und wenn nicht alles trägt, werden Gold und Silber am meisten von ihr profitieren, weil der Wert der Edelmetalle ja nicht von irgendwelchen Versprechen der Regierungen und Notenbanken abhängt, sondern von ihrer realen Kaukraft.
Insofern relativiert sich auch der jüngste Dollar-Anstieg: Er ist in zunehmendem Umfang von sog. Carry Trades getrieben, konkret, von der Ablösung alter Dollar-Schulden. Das gibt es schon seit Jahren beim Yen und beim Schweizer Franken: Fondsmanager von Hedgefonds, aber auch simple Baufinanzierer und sonstige Spekulanten, haben sich in diesen Währungen wegen der niedrigen Zinsen verschuldet. Doch ihre Rechnung ist nicht aufgegangen, weil die Schuldenwährungen gestiegen sind. Das heißt, die geschuldete Summe hat zugenommen, weil die eigene Währung schwächer geworden ist. So, wie jetzt der Euro im Vergleich zum Dollar. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn erst einmal alle früher zu Lasten des Goldes eingegangenen Carry Trades beglichen werden müssen. Der Goldpreis könnte dann im Nu durch die Decke gehen.
Diese Überlegungen sind im Zuge der Finanzkrise nicht mehr von der Hand zu weisen. Sie können indes ad absurdum geführt werden: durch Politiker. Das macht die weltweit zunehmende Einmischung des Staates in die Wirtschaft, ausgehend vom inzwischen stark reglementierten Bankensektor, so gefährlich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist am 7.+8.11.2008 Moderator auf der "Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse" in München und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).