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Trendumkehr oder Korrektur?

06.11.2008  |  Redaktion
Nach dem Erreichen des Höchststandes von 147 US-Dollar pro Fass Mitte Juli hat der Ölpreis deutlich nachgelassen und lag Anfang September in der Nähe des 200-Tage-Durchschnitts: bei etwa 110 US-Dollar pro Fass. Mit Ausnahme von verschiedenen Agrargütern hat der starke Preisrückgang auf den gesamten Rohstoffsektor ausgestrahlt. Aber noch spricht die Mehrzahl der Argumente für eine Korrektur und nicht für eine Trendumkehr. Bei einzelnen Rohstoffen muss aus unterschiedlichen Gründen kurzfristig mit erhöhter Volatilität und weiteren Preisabschlägen gerechnet werden, vor allem wenn die Weltwirtschaft in eine globale Rezession abgleiten sollte.

Der Ölpreis ist nach wie vor der Leitindikator für die Preisentwicklung des gesamten Rohstoffsektors. Der Rückgang des Ölpreises hat daher viele andere Rohstoffpreise mit nach unten gezogen. Die Bewegung war vergleichsweise kräftig, sodass zunehmend Befürchtungen laut wurden, eine Trendumkehr sei eingeläutet und eine längere Rohstoffbaisse stehe bevor.


Schwankungsanfälligkeit bleibt kurzfristig bestehen

Der Preisrückgang wurde ausgelöst durch Befürchtungen, dass sich die Konjunktur in den USA, Europa und Asien zunehmend abschwächen und dadurch die Rohstoffnachfrage stärker nachlassen könnte. Die Risikobereitschaft vieler Finanzmarktteilnehmer nahm ab, "Deleveraging" nahm zu und risikobehaftete Portfoliopositionen wurden reduziert. In diesem Umfeld dürften auch bei Rohstoffinvestments Gewinne mitgenommen worden sein. Die üblichen Preisanpassungsreaktionen wurden dadurch noch verstärkt. Der Großteil dieser Portfolioanpassungen sollte zwar abgeschlossen sein, dennoch muss auch in den kommenden Wochen noch mit einer erhöhten Schwankungsanfälligkeit der Rohstoffpreise gerechnet werden. Die Risiken für eine stärkere Abschwächung der zyklischen Nachfrage haben aufgrund von deutlich schwächeren Konjunkturindikatoren aus den Industrieländern und möglichen geopolitischen Unsicherheiten in den Emerging, Markets zugenommen.


Zyklische Nachfrageschwäche drückt Ölpreis

Die entscheidende Frage für die weitere Entwicklung des Ölpreises wird sein, inwiefern und auf welchem Preisniveau die Produktion auf der einen Seite und die Nachfrage aus den Industrieländern und den stark wachsenden Regionen Asiens (vergleiche Grafik) auf der anderen Seite in Einklang gebracht werden können. Die Ölproduktion 2007 war gegenüber 2006 mit minus 0,2 Prozent sogar leicht rückläufig, wobei vor allem die Angebotsentwicklung aus den Nicht-OPECLändern enttäuscht hat. Wenn das Angebot nicht stärker ausgeweitet wird, ist bei dem starken Nachfragewachstum aus Asien ein Zurückdrängen der Nachfrage in anderen Regionen der Welt, ein sogenanntes "Crowding-out", erforderlich. Der Anteil des Ölverbrauchs Asiens lag mit 30 Prozent im Jahr 2007 bereits über dem Anteil Nordamerikas mit 28,7 Prozent und die Tendenz ist weiter steigend. Der steigende Trend ist überwiegend strukturell bedingt und dürfte durch konjunkturelle oder zyklische Schwankungen allenfalls kurzfristig abflachen.

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Ohne eine deutliche Ausweitung der Ölproduktion scheint ein nachhaltiger und starker Ölpreisrückgang daher kaum möglich - es sei denn, die Weltkonjunktur stürzt in eine Rezession. Und eine Produktionsausweitung ist kurzfristig wenig wahrscheinlich. Die OPEC scheint mit einem Ölpreis von etwas über 100 US-Dollar pro Fass zufrieden. Auf diesen Niveaus nähert sich der Ölpreis auch den Kostenpreisen an. Industrieschätzungen gehen davon aus, dass die Kosten für das Auffinden und die Erschließung eines Barrel Öls derzeit in einem Bereich von 85 bis 100 US-Dollar liegen. Darüber hinaus besteht in den Herbstwochen weiterhin Hurrikangefahr. Die Hurrikansaison hat im Allgemeinen im September ihren Höhepunkt. Und nicht zuletzt sollten die anhaltenden geopolitischen Probleme in Georgien, im Iran und in Nigeria den Ölpreis stützen.


Industriemetalle in der Nähe der Produktionskosten

Die schwächeren Konjunkturindikatoren in den Industrieländern haben auch zum Rückgang der Preise von Industriemetallen beigetragen. So sind beispielsweise die Preise von Nickel und Zink in diesem Jahr bereits so stark gefallen, dass sie teilweise unter den Grenzkosten der Produktion liegen. Aufgrund der niedrigen Preise und gestiegener Energie- und Produktionskosten mehren sich Presseberichte, dass Betreiber von Minenanlagen Wartungsphasen verlängern, die Anlagen vorübergehend stilllegen oder teilweise sogar vollständig schließen. Durch die Produktionskürzungen wird das Angebot verknappt und die Preise sollten gut nach unten abgestützt sein. Dies gilt auch für Aluminium, wo die Energiekosten besonders stark zubuche schlagen und die Gewinnmargen der Unternehmen belasten. Bei Kupfer ist die fundamentale Angebots- und Nachfragerelation nach wie vor angespannt. Zum sechsten Mal in sieben Jahren zeichnet sich ab, dass die Kupferproduktion niedriger ausfällt als die Nachfrage. Kupfer wird vor allem für den Aufbau von großen Infrastrukturprojekten und in Kraftfahrzeugen verwendet. Obwohl nicht immun gegen eine zyklische Nachfrageschwäche, sollte die strukturelle Nachfrage aus stark wachsenden Regionen der Welt, insbesondere aus Ländern wie Brasilien oder China, den Kupferpreis stützen.


Gold zwischen Wechselkursen und Fundamentaldaten

Die Unsicherheit in Bezug auf die weitere Wechselkursentwicklung überträgt sich auch auf den Goldpreis. Insofern muss in den kommenden Wochen noch mit einem volatilen Goldpreis gerechnet werden. Die fundamentalen Angebots und Nachfragebedingungen sprechen mittelfristig aber für einen wieder anziehenden Preis. Die Goldnachfrage ist trotz des ungünstigen konjunkturellen Umfelds in den Industrieländern weiter sehr robust. Wertmäßig wurde mit Käufen in Höhe von 21,2 Mrd US-Dollar im 2. Quartal 2008 sogar ein neuer Rekord aufgestellt. Trotz der robusten Nachfrage stieg das Goldangebot in der ersten Jahreshälfte nur um 1 Prozent. Der leichte Anstieg ergab sich vor allem durch die Zunahme des Angebots an Altgold (+22 Prozent), die Goldminenproduktion und auch das Angebot von den Zentralbanken waren weiter rückläufig.


Saisonal bedingte Volatilität bei Agrarpreisen

In den kommenden Wochen steht die Erntesaison auf der Nordhalbkugel bevor und auf der Südhalbkugel ist die Witterung entscheidend für Anbau- und Wachstumsbedingungen wichtiger Agrarexportgüter. Aufgrund dieser durch die Natur bedingten Saisonalität muss in den kommenden Wochen mit größeren Schwankungen bei den Preisen für Weizen, Mais und Sojabohnen gerechnet werden. Divergierende Entwicklungen zeichnen sich bei den wichtigen Weizenexporteuren Argentinien und Australien ab: Während aufgrund der schlimmsten Trockenheit seit 40 Jahren in Argentinien im Vergleich zum Vorjahr Einbußen von 20 Prozent befürchtet werden, werden in Australien überdurchschnittliche Regenfälle und deutlich höhere Erträge als im Vorjahr erwartet. Wir gehen davon aus, dass sich erst ab Oktober wieder ein klarerer Agrarpreistrend abzeichnet.


© Dr. Konrad Aigner
Private Asset Management, Deutschen Bank, Frankfurt








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