Keine Angst vor Inflation?
07.03.2005 | Jochen Steffens
Der Dow muss nun lediglich noch 7,4% steigen, damit er sein Allzeithoch bei 11.750 Punkten erreicht (vom Schlusskurs 10940 am Freitag aus gerechnet) und ich stolzer Besitzer eines Kasten Biers werde. Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich mit diesem Kasten Bier, sofern ich ihn gewinnen, nicht irgendetwas besonderes machen soll - haben Sie eine Idee? Noch muss ich mich allerdings etwas gedulden, denn der Dow kann das zwar in den nächsten zwei Wochen schaffen, wenn er schnell ist. So träge wie die Märkte zurzeit sind, kann das aber auch noch was dauern.
Eine Leser hat mir eine Mail geschrieben, in der er mich auf einen Artikel aufmerksam machte, in dem stand, dass "Händler" kein Inflationsrisiko in den USA sehen und somit nicht davon ausgehen, dass die Fed ihre Politik der kleinen Zinsschritte aufgeben. Verständlicherweise verunsichert fragte er mich nach meiner Meinung dazu.
Seltsame Nachrichten von der Börse
Ich habe keine Ahnung, warum besagter Händler das Risiko einer Inflation nicht sieht? Offenbar hat er nach seinem letzten Haitiaufenthalt einfach vergessen seine rosafarbene Sonnenbrillen abzusetzten. Etwas verblüfft war ich jedoch, dass die Aussage dieser "Händler" seitdem unhinterfragt durch alle Medien rieseln und selbst bei Bloomberg angekommen ist. Deswegen werde ich das Pferd Inflation mal von hinten aufzäumen:
Arbeitslosenquote zweitrangig
Die Argumente dieser seltsamen These sind zwielichtig: So wird als Argument herangezogen, dass die US-Arbeitslosenquote wieder von 5,2 auf nun 5,4% angezogen ist. Diese Zahl wird aufgrund einer Umfrage in privaten Haushalten ermittelt, die "neue geschaffenen Stellen" basieren auf einer Unternehmensumfrage. Sie können entscheiden, was Ihnen wichtiger ist. Ich finde die "US-Arbeitslosenquote" seit Jahren mehr als suspekt und beachte sie kaum.
Es ist der normale Prozess einer konjunkturellen Erholung, dass sobald mehr Menschen in Lohn und Arbeit stehen, mehr Geld zum konsumieren bereit steht. Durch die dadurch verursachte höhere Nachfrage steigen natürlich die Preise. Steigende Preise bedeuten Inflation. Kurz gesagt: Mehr neu geschaffene Stellen, bei weniger Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe = insgesamt mehr Stellen. Da ist die US-Arbeitslosenquote zweitrangig.
Die Zahl der neu geschaffenen Stellen befindet sich in einem Aufwärtstrend, die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in einem Abwärtstrend. Natürlich muss sich diese Entwicklung noch ein paar Monate fortsetzten, bis von einer Beruhigung auf dem US-Arbeitsmarkt zu reden ist, aber der Trend ist deutlich erkennbar. Zinserhöhungen der Fed wirken sich mit sechs Monaten Zeitverzögerung aus, die Fed muss also ebenfalls auf Trends setzten.
Sinkenden Löhne kein Argument gegen Inflation
Ebenfalls wurde auf die US-Stundenlöhne hingewiesen, die im Monatsvergleich stagnierten. Ich kann hier aktuelle wenig Hinweise für ein Argument gegen Inflation erkennen. Die niedrigen Stundenlöhne besagen lediglich, dass die Unternehmen aufgrund höherer Rohstoff- und Energiekosten die Löhne einfach nicht erhöhen können. Erst kommen mehr Stellen, dann wird mehr konsumiert. Daraufhin können die Unternehmen die Preise erhöhen und erst dann werden irgendwann die Löhne steigen.
Eindeutige Anzeichen von Inflation!
Es gibt eine Reihe von Ungereimtheiten an den Märkten, die Verwirrung stiften, aber doch ein klares Bild abgeben, wenn man die Inflationsgefahren betrachtet. Einige wundern sich zum Beispiel, dass seit geraumer Zeit der Dow deutlich stärker als der Nasdaq ansteigt. Normalerweise ist das eher andersherum. Einige Einzeltitel im Dow konnten in den letzten Wochen auffallend zulegen, besonders Substanzwerte.
Das große Geld positioniert sich auf Inflation
Was würden Sie tun, wenn Sie Amerikaner wären und Sie starke inflationäre Tendenzen erwarten? Ich würde mein Geld in Substanz anlegen. Das heißt Immobilien oder Aktien, die über Substanz verfügen, also über hohe Vermögenswerte an Immobilien oder Rohstoffe. Ich würde natürlich auch in Rohstoffe selbst investieren, da diese bei Inflation einen starken Schutz für das Vermögen versprechen. Natürlich würde ich mein Geld auch in Gold anlegen. Zum Schluss würde ich ein Teil meines Geldes noch ins Ausland transferieren und hätte dann mein Vermögen breit diversifiziert und gegen Inflation geschützt.
Ich hatte vor kurzem dargelegt, dass die Mittelabflüsse aus den USA ins Ausland stark zunehmen. Zudem steigen gerade die Substanzwerte im Dow - verdächtig. Rohstoffaktien und Rohstoffe steigen dramatisch an, die Immobilienpreise in den USA auch? Zusammengenommen sieht das alles ein wenig so aus, als würde das große Geld sich gegen Inflation wappnen.
Doch was ist mit dem Gold, dem Inflationsanzeiger schlechthin?
Versuchen die Notenbänker, das Inflationsrisiko zu vertuschen?
Drehen wir es um: was würden Sie als Notenbänker tun, damit ihre Bevölkerung keine Angst von Inflation bekommt. Schließlich wissen Sie (wie ich hier mehrfach ausführlich dargestellt habe) dass eine Inflation auch durch die Angst vor einer Inflation geschürt werden kann. Als Notenbänker wissen Sie auch: Es gibt einen "zuverlässigen" Inflationsanzeiger: Gold. Mich wundert schon länger, warum Silber sich zwischenzeitlich mal knapp verdoppelt hatte, während Gold in der gleichen Zeit so vor sich hindümpelte.
Damit der normaler US-Amerikaner nicht so recht begreift, was da gerade passiert, muss die Rohstoffpreisexplosion mit der gestiegenen Nachfrage aus Indien und China erklärt werden - soweit so geschehen (das ist natürlich auch richtig, aber ich hatte Ihnen hier schon gezeigt, dass der Ölpreis in Euro gar nicht so dramatisch angestiegen ist, das gilt zum Teil auch für andere Rohstoffe). Die Immobilienblase wird natürlich nicht mit "Inflation", sondern mit den billigen Hypotheken erklärt (was natürlich auch richtig ist, aber eben auch nur ein Teil der Wahrheit).
Gold warnt nicht vor einer Inflation
Der einzig wahre Inflationsanzeiger, die seit Jahrtausenden alte heimliche Leitwährung Gold, steigt jedoch seit einem Jahr nicht so recht an, jedenfalls nicht so stark wie es sollte - wenn eine Inflation bevorsteht. Also doch keine Inflationsgefahr?
Wie könnte man denn Gold unten halten, damit keiner merkt, dass eine Inflation im Anmarsch ist? Natürlich durch Goldverkäufe. Und genau das passiert. Die Goldnachfrage übersteigt nach meinen Informationen (unter Vorbehalt) das Angebot um 8%. Lediglich die Verkäufe der Zentralbanken führen dazu, dass der Goldpreis nicht explodiert. Ein Schelm wer dabei Böses denkt.
Das macht alles Sinn, irgendwie - auch wenn es gewagte Thesen beeinhaltet. Eigentlich deutet aber alles darauf hin, dass die institutionellen Anleger mit einer starken Inflation rechnen und sich entsprechend positionieren. Und wenn sich nun noch die Arbeitsmarktdaten weiterhin deutlich verbessern, dann können Sie davon ausgehen, dass das Thema Inflation bei der Fed das vordringlichste Thema zurzeit ist. Sie können dann ebenfalls davon ausgehen, dass die Leitzinsen in den USA eher schneller als langsamer angehoben werden - was auch immer das heißen wird.
Und was der ständig bemühte Unbekannte, ein gottvergessener Händler in New York dazu sagt, interessiert mich persönlich ungefähr so wie der umgefallen Sack Reis - obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, dass mich der Sack Reis nicht doch sogar ein wenig mehr interessieren würde.
© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"
Eine Leser hat mir eine Mail geschrieben, in der er mich auf einen Artikel aufmerksam machte, in dem stand, dass "Händler" kein Inflationsrisiko in den USA sehen und somit nicht davon ausgehen, dass die Fed ihre Politik der kleinen Zinsschritte aufgeben. Verständlicherweise verunsichert fragte er mich nach meiner Meinung dazu.
Seltsame Nachrichten von der Börse
Ich habe keine Ahnung, warum besagter Händler das Risiko einer Inflation nicht sieht? Offenbar hat er nach seinem letzten Haitiaufenthalt einfach vergessen seine rosafarbene Sonnenbrillen abzusetzten. Etwas verblüfft war ich jedoch, dass die Aussage dieser "Händler" seitdem unhinterfragt durch alle Medien rieseln und selbst bei Bloomberg angekommen ist. Deswegen werde ich das Pferd Inflation mal von hinten aufzäumen:
Arbeitslosenquote zweitrangig
Die Argumente dieser seltsamen These sind zwielichtig: So wird als Argument herangezogen, dass die US-Arbeitslosenquote wieder von 5,2 auf nun 5,4% angezogen ist. Diese Zahl wird aufgrund einer Umfrage in privaten Haushalten ermittelt, die "neue geschaffenen Stellen" basieren auf einer Unternehmensumfrage. Sie können entscheiden, was Ihnen wichtiger ist. Ich finde die "US-Arbeitslosenquote" seit Jahren mehr als suspekt und beachte sie kaum.
Es ist der normale Prozess einer konjunkturellen Erholung, dass sobald mehr Menschen in Lohn und Arbeit stehen, mehr Geld zum konsumieren bereit steht. Durch die dadurch verursachte höhere Nachfrage steigen natürlich die Preise. Steigende Preise bedeuten Inflation. Kurz gesagt: Mehr neu geschaffene Stellen, bei weniger Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe = insgesamt mehr Stellen. Da ist die US-Arbeitslosenquote zweitrangig.
Die Zahl der neu geschaffenen Stellen befindet sich in einem Aufwärtstrend, die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in einem Abwärtstrend. Natürlich muss sich diese Entwicklung noch ein paar Monate fortsetzten, bis von einer Beruhigung auf dem US-Arbeitsmarkt zu reden ist, aber der Trend ist deutlich erkennbar. Zinserhöhungen der Fed wirken sich mit sechs Monaten Zeitverzögerung aus, die Fed muss also ebenfalls auf Trends setzten.
Sinkenden Löhne kein Argument gegen Inflation
Ebenfalls wurde auf die US-Stundenlöhne hingewiesen, die im Monatsvergleich stagnierten. Ich kann hier aktuelle wenig Hinweise für ein Argument gegen Inflation erkennen. Die niedrigen Stundenlöhne besagen lediglich, dass die Unternehmen aufgrund höherer Rohstoff- und Energiekosten die Löhne einfach nicht erhöhen können. Erst kommen mehr Stellen, dann wird mehr konsumiert. Daraufhin können die Unternehmen die Preise erhöhen und erst dann werden irgendwann die Löhne steigen.
Eindeutige Anzeichen von Inflation!
Es gibt eine Reihe von Ungereimtheiten an den Märkten, die Verwirrung stiften, aber doch ein klares Bild abgeben, wenn man die Inflationsgefahren betrachtet. Einige wundern sich zum Beispiel, dass seit geraumer Zeit der Dow deutlich stärker als der Nasdaq ansteigt. Normalerweise ist das eher andersherum. Einige Einzeltitel im Dow konnten in den letzten Wochen auffallend zulegen, besonders Substanzwerte.
Das große Geld positioniert sich auf Inflation
Was würden Sie tun, wenn Sie Amerikaner wären und Sie starke inflationäre Tendenzen erwarten? Ich würde mein Geld in Substanz anlegen. Das heißt Immobilien oder Aktien, die über Substanz verfügen, also über hohe Vermögenswerte an Immobilien oder Rohstoffe. Ich würde natürlich auch in Rohstoffe selbst investieren, da diese bei Inflation einen starken Schutz für das Vermögen versprechen. Natürlich würde ich mein Geld auch in Gold anlegen. Zum Schluss würde ich ein Teil meines Geldes noch ins Ausland transferieren und hätte dann mein Vermögen breit diversifiziert und gegen Inflation geschützt.
Ich hatte vor kurzem dargelegt, dass die Mittelabflüsse aus den USA ins Ausland stark zunehmen. Zudem steigen gerade die Substanzwerte im Dow - verdächtig. Rohstoffaktien und Rohstoffe steigen dramatisch an, die Immobilienpreise in den USA auch? Zusammengenommen sieht das alles ein wenig so aus, als würde das große Geld sich gegen Inflation wappnen.
Doch was ist mit dem Gold, dem Inflationsanzeiger schlechthin?
Versuchen die Notenbänker, das Inflationsrisiko zu vertuschen?
Drehen wir es um: was würden Sie als Notenbänker tun, damit ihre Bevölkerung keine Angst von Inflation bekommt. Schließlich wissen Sie (wie ich hier mehrfach ausführlich dargestellt habe) dass eine Inflation auch durch die Angst vor einer Inflation geschürt werden kann. Als Notenbänker wissen Sie auch: Es gibt einen "zuverlässigen" Inflationsanzeiger: Gold. Mich wundert schon länger, warum Silber sich zwischenzeitlich mal knapp verdoppelt hatte, während Gold in der gleichen Zeit so vor sich hindümpelte.
Damit der normaler US-Amerikaner nicht so recht begreift, was da gerade passiert, muss die Rohstoffpreisexplosion mit der gestiegenen Nachfrage aus Indien und China erklärt werden - soweit so geschehen (das ist natürlich auch richtig, aber ich hatte Ihnen hier schon gezeigt, dass der Ölpreis in Euro gar nicht so dramatisch angestiegen ist, das gilt zum Teil auch für andere Rohstoffe). Die Immobilienblase wird natürlich nicht mit "Inflation", sondern mit den billigen Hypotheken erklärt (was natürlich auch richtig ist, aber eben auch nur ein Teil der Wahrheit).
Gold warnt nicht vor einer Inflation
Der einzig wahre Inflationsanzeiger, die seit Jahrtausenden alte heimliche Leitwährung Gold, steigt jedoch seit einem Jahr nicht so recht an, jedenfalls nicht so stark wie es sollte - wenn eine Inflation bevorsteht. Also doch keine Inflationsgefahr?
Wie könnte man denn Gold unten halten, damit keiner merkt, dass eine Inflation im Anmarsch ist? Natürlich durch Goldverkäufe. Und genau das passiert. Die Goldnachfrage übersteigt nach meinen Informationen (unter Vorbehalt) das Angebot um 8%. Lediglich die Verkäufe der Zentralbanken führen dazu, dass der Goldpreis nicht explodiert. Ein Schelm wer dabei Böses denkt.
Das macht alles Sinn, irgendwie - auch wenn es gewagte Thesen beeinhaltet. Eigentlich deutet aber alles darauf hin, dass die institutionellen Anleger mit einer starken Inflation rechnen und sich entsprechend positionieren. Und wenn sich nun noch die Arbeitsmarktdaten weiterhin deutlich verbessern, dann können Sie davon ausgehen, dass das Thema Inflation bei der Fed das vordringlichste Thema zurzeit ist. Sie können dann ebenfalls davon ausgehen, dass die Leitzinsen in den USA eher schneller als langsamer angehoben werden - was auch immer das heißen wird.
Und was der ständig bemühte Unbekannte, ein gottvergessener Händler in New York dazu sagt, interessiert mich persönlich ungefähr so wie der umgefallen Sack Reis - obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, dass mich der Sack Reis nicht doch sogar ein wenig mehr interessieren würde.
© Jochen Steffens
Quelle: Auszug aus dem kostenlosen Newsletters "Investor's Daily"