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Es kann nur besser werden - bevor es noch schlechter wird

31.10.2008  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Russland steht selbst nach massiven Kapitalabflüssen u.a. mit Währungsreserven in Höhe von 700 Mrd. Dollar noch auf festem Grund. Das, was vor kurzem in Georgien geschah, dürfte nur ein Vorgeschmack sein auf das, was noch kommt. Das Land dürfte den USA überall in der Welt vor allem politisch und wirtschaftlich Schwierigkeiten bereiten und den Druck hoch halten. Davon wird auch Europa betroffen sein. Das Angebot, Island in der drohenden Staatspleite mit einem Kredit zu helfen ist nur ein kleines Beispiel. Die Ukraine könnte bald folgen. Russland wird an der heterogen (oder besser amorphen) Struktur in Europa ansetzen und zunächst über fortwährende Nadelstiche versuchen, die Differenzen zu vertiefen.

In Asien liegt das Problem etwas anders. Das Finanzsystem dort ist von den Exzessen wie in den USA kaum betroffen. Allerdings hängen die Volkswirtschaften am Tropf der Nachfrage aus den entwickelten Industrieländern. Da hier die Wirtschaft schrumpft, geht der Export zurück, in erster Linie realwirtschaftliche Probleme sind die Folge.

Das Hauptthema der nächsten Jahre dürfte der Versuch Russlands sein, die Rolle der USA als Hegemon in Frage zu stellen. Wie immer in tiefen strukturellen Krisen steht die Neuaufteilung der Welt an. Die USA werden dem Treiben nicht tatenlos zusehen, aber sie werden, wie dargestellt, zunächst andere Prioritäten haben. Ihre zentrale Rolle in der Welt wird daher zunehmend in Frage gestellt, ein Prozess, der sich über viele Jahre entfaltet. Mit den zunehmenden Spannungen in der Welt und der Aussicht für die USA auf längere Sicht ins Hintertreffen zu geraten, wächst auch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen.

China hätte sicher auch das Potenzial, eine ähnliche Rolle wie Russland auf der globalen Bühne zu spielen. Allerdings scheint mir das Land einerseits wirtschaftlich zu sehr auf die USA zentriert, andererseits ist es zu sehr mit dem eigenen Aufbau und der Lösung eigener Probleme beschäftigt. Daher denke ich nicht, dass dieses Thema jetzt ansteht. Was in ein paar Jahren sein wird, steht auf einem anderen Blatt.

Für die Finanzmärkte folgert aus all dem eine längere Phase anhaltender politischer Unsicherheiten. Da wir alle wissen, dass die Börse Unsicherheiten hasst, bedeutet das auch von diesem Aspekt her, dass vermutlich selbst dann, wenn der Boden irgendwann 2009 erreicht sein sollte, eine lange, volatile Seitwärtsbewegung bevorsteht, in der politische Unsicherheiten die hauptsächlichen Einflussfaktoren sind.

Zu den Märkten: Im kurzfristigen Zeitfenster blicken wir auf eine Woche mit deutlichen steigenden Aktienkursen zurück. Die Paniktiefs vom 10. Oktober wurden zwar zeitweilig unterschritten, aber rasch und dynamisch zurückgeholt. Der VIX, der die implizite Volatilität der US-Aktien misst, liegt immer noch nicht weit unter 70, ein Pegel der momentan über "Hopp oder Dopp" entscheidet.

Als Störfall erwies sich gestern der Euro/Dollar, der im Umfeld der BIP-Veröffentlichung deutlich erstarkte und den Support bei rund 1,29 brach, eine wichtige Linie, die er kurz zuvor überwunden hatte. Der erstarkende Dollar war in der zurückliegenden Zeit stets zuverlässiger Begleiter der sich entfaltenden Krise, insofern ist seine Stärke momentan nicht das beste Unterstützungssignal für weiter steigende Aktienkurse.

Gewinnmitnahmen liegen bei Aktien ohnehin in der Luft, wobei selbst die schlechten BIP-Nachrichten gestern hierzu den Katalysator nicht lieferten. Gier und Angst halten sich noch die Waage. Dollar/Yen, der momentan aussagekräftigste "Carry-Trade-Indikator" hat sich von seinem Einbruch zu Wochenbeginn bereits wieder deutlich erholt und zeigt über den Tag hinaus wieder aufkommende Risikobereitschaft an, wenn auch von niedrigem Niveau aus.

Bei den Akteuren scheint nun Konsens zu sein, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession rutscht. Gleichzeitig aber meinen wohl viele, das aktuelle Kursniveau sei dem, was kommt nicht angemessen, sprich zu niedrig. Also wird erst einmal wieder gekauft und es ist gut möglich, dass es relativ zügig in den großen Indices wieder bis zur Abbruchkante von Ende September hoch geht.

Als Begleitmusik gehört dazu aber meiner Meinung nach, dass auch die Rohstoffpreise wieder steigen. Für eine Bodenbildung hier insbesondere bei Öl gibt es Anzeichen, auch wenn wir keine Kurse über rund 80 Dollar hinaus erwarten können (und sollten). Damit dies aber so kommt, muss auch Euro/Dollar Stärke zeigen, was wiederum v.a. Gold stützt.

Ohne diese Intermarket-Konstellation wird aus dem jetzigen, kleinen Auftrieb bei den Aktienkursen nichts. Übergeordnet sollte man sich darüber klar sein, dass wir hier nicht am Anfang eines neuen Bull-Runs a la 2003 stehen. Aber eine "schöne" Barenmarkt-Rallye könnte es werden.

Auch dieses Mal komme ich nicht umhin, noch politische Polemik anzuhängen: Kanzlerin Merkel hatte kürzlich eine staatliche Garantie für alle privaten Bankeinlagen verkündet. Ihrem Wort folgen Taten, doch anders als gedacht: In Brüssel tut die Bundesregierung nun alles, um eine Heraufsetzung der europaweit geltenden Grenze auf 100.000 Euro, sowie eine Vorschrift zur Auszahlung des garantierten Betrags bei Bankpleiten innerhalb von drei Tagen zu verhindern.

250.000 Euro für die Erdbebenopfer in Pakistan - das ist doch was! Nämlich 0,0005 Promille des deutschen Rettungspakets für die Banken.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de









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