Kondratieff und die aktuelle Krise
09.12.2008 | Klaus Singer
- Seite 2 -
Zur Beantwortung gehe ich vom Verlauf der Kreditblase aus. Seit 1982 hat die Kreditexpansion die Zunahme bei den Konsumausgaben und bei den gewerblichen Investitionen befeuert, Kapitalzuflüsse unterstützten die zunehmende Verschuldung der US-Wirtschaft. Aktuell liegt sie gemessen am von der Fed gebildeten Aggregat "Total Credit Market Outstanding" gut vier mal so hoch wie das BIP.Allerdings kommt es bei der Frage, wann die Entwicklung des Kreditvolumen für die Realwirtschaft gefährlich wird, nicht auf deren absolute Höhe und auch nicht auf deren Zuwachsrate alleine an. Entscheidend ist, wie sich Verhältnis Kredit zu BIP entwickelt. Wenn es stärker steigt als BIP und BIP-Deflator wachsen, kommt es zu Kredit-induzierten Problemen. Das Gleichgewicht im Wachstum von Kredit und BIP ist gestört, wenn es sich weder in ausreichend steigendem realem Wachstum niederschlägt, noch eine genügend starke Inflationierung für Kompensation sorgt. Der so erzeugte Indikator (im Chart gelbe Linie) liefert einen Alarm, wenn er unter Null fällt, die Schere zwischen den untersuchten Datenreihen also aufgeht.
Die Ergebnisse sind im Diagramm "Trouble-Modell - GDP und Schulden" auf der Unterseite "Makrodaten" dargestellt. Das "Trouble-Signal" zeigt plausiblerweise mit jeder Rezession einen unterschiedlich langen Ausschlag. Dabei fällt auf, dass bei der aktuellen, im Dezember 2007 gestarteten Rezession, sowie der von 2001 Kredit-induzierte Probleme schon vor deren Beginn gemeldet wurden. Daher kann vermutet werden, dass beim Ausbruch dieser Rezessionen die Kredit-Seite eine besondere Rolle gespielt hat.
Um der längerfristigen Zyklik hinter der Kreditentwicklung und ihrer Auswirkung auf die Realwirtschaft auf die Spur zu kommen, muss der Indikator geglättet werden. Dies geschieht mittels einer polynomischen Regression.
Der so bearbeitete Schulden-Krisen-Indikator markiert 1966, fünf Jahre vor Ende des Bretton Woods Systems, ein Hoch, die Wahrscheinlichkeit Kredit-induzierter wirtschaftlicher Probleme war mithin vergleichsweise gering. 16 Jahre später, 1982, kam es zu einem Tief mit entsprechenden, ausgeprägten Kredit-induzierten Problemen. Der Kredit expandierte anschließend kräftig und liegt seit diesem Jahr über dem BIP-Niveau. Das nächste Indikator-Hoch wird wiederum 16 Jahre später, 1998, markiert, kann aber das Niveau des Hochs von 1966 nicht mehr erreichen. Das weist auf die schon erhöhte Wahrscheinlichkeit Kredit-induzierter Probleme hin.
Bemerkenswert ist die Regelmäßigkeit bei den Abständen zwischen Hoch und Tief. Natürlich reicht die Untersuchung nicht aus, um hier eine "ewige" Gesetzmäßigkeit abzuleiten. Schreibt man aber diese Gleichförmigkeit in die Zukunft fort, so wäre mit dem nächsten Tief, und damit dem Ende der aktuellen Krise, im Jahre 2014 zu rechnen. Das liegt deutlich später als die ansonsten herumgereichten Prognosen, die von einer Erholung schon ab 2010 ausgehen.
Plausibilität für das gefundene Zeitraster kommt interessanterweise vor der Zyklik nach Kondratieff. Solche lange Wellen wirtschaftlicher Aktivität dauern 48 bis 60 Jahre, innerhalb dieser Zeitspanne unterscheidet man vier, etwa gleich lange Phasen. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben über den Beginn der aktuell laufenden K-Welle, weil sowohl der zweite Weltkrieg, wie die Keynesianische Wirtschaftspolitik der Jahre zuvor für Störungen verantwortlich gemacht werden.
Die meisten Beobachter legen ihren Beginn auf die frühen 1950er Jahre, das Hoch des beschriebenen "geglätteten" Indikators fällt damit in die erste, "Prosperität" genannte Phase. Das Tief des Indikators von 1982 liegt in der späten "Stagflations-" oder "Rezessions"-Phase. Das Hoch von 1998 wiederum fällt in die ausklingende Depressionsphase, für das eine in der primären Rezession inflationierte Preisstruktur und eine zunehmende Konsumorientierung typisch ist. Ebenfalls typisch: Die Verschuldung nimmt stark zu und begünstigt spekulative Blasen.
Nach dem Platzen der Technologieblase im Jahre 2000 startete die auch "Winter" genannte letzte Phase im Kondratieff-Zyklus. Typisch ist zunächst eine so genannte "sekundäre Depression", die einen etwa drei Jahre dauernden Kollaps umfasst. Die Preise fallen, Rohstoffe, insbesondere Gold, verteuern sich jedoch. Parallel zu den sinkenden Unternehmensgewinnen fallen die Aktienkurse.
Bis zu diesem ersten "Wintereinbruch" folgt die Geschichte dem Drehbuch von Kondratieff. Das sieht im Anschluss daran eine rund zehn Jahre dauernde deflationäre Entwicklung vor, in der der allgemeine Wohlstand rapide sinkt und die Wirtschaftstätigkeit auf breiter Front erlahmt. Es kam jedoch, anders als im Drehbuch, zu einer Phase von Inflation auf breiter Front, einschließlich einer Inflation bei Aktien.
Aus aktueller Sicht erscheinen mir diese Jahre bis zum Herbst 2007 als ein Intermezzo, das die Entfaltung des Kondratieffschen Winters verzögert, aber nicht verhindert. Durchaus möglich, dass sich damit die Gesamtlänge der aktuellen K-Welle verlängert. Aber auch so - wenn man eine Länge des "Winters" von 15 Jahren ansetzt (ein Viertel der Gesamtlänge der K-Welle von 60 Jahren), so wäre mit einem Ende des "Winters" in der Mitte der nächsten Dekade zu rechnen.
Der oben errechnete nächste Termin für ein Tief des dargestellten Schulden-Krisen-Indikators fiele mit 2014 in die Endphase des Kondratieffschen Winters. Auch das ist plausibel. Es liegt aus dieser Sicht nahe, dass man sich noch auf einige Jahre sehr heftiger wirtschaftlicher (und politischer) Turbulenzen einstellen muss. Auf einen tragfähigen Boden bei den Aktienkursen zu wetten, erscheint mir daher momentan verfrüht. Davon unbenommen - (heftige) Rallyes im Bärenmarkt sind immer wieder drin.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de