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Glauben Sie an den Weihnachtsmann?

19.12.2008  |  Klaus Singer
Die Fed hat wieder einmal gesprochen: Die Leitzinsen werden auf einen Bereich zwischen Null und 0,25 Prozent gesenkt. Gleichzeitig will die amerikanische Notenbank weiterhin unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, um die Wirtschaft zu stützen.

"Eigentlich" war die Fed-Sitzung ein klassisches Nicht-Ereignis. Zwar liefen nur die kühnsten Erwartungen auf einen Zinsschnitt von 0,75 Prozent hinaus, mehrheitlich war mit minus 0,5 Prozent gerechnet worden. Aber seit einiger Zeit schon liegt die effektive Fed Funds Rate, also dass, was unabhängig von der Target Rate tatsächlich stattfindet, unter 0,25 Prozent. Und auch die Ankündigung unkonventioneller Maßnahmen ist lediglich die Bestätigung für das, was unter dem Stichwort "quantitave easing" längst passiert. Die Fed greift gezielt und massiv mit eigenen Mitteln in die Märkte ein, beleiht und kauft "Assets". Sie verschiebt so Liquidität von ihrer Bilanz in die Finanzmärkte. Bis August lagen die Assets der Fed relativ konstant unterhalb von 900 Mrd. Dollar. Aber mit der Lehman-Pleite schnellten sie hoch und summieren sich aktuell auf über 2 Bill. Dollar (siehe Chart).

"Uneigentlich" war die Fed-Sitzung kein Nicht-Ereignis. Denn mit dieser Sitzung bestätigt die Fed nun "offiziell", dass sie die Gefahr einer deflationären Spirale sieht. Der diesjährige Wirtschafts-Nobel-Preisträger Paul Krugman sagt dazu, die USA seien nun in der Liquiditätsfalle. Wörtlich: "Seriously, we are in very deep trouble. Getting out of this will require a lot of creativity, and maybe some luck too."

Der von Keynes untersuchte Umstand der Liquiditätsfalle beschreibt die Situation, dass Geld zunehmend weniger rentierliche investive Anlage findet. Es bleibt zunehmend liquide, steht dem Wirtschaftskreislauf jeweils nur noch kurzfristig zur Verfügung. Es wird mehr und mehr in der Spekulationskasse gehalten, es verschwindet in der Liquiditätsfalle. Die Folge ist eine deflationäre Spirale aus struktureller Nachfragelücke, Unterbeschäftigung, Arbeitslosigkeit, Kreditkontraktion und Absenkung des allgemeinen Preisniveaus, eben Deflation.

Die Fed-Sitzung gibt den Akteuren an den Währungsmärkten nun die Sicherheit, massiv gegen die EZB zu wetten. Der Euro steigt weiter gegen Dollar, der Dollar fällt gegen Yen auf ein 13-Jahres-Tief. Hierzu passt auch der starke EYN - die Akteure verschulden sich in Yen (starkes Zinsdifferential) und transferieren die Mittel in Euro (Carry-Trades). Die EZB wird sich früher oder später der Null-Zins-Politik der Fed anschließen müssen.

Die Bond-Renditen stürzen auf historische Tiefs. In Deflation sucht man die längsten Laufzeiten und die Risiko-ärmsten Papiere. Die Rendite der 13-wöchigen TBills krauchen weiter an der Nulllinie entlang - ein Zeichen von Cash-Präferenz. Und mithin auch eine Bestätigung, dass das Deflationsszenario in den Finanzmärkten angekommen ist.

Ganz anders die Aktien-Märkte: Nach der Fed-Sitzung dauerte es nicht lange und die Bullen übernahmen das Zepter. Sie bescherten den großen US-Indices Zugewinne zwischen 4,2 und 5,2 Prozent. Folgt der Feier jetzt der Kater oder bricht die Weihnachts- bis Abgeltungssteuer-Rallye los? Offenbar glauben die großen Akteure, der Zeitpunkt zur Verteilung/Distribution ist jetzt günstig und die Seitenlinie sieht im Ergebnis der Fed-Sitzung das hierzu passende Signal.

Aber der Anlass ist denkbar dünn. Die Geschenke von Weihnachtsmann Bernanke könnten schnell als das erkannt werden, was sie sind - schlechte Nachichten. Eine sehr unsichere Ausgangslage, die dadurch verkompliziert wird, dass am morgigen Freitag großer Verfallstag ist - noch dazu der letzte in diesem Jahr, noch dazu kurz vor der Feiertagsperiode. Vielleicht reicht es für eine kleine Verzweiflungs-Rallye (siehe Chart).

Bei Licht betrachtet fragt man sich, was es da für die Aktien-Bullen zu feiern gab. Bestenfalls die Botschaft: Wir sind bei Euch und tun das, was wir immer schon taten - Liquidität in die Märkte pumpen - auf das dringend notwendige strukturelle Anpassungen ein weiteres Mal vermieden werden!

Nur, dieses Mal ist die Situation anders. Der Staat ist dabei, die Wirtschaft zu übernehmen. Nachdem die US-Regierung bereits über 20 Prozent des Kapitals amerikanischer Banken verfügt, schickt sie sich jetzt an, sich auch in die Realwirtschaft einzukaufen.

Die amerikanischen Auto-Bauer, vor allem GM und Chrysler, aber auch Ford warten sehnsüchtig auf Hilfe durch den amerikanischen Staat. Ohne diese können sie nicht überleben und mit ihr - auch nicht. Sie stehen aktuell um kurzfristige Überbrückungskredite in Höhe von 15 Mrd. Dollar an. Selbst wenn sie diese bekommen - länger als bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Obama wird es nicht reichen. Beobachter schätzen, dass selbst die ursprünglich diskutierte Summe von 34 Mrd. Dollar höchstens bis zum Herbst weiterhilft und dann nochmals mehr als 100 Mrd. Dollar benötigt werden, bis die Konzerne wieder halbwegs auf eigenen Füßen stehen könnten. Abgesehen davon, dass lebenverlängernde Zahlung an die Konzerne "so wie sie sind" rausgeschmissenes Geld ist.

Man muss sich ernsthaft fragen, wie lange die Politik der Abfederei noch gehen soll. Oder gehen kann. Damit wird das freie Spiel der Marktkräfte immer weiter zurückgedrängt - ein bürokratischer Eingriff zieht den nächsten nach sich.

Das große Hintergrund-Problem des immer größeren staatlichen Engagements ist doch das: Wohlstand kann nachhaltig nur dadurch gesteigert werden, dass die Produktivität verbessert wird. Die Lebensgrundlagen einer Gesellschaft, deren Bedarf an Gütern, müssen so effizient wie möglich gedeckt werden. Was zu welchem Preis gebraucht wird, entscheidet sich über Mechanismen eines geordneten Marktes, nicht in Regierungen und Bürokratien.

Direkte staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozess mögen in besonderen Fällen notwendig sein, aber sie sollten begrenzt sein und vor allem auf das Funktionieren des Marktes abzielen, nicht sich an seine Stelle setzen. Aber offenbar sind die Verantwortlichen der Auffassung, sie könnten ein solch komplexes System wie die Wirtschaft eines Landes managen. Was dabei herauskommt, haben wir in den ehemals staatskapitalistischen Ländern sehen können.

In jedem Fall kommt bei der Verstaatlichung weiter Teile der Wirtschaft heraus, dass die Möglichkeiten zur Gewinnentwicklung drastisch fallen, die volkswirtschaftlichen Kosten steigen, die Effizienz leidet. Das wiederum grenzt längerfristig die Phantasie hinsichtlich der Entwicklung der Aktienkurse stark ein. Mit diesem Thema hatte ich mich am 12. Dezember 2008 im Artikel "Dow - der Umweg über 14.000" auseinandergesetzt.

Die erwähnten Charts können in diesem Artikel auf der Web-Seite der TimePattern eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de




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