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Staatsschulden, Citibank, Superfund und die Abgeltungsteuer

07.12.2008  |  Manfred Gburek
Karl Marx in den Bestsellerlisten, Angela Merkel als Schutzpatronin von Bankern und anderen Spielern, EZB-Chef Jean-Claude Trichet mit einer "historischen Zinsentscheidung" (so jedenfalls die Medien, doch das kann man schnell wieder vergessen) und dazu eine Hausse in deutschen Staatsanleihen (in amerikanischen sowieso),wie reimt sich das zusammen? Ganz einfach: Während die Zinsen ins Bodenlose zu fallen scheinen (jedenfalls Leitzinsen und Umlaufrenditen), nutzen Politiker die einmalige Chance, um sich als Retter der Welt - oder zumindest der Nation - aufzuspielen. Derweil bekommt der deutsche Mittelstand die mangelnde Kreditvergabe durch Banken bitter zu spüren, Verbands- und Konzernlobbyisten stehen in Berlin Schlange, um vom staatlichen Schutzschild zu profitieren, Politiker übertreffen sich gegenseitig mit Vorschlägen zur Ankurbelung der Konjunktur, und private Insolvenzen häufen sich beängstigend.

Am Ende (irgendwann in den kommenden Monaten), wenn das Palaver um sog. Steuerschecks bzw. Konsumgutscheine, Konjunktur- und Klimaschutzprogramme sich gelegt haben wird, dürfte Kanzlerin Merkel Maßnahmen ankündigen, die primär das Ziel haben werden, sie bei der Bundestagswahl 2009 als strahlende Siegerin davonkommen zu lassen. Da bin ich mir ganz, ganz sicher. Diese Maßnahmen zum Einfangen von Wählerstimmen (und nebenbei zur Stützung der Konjunktur) werden viel Geld kosten und den Staatshaushalt belasten, auch wenn die Zinsen für Bundesanleihen weiter im Keller bleiben. Staatspleite? I wo, die überlässt man Island, Argentinien oder Simbabwe - ungeachtet der Tatsache, dass sich quasi vor unserer Haustür eine Staatspleite nach der anderen zusammenbraut. Denken Sie nur an die Zahlungsprobleme von Ungarn oder an die Renditen griechischer Staatsanleihen, die fast doppelt so hoch sind wie die der deutschen.

Eigentlich kann ein Staat nicht pleite gehen (jedenfalls nicht im üblichen Sinn), solange er Geld druckt und mit dem dadurch immer wertloser werdenden Geld seine Schulden begleicht. Nehmen wir nur die USA: Dort steht der Staat, in Zusammenarbeit von Regierung und Notenbank, allein im Zuge der jetzigen Finanzkrise schon mit mindestens 8 Billionen Dollar im Obligo, und zwar als Versicherer gegen Kreditausfälle, als Leistungsträger für Unternehmensbeteiligungen und als Kreditgeber. Glauben Sie, dass er diesen Betrag je zurückzahlen kann, ohne sich derart zu verschulden, dass der Dollar am Ende nur noch einen Bruchteil seines heutigen Werts behält? Oder glauben Sie etwa, dass ein solches Kunststück der deutschen Bundesregierung gelingen wird? Doch wohl nicht im Ernst. So gesehen, ist die Anleihenhausse der vergangenen Tage und Wochen brandgefährlich, weil sie den Staat animiert, sich noch höher als geplant zu verschulden.

Aber warum steigt dann nicht der Preis des Goldes als Mittel zur Werterhaltung, als Bollwerk gegen Schulden, unabhängig von irgendwelchen Regierungsversprechen? Die Antwort auf diese Frage wird sich von allein ergeben, sobald der Goldpreis wieder steigt. Doch vorher macht er eine Liquidationsphase durch, das heißt, das Edelmetall ist, wie Aktien und Immobilien, zu einem - wenn auch nur kleinen - Opfer der Finanzkrise geworden, weil nach Liquidität gierende Großanleger es verkaufen. Damit wird um die kommende Jahreswende Schluss sein.

Nun noch ein enthüllender Rückblick auf den sog. Frankfurter Börsentag vom 29. November, weil er so ganz anders als sonst verlief: Vor der Börse stand ein Wohnwagen mit der Aufschrift "blank dank Citibank". Hier beklagten Anleger ihr Schicksal, denen die Citibank Zertifikate der inzwischen pleite gegangenen Lehman-Bank verkauft hatte (die armen Teufel richten sich nun an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages). Derweil verteilten Anti-Globalisierungs-Aktivisten von Attac etwas verschüchtert Handzettel mit der Aufschrift "Das Casino schließen", gezielt auf die Finanzmärkte. Wer zu den Veranstaltungen wollte, musste nach einer halben Stunde Schlangestehen, den Blick abwechselnd rechts auf das Denkmal mit den Börsenmaskottchen Bulle und Bär und links auf Polizeieskorten gerichtet, eine lächerliche Leibesvisitation wie am Flughafen über sich ergehen lassen. An den Ständen drinnen gaben dann ausgerechnet Zertifikateanbieter den Ton an (auch die Citibank), flankiert von flotten Fondsverkäufern, unter denen die der Firma Superfund mit verwirrenden, nicht näher kommentierten Ergebnissen bis zu 71,1% in 12 Monaten am kräftigsten auf die Pauke hauten und obendrein die drohende Abgeltungsteuer als Verkaufshilfe nutzten.

Wer bis zum Nachmittag ausharrte, wurde wenigstens durch einen der wenigen guten Vorträge entschädigt, gehalten vom Anlageexperten Jünemann (Börse Online) zu den Themen Anlegerpsychologie und Abgeltungsteuer. Er machte mit einem einfachen Rechenbeispiel allen Sprücheklopfern den Garaus, die das fadenscheinige Argument vorbrachten, durch die Geldanlage noch in diesem Jahr könne man später Abgeltungsteuer sparen. Jünemanns Fazit: Die Anlage in einem gemanagten Fonds 2008 bringt am Ende trotz Vermeidung der Abgeltungsteuer weniger Gewinn als die Anlage in einem nicht gemanagten Fonds 2009 nach Abzug der Abgeltungsteuer.

Da musste ich unwillkürlich an die Werbekampagne von Union Investment (Volks- und Raiffeisenbanken) aus dem laufenden Jahr denken, mit Sprüchen wie "Heute Steuermann. Morgen Steuersparer." oder "Bis 30.12. anlegen und 25 Prozent Steuern sparen!" Geworben wurde so für den Fonds UniRak. Wer darauf reinfiel, beklagte allein von Januar bis Oktober 23,8% Miese. Diese Zahl nannte Union Investment immer noch am 5. Dezember, obwohl ein weiterer Monat vergangen war. Onvista.de gab da, unter Beachtung der neuen Daten, schon minus 25,4% an. Das entspricht etwa dem Prozentsatz der Abgeltungsteuer - allerdings mit einem gravierenden Unterschied: Die Miesen beziehen sich auf den gesamten Einsatz von Anlegern zu Beginn des betreffenden Zeitabschnitts, während die Abgeltungsteuer von 2009 an allein den Gewinn (Wertsteigerung und Ausschüttungen) erfassen soll - sofern es ihn überhaupt gibt. Da kann man nur sagen: Steuermann, lass die Finger von so einem blöden Steuersparen!

Ich habe schon in meinem Buch über die dümmsten Sprüche der Banker vor der Masche mit der Abgeltungsteuer gewarnt; dort finden Sie weitere Details. Zu guter Letzt: Auf dem Rückweg vom Frankfurter Börsentag begegnete ich Helfershelfern der Firma Superfund (die mit den abenteuerlichen Ergebnissen). Sie verteilten kleine Geschenke an Passanten - ausgerechnet vor einer Filiale der Citibank.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).




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