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Aktien-Inflation in Deflation?

29.11.2008  |  Klaus Singer
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Unabhängig davon bleibt ein Argument für Aktien - sie sind reale Werte und Anteilsscheine gut aufgestellter und stabiler Unternehmen dürften in dieser Finanzkrise gegenüber Geldern auf Festgeldkonten irgendwann die sicherere und profitablere Alternative sein.

Nouriel Roubini sieht sich durch die miserablen Makrodaten der vergangenen Tage in seiner schon zuvor getroffenen Aussage bestätigt, das US-BIP werde im vierten Quartal um 4 bis 5 Prozent annualisiert fallen. Er warnt nun massiv vor einer deflationären Spirale. Und sieht am Horizont die Gefahr stark steigender realer Zinsen auf öffentliche Schulden.

Irving Fisher hat die Krise von 1929 eingehend untersucht und 1933 in seinem bekannten Artikel "The Debt Deflation Theory of Great Depressions" den Teufelskreis von Schulden und Deflation aufgezeigt. Der Nährboden für diesen Schulden-Deflations-Prozess liegt danach in folgendem: Vorangegangene Wirtschaftsphasen wurden als Beginn einer neuen Ära gedeutet. Die neue Entwicklungen eröffneten neue Investitionsmöglichkeiten und bescherten außerordentliche Gewinne. Der Optimismus schäumt über, die Verschuldung steigt. Dieser Fahnenstange folgt die Ernüchterung, die Kreditblase platzt.

Die Wirkungsmechanismen im Einzelnen führen über einen ersten, vergleichsweise kleinen Anlass, der Unternehmen und Haushalte dazu bringt, ihre überbordenden Schulden zurückzufahren, zu Notverkäufen. Das Preisniveau fällt, Vermögensverluste folgen. Buchgeld kontrahiert, die Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes sinkt. Unternehmensgewinne gehen zurück, Angst vor weiteren Verlusten greift um sich. Produktion, Handelsumsätze und Beschäftigung sinken, Konkurse und Arbeitslosigkeit steigen. Vertrauensverlust führt zu zunehmendem Pessimismus der Wirtschaftsubjekte. Geld und Sachwerte werden gehortet, die nachlassende Wirtschaftsaktivität führt zu weiterer Verlangsamung der Waren- und Geldumschlags. Das Zinsniveau sinkt nominal, steigt aber real, damit steigt die reale Schuldenlast. Usw.

Es fällt nicht schwer, Parallelen zu den zurückliegenden Jahren zu ziehen: Nach dem Platzen des Technologie-Hypes wurden die Zinsen weltweit stark abgesenkt, um den rezessiven Folgen zu begegnen. Die darauf folgenden Jahre hohen Wirtschaftswachstums führten zu einer stark steigenden Verschuldung der Konsumenten und Unternehmen. In den USA, Großbritannien, Spanien und anderswo wurde massiv in Immobilien investiert, die sich die meisten auf längere Sicht nicht leisten können.

Es brauchte nur einen kleinen Rückgang der Immobilienpreise und einen geringen Wachstumsknick - viele Hausbesitzer waren schnell überschuldet. Die daraus folgenden Not- und Zwangsverkäufe hatten und haben negative Auswirkungen auf andere Vermögenswerte. Aktien spielen dabei eine wichtige Rolle, weil sie in steigendem Maße zur Versorgung im Alter gedacht sind. Ein Vermögensverlust an dieser Stelle hat extreme Auswirkungen auf die gesamte Stimmung der Verbraucher und erzeugt eine stark pessimistisch geprägte Zukunftserwartung.

Anmerkung: Die überbordende Spekulation mit per Verbriefung weiterverkauftem Risiko ist in dem beschriebenen Mechanismus keine Ursache, wohl aber hinzukommende Verstärkung.

Fisher sieht nur zwei Auswege: "Laissez faire" mit Konkursen und wirtschaftlichem Zusammenbruch oder rasche und entschlossene Reflation, das kleinere Übel.

Im aktuell gegebenen historischen Kontext einer extremen Kreditblase ist die deflatorische Entwicklung quantitativ und im Zeitablauf besonders verheerend. Die US-Regierung konzentriert alle ihre Maßnahmen mittlerweile auf massive Reflationierung. Da Deflation aus aktueller Sicht als das größere Übel angesehen wird, wird die Gefahr einer späteren starken Inflation bewusst in Kauf genommen.

In einer deflatorischen Abwärtsspirale spielt mehr noch als in anderen Wirtschaftsphasen die Psychologie der Wirtschaftssubjekte eine entscheidende Rolle. Und die hängt in nicht unbeträchtlichem Ausmaß mit der Entwicklung der Aktienkurse zusammen. Was also liegt näher, als das eines (unschönen) Tages, wenn alle anderen Rettungsmaßnahmen versagt haben, der Staat selbst direkt als Großaufkäufer von Aktien auftritt? Wenn das geschieht, dann ist "Matthei, am letzten". Von da an kann es nur noch besser werden, oder?

Kauft der Staat schon? Ja und nein. Im Rahmen seiner Maßnahmen beteiligt er sich an den zu rettenden Institutionen. Aber bisher zumindest hat er da eher in ein fallendes Messer gegriffen. Nicht zu vergessen auch all die Staatsfonds aus Nah- und Fernost. Ich denke, zunächst setzt man (zumindest in den USA) noch weiter auf Maßnahmen, die die Kaufkraft der Konsumenten stützen. Die massive Stützung der Aktienkurse kommt später.

Das Währungspaar Euro/Dollar wird auch weiterhin ein guter Indikator für die Befindlichkeit der Finanzmärkte sein. Ein festerer Dollar war zuletzt stets Begleiterscheinung aufflackernder wirtschaftlicher und finanzieller Bedenken - und umgekehrt. Bei Abfassung dieses Textes fällt der Kurs. Interessant, warum: Dollar/Yen steigt relativ zu Euro/Yen. Schreiben die "Amis" von niedrigem Niveau aus wieder verstärkt Yen-Carry-Trades?


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de





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