Rohstoffpreise - knallt’s bald?
14.03.2005 | Klaus Singer
Die US-Börsen blickten am vergangenen Freitag nach unten. Interessanterweise drehte der S&P 500 genau an der EMA50, des von institutionellen Anlegern häufig als Demarkationslinie betrachteten gleitenden Durchschnitts, und schloss dann haarscharf über der Psycho-Marke von 1.200. Alles Zufall? Die Technologie belastete besonders, angeführt von den Halbleitern, die zum wiederholten Male ein wichtiges Retracement in der Gegend von 440 im SOXX nicht überwinden konnten.
Das amerikanische Handelsbilanzdefizit hat sich im Januar um 4,5 Prozent auf 58,3 Mrd. Dollar erhöht, während Volkswirte einen Wert von 56,5 Mrd. Dollar prognostiziert hatten. Für Dezember wurde der Passivsaldo auf 55,7 Mrd. Dollar revidiert. Im Einzelnen wuchsen die Importe im Berichtsmonat um 1,9 Prozent auf 159,1 Mrd. Dollar, während die Exporte um 0,4 Prozent auf 100,8 Mrd. Dollar zulegten. Im Gesamtjahr 2004 erreichte das Defizit einen Rekordstand von 617,7 Mrd. Dollar. Damit wurde das bisherige Rekorddefizit von 496,5 Mrd. Dollar aus dem Jahr 2003 um 24,4 Prozent übertroffen.
Im Zuge dieser Veröffentlichung fuhr der Dollar Achterbahn. Zunächst fiel er gegenüber dem Euro unter die Marke von 1,3460, dann erholte er sich auf unter 1,34, um schließlich auf 1,3470 schließen. Mancher Beobachter glaubte sogleich, die Märkte würden nun den Effekt des gestiegenen Ölpreises vorwegnehmen und den Dollar weiter auf Talfahrt schicken. Aber das Gegenteil geschah über das Wochenende. Der Dollar erstarkte gegenüber dem Yen deutlich und auch gegenüber dem Euro zeigt er sich fest. Die kritische Grenze von 1,3460 gegenüber dem Euro jedenfalls bleibt zunächst unberührt.
Die Rohöl-Preise ziehen auch in dieser Woche wieder alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie dürften auch der Anlass für die Aktienschwäche am Freitag in den USA gewesen sein. Der Öl-Future erholte sich nämlich signifikant und auch heute morgen notiert er klar über 54 Dollar. Das Schwarze Gold ist nicht der einzige Rohstoff, der haussiert. Der weithin beobachtete CRB-Index notiert so hoch wie seit 24 Jahren nicht mehr. Er umfasst einen Mix aus den Preisen für Rohöl, Heizöl und Erdgas, Getreidesorten sind vertreten, Fleisch, Kaffee, Kakao, Zucker, Orangensaft und Baumwolle, aber auch Metalle wie Kupfer, Gold, Silber und Platin. Die 22 enthaltenen Rohstoffe zählen zu denen, deren Preise besonders sensitiv auf Veränderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen reagieren.
Mittlerweile scheint sich die anhaltende Hausse bei den Rohstoffpreisen auf der Ebene der Erzeugerpreise niederzuschlagen. Die Kernrate des amerikanischen PPI ist im Januar um 0,8 Prozent angestiegen, so schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. Da gewinnt der neuerliche Anstieg des Rohöls, sowie die aktuelle Aufwärtsbewegung bei den Rohstoffpreisen insgesamt eine besondere Bedeutung. Mancher Beobachter unterstellt, dass im Unterschied zum bis November 2004 laufenden Hausseschub nun die akute Gefahr besteht, dass sich die Preissteigerungen auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Begründet das wird damit, dass der Aufschwung nun einen selbsttragenden Charakter annähme, was vor allem mit der Belebung am Arbeitsmarkt begründet wird.
Es steht aber noch dahin, ob sich die Beweisspirale "selbstragender Aufschwung - steigende Rohstoffpreise - steigende Verbraucherpreise usw." wirklich dreht. Die Annahme, dass es so sein könnte, führte in der jüngeren Vergangenheit zu steigenden Kapitalmarktrenditen in den USA. Manch ein Beobachter fürchtet auch schon das Ende der gemütlichen Zinsschritte der Fed, die auf Anzeichen einer sich beschleunigenden Inflation frühzeitig reagieren müsste, wenn sie ernsthaft etwas ausrichten will.
Man kann sich der Frage, ob sich die benannte Spirale wirklich zu drehen begonnen hat, von mehreren Seiten nähern.
Zunächst lohnt ein Blick auf Indikatoren des ECRI-Instituts. Der Weekly Leading Index weist im Jahresvergleich einen Zuwachs von 3 Prozent auf 135,2 für die zurückliegende Woche aus. Am Ende des ersten Quartals 2004 hatte der Wert noch bei über 10 Prozent gelegen, im Spätjahr war er leicht unter Null getaucht. Der Future Inflation Gauge zeigt für Februar plus 1,6 Prozent Zuwachs auf 118,5 an. Das ist ebenfalls ein eher mäßiger Wert. Aus beiden, sehr zuverlässig arbeitenden Frühindikatoren lässt sich meiner Meinung nach gegenwärtig nicht auf eine sich beschleunigende Preissteigerung schließen.
Wendet man den Blick vom Ende der möglichen Spirale auf deren Anfang, so fällt auf, dass sich die persönliche Arbeitseinkommenssituation der Arbeiter und Angestellten in den USA auch mehr als drei Jahre nach Ende der Rezession in den USA nur wenig verbessert hat. Zuletzt lag zwar die Zahl neu geschaffener Stellen zum ersten Mal seit mehreren Monaten wieder über 150.000, dem Betrag, der wenigstens notwendig ist, um das Wachstum der Bevölkerung im Arbeitsmarkt aufzunehmen. Was die kaufkräftige Nachfrage betrifft, so hat die Entwicklung hier deutlich weniger gebracht als in früheren Nach-Rezessions-Jahren.
Hinterfragt man dann auch noch, wo die neu geschaffenen Stellen zu finden sind, so wird schnell klar, dass die meisten nur etwas mit unmittelbarem Konsum zu tun haben. Denn der Aufbau neuer Jobs findet vor allem in der Verwaltung und Gesundheitswesen, im Gastgewerbe und Tourismusbetrieb, sowie im Bau- und Immobiliensektor statt. Die verarbeitende Industrie hinkt weiter meilenweit hinterher. Das aber sieht nicht danach aus, dass hier ein selbstragender Aufschwung stattfindet. Insbesondere ist ein solcher Kapazitätsaufbau wie der gegenwärtige kaum geeignet, Auswege aus der horrenden Verschuldung, sowie aus dem Außendefizit der USA zu weisen.
Was ist nun mit den Rohstoffpreisen in der Mitte der Spirale? Weisen die wenigstens darauf hin, dass die wirtschaftliche Erholung nun so standfest geworden ist, dass sie im Kampf gegen steigende Preise kräftiger steigende Zinsen verträgt? Der CRB-Index wies am 1. Februar einen Stand von knapp 284 auf - aktuell notiert er bei fast 319. Das ist eine Steigerung von mehr als 12 Prozent in lediglich sechs Wochen. Beim Blick auf den CRB-Chart kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Fahnenstange errichtet wird, ein Kursverlauf mit exponentiellem Wachstum.
Ein ähnliches Bild zeigt der Dow Jones World Basic Materials Stock Index, der wichtige Aktien von Rohstoff-Anbietern versammelt. Er hatte sein letztes Tief im März 2003 ziemlich genau dort, wo er auch schon im September 2001, sowie im Oktober 2002 ausgelaufen war, und stieg danach bis Januar 2004 um gut 69 Prozent. Danach konsolidierte er bis Mai 2004 unterhalb der bis dahin erzielten Rekordmarke aus Anfang 2000. Anschließend wuchs der Index bis heute um erneut 46 Prozent an und steht jetzt bei knapp unter 200. Seine zuletzt erreichte Anstiegsdynamik wurde in der jüngeren Vergangenheit nur in einer Phase im ersten Halbjahr 1999 übertroffen.
In den erwähnten Charts werden spekulative Exzesse bei den Rohstoffen sichtbar. Wann dieser Hype seinen Höhepunkt erreicht, ist schwer zu sagen. Dass er sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindet, erscheint mir sicher. Spekulative Blasen platzen, bei dieser hier dürfte es besonders laut knallen. Meiner Meinung nach kann nach wie vor nicht davon gesprochen werden, dass in den USA ein selbsttragender Aufschwung eingesetzt hat, der dazu führen würde, dass der Inflationsmotor über starkes Stottern hinauskommt. Auch von den gegenwärtig haussierenden Rohstoffpreisen droht keine nachhaltige "Gefahr". Hier handelt es sich um eine spekulative Übertreibung in der Endphase.
Übertriebene Zinsängste sind aus all diesen Gründen denn ebenfalls nicht angebracht. Das schließt nicht aus, dass die Fed auf ihrer nächsten Zinssitzung am 22. März einen größeren Zinsschritt unternimmt. Wird der taktisch klug verkauft, könnte das der Inflation neuen Treibstoff geben - aber an einem anderen Ende, nämlich bei den Aktienkursen.
© Klaus Singer
www.timepatternanalysis.de
Das amerikanische Handelsbilanzdefizit hat sich im Januar um 4,5 Prozent auf 58,3 Mrd. Dollar erhöht, während Volkswirte einen Wert von 56,5 Mrd. Dollar prognostiziert hatten. Für Dezember wurde der Passivsaldo auf 55,7 Mrd. Dollar revidiert. Im Einzelnen wuchsen die Importe im Berichtsmonat um 1,9 Prozent auf 159,1 Mrd. Dollar, während die Exporte um 0,4 Prozent auf 100,8 Mrd. Dollar zulegten. Im Gesamtjahr 2004 erreichte das Defizit einen Rekordstand von 617,7 Mrd. Dollar. Damit wurde das bisherige Rekorddefizit von 496,5 Mrd. Dollar aus dem Jahr 2003 um 24,4 Prozent übertroffen.
Im Zuge dieser Veröffentlichung fuhr der Dollar Achterbahn. Zunächst fiel er gegenüber dem Euro unter die Marke von 1,3460, dann erholte er sich auf unter 1,34, um schließlich auf 1,3470 schließen. Mancher Beobachter glaubte sogleich, die Märkte würden nun den Effekt des gestiegenen Ölpreises vorwegnehmen und den Dollar weiter auf Talfahrt schicken. Aber das Gegenteil geschah über das Wochenende. Der Dollar erstarkte gegenüber dem Yen deutlich und auch gegenüber dem Euro zeigt er sich fest. Die kritische Grenze von 1,3460 gegenüber dem Euro jedenfalls bleibt zunächst unberührt.
Die Rohöl-Preise ziehen auch in dieser Woche wieder alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie dürften auch der Anlass für die Aktienschwäche am Freitag in den USA gewesen sein. Der Öl-Future erholte sich nämlich signifikant und auch heute morgen notiert er klar über 54 Dollar. Das Schwarze Gold ist nicht der einzige Rohstoff, der haussiert. Der weithin beobachtete CRB-Index notiert so hoch wie seit 24 Jahren nicht mehr. Er umfasst einen Mix aus den Preisen für Rohöl, Heizöl und Erdgas, Getreidesorten sind vertreten, Fleisch, Kaffee, Kakao, Zucker, Orangensaft und Baumwolle, aber auch Metalle wie Kupfer, Gold, Silber und Platin. Die 22 enthaltenen Rohstoffe zählen zu denen, deren Preise besonders sensitiv auf Veränderungen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen reagieren.
Mittlerweile scheint sich die anhaltende Hausse bei den Rohstoffpreisen auf der Ebene der Erzeugerpreise niederzuschlagen. Die Kernrate des amerikanischen PPI ist im Januar um 0,8 Prozent angestiegen, so schnell wie seit sieben Jahren nicht mehr. Da gewinnt der neuerliche Anstieg des Rohöls, sowie die aktuelle Aufwärtsbewegung bei den Rohstoffpreisen insgesamt eine besondere Bedeutung. Mancher Beobachter unterstellt, dass im Unterschied zum bis November 2004 laufenden Hausseschub nun die akute Gefahr besteht, dass sich die Preissteigerungen auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Begründet das wird damit, dass der Aufschwung nun einen selbsttragenden Charakter annähme, was vor allem mit der Belebung am Arbeitsmarkt begründet wird.
Es steht aber noch dahin, ob sich die Beweisspirale "selbstragender Aufschwung - steigende Rohstoffpreise - steigende Verbraucherpreise usw." wirklich dreht. Die Annahme, dass es so sein könnte, führte in der jüngeren Vergangenheit zu steigenden Kapitalmarktrenditen in den USA. Manch ein Beobachter fürchtet auch schon das Ende der gemütlichen Zinsschritte der Fed, die auf Anzeichen einer sich beschleunigenden Inflation frühzeitig reagieren müsste, wenn sie ernsthaft etwas ausrichten will.
Man kann sich der Frage, ob sich die benannte Spirale wirklich zu drehen begonnen hat, von mehreren Seiten nähern.
Zunächst lohnt ein Blick auf Indikatoren des ECRI-Instituts. Der Weekly Leading Index weist im Jahresvergleich einen Zuwachs von 3 Prozent auf 135,2 für die zurückliegende Woche aus. Am Ende des ersten Quartals 2004 hatte der Wert noch bei über 10 Prozent gelegen, im Spätjahr war er leicht unter Null getaucht. Der Future Inflation Gauge zeigt für Februar plus 1,6 Prozent Zuwachs auf 118,5 an. Das ist ebenfalls ein eher mäßiger Wert. Aus beiden, sehr zuverlässig arbeitenden Frühindikatoren lässt sich meiner Meinung nach gegenwärtig nicht auf eine sich beschleunigende Preissteigerung schließen.
Wendet man den Blick vom Ende der möglichen Spirale auf deren Anfang, so fällt auf, dass sich die persönliche Arbeitseinkommenssituation der Arbeiter und Angestellten in den USA auch mehr als drei Jahre nach Ende der Rezession in den USA nur wenig verbessert hat. Zuletzt lag zwar die Zahl neu geschaffener Stellen zum ersten Mal seit mehreren Monaten wieder über 150.000, dem Betrag, der wenigstens notwendig ist, um das Wachstum der Bevölkerung im Arbeitsmarkt aufzunehmen. Was die kaufkräftige Nachfrage betrifft, so hat die Entwicklung hier deutlich weniger gebracht als in früheren Nach-Rezessions-Jahren.
Hinterfragt man dann auch noch, wo die neu geschaffenen Stellen zu finden sind, so wird schnell klar, dass die meisten nur etwas mit unmittelbarem Konsum zu tun haben. Denn der Aufbau neuer Jobs findet vor allem in der Verwaltung und Gesundheitswesen, im Gastgewerbe und Tourismusbetrieb, sowie im Bau- und Immobiliensektor statt. Die verarbeitende Industrie hinkt weiter meilenweit hinterher. Das aber sieht nicht danach aus, dass hier ein selbstragender Aufschwung stattfindet. Insbesondere ist ein solcher Kapazitätsaufbau wie der gegenwärtige kaum geeignet, Auswege aus der horrenden Verschuldung, sowie aus dem Außendefizit der USA zu weisen.
Was ist nun mit den Rohstoffpreisen in der Mitte der Spirale? Weisen die wenigstens darauf hin, dass die wirtschaftliche Erholung nun so standfest geworden ist, dass sie im Kampf gegen steigende Preise kräftiger steigende Zinsen verträgt? Der CRB-Index wies am 1. Februar einen Stand von knapp 284 auf - aktuell notiert er bei fast 319. Das ist eine Steigerung von mehr als 12 Prozent in lediglich sechs Wochen. Beim Blick auf den CRB-Chart kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine Fahnenstange errichtet wird, ein Kursverlauf mit exponentiellem Wachstum.
Ein ähnliches Bild zeigt der Dow Jones World Basic Materials Stock Index, der wichtige Aktien von Rohstoff-Anbietern versammelt. Er hatte sein letztes Tief im März 2003 ziemlich genau dort, wo er auch schon im September 2001, sowie im Oktober 2002 ausgelaufen war, und stieg danach bis Januar 2004 um gut 69 Prozent. Danach konsolidierte er bis Mai 2004 unterhalb der bis dahin erzielten Rekordmarke aus Anfang 2000. Anschließend wuchs der Index bis heute um erneut 46 Prozent an und steht jetzt bei knapp unter 200. Seine zuletzt erreichte Anstiegsdynamik wurde in der jüngeren Vergangenheit nur in einer Phase im ersten Halbjahr 1999 übertroffen.
In den erwähnten Charts werden spekulative Exzesse bei den Rohstoffen sichtbar. Wann dieser Hype seinen Höhepunkt erreicht, ist schwer zu sagen. Dass er sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium befindet, erscheint mir sicher. Spekulative Blasen platzen, bei dieser hier dürfte es besonders laut knallen. Meiner Meinung nach kann nach wie vor nicht davon gesprochen werden, dass in den USA ein selbsttragender Aufschwung eingesetzt hat, der dazu führen würde, dass der Inflationsmotor über starkes Stottern hinauskommt. Auch von den gegenwärtig haussierenden Rohstoffpreisen droht keine nachhaltige "Gefahr". Hier handelt es sich um eine spekulative Übertreibung in der Endphase.
Übertriebene Zinsängste sind aus all diesen Gründen denn ebenfalls nicht angebracht. Das schließt nicht aus, dass die Fed auf ihrer nächsten Zinssitzung am 22. März einen größeren Zinsschritt unternimmt. Wird der taktisch klug verkauft, könnte das der Inflation neuen Treibstoff geben - aber an einem anderen Ende, nämlich bei den Aktienkursen.
© Klaus Singer
www.timepatternanalysis.de