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Vorschau 2009 - der fundamentale Rahmen

27.12.2008  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Die Bedingungen für eine schnelle Bereinigung der Krise und einen schnellen realwirtschaftlichen Aufschwung sind schlecht. Mit der nach 2000 in ihr exponentielles Stadium eingetretene Globalisierung geht die zunehmende (zumindest relative) Verarmung breiter Bevölkerungsteile in den Industrieländern einher. In den USA konnte dies noch eine zeitlang durch den aus der Immobilienblase herrührenden Wohlstandseffekt kompensiert werden (aber nur zum Preis einer nun besonders rasanten Entwicklung in die Gegenrichtung). In der EU wurde die Osterweiterung gezielt genutzt, um die Reallöhne zu drücken. Jetzt reibt man sich verwundert die Augen, dass z.B. Hartz-IV-Empfänger keine neuen Autos kaufen. Die durch Reallohndrückerei und anstehende Massenentlassungen schrumpfende Kaufkraft in den Industrieländern lässt riesige Kapazitäten in den Emerging Markets brach liegen. Diese Länder steuern mit (Kredit-finanzierten) Subventionsprogrammen gegen, deren Anteil am BIP weltweit auf Rekord-Niveau liegt. Das führt zu Aufwertungstendenzen der entsprechenden Währungen und behindert deren Exporte zusätzlich zur nachlassenden Nachfrage aus den Industrieländern.

Die gegenwärtige Situation birgt den Keim einer Rückabwicklung der Finanzindustrie . Das alleine muss nicht negativ sein, hat der ungezügelte Finanzkapitalismus der zurückliegenden Jahre doch bewiesen, dass durch künstlich billige Kredite Fehlallokationen von Ressourcen in gigantischem Umfang bewirkt wurden. Auf die dadurch begünstigte Krise wird jetzt mit massiven staatlichen Eingriffen in die Real- und Finanzwirtschaft reagiert, bis hin zu staatlichen Beteiligungen. Diese haben in den USA im Finanzbereich schon die Marke von 20 Prozent erreicht.

Das birgt die akute Gefahr, dass Marktmechanismen ausgehebelt werden. Dadurch wird die Flexibilität der Wirtschaft eingeschränkt, die gesellschaftliche Produktion verliert an Effizienz (siehe Artikel "Dow - der Umweg über 14.000" vom 12. Dez. 2008, auch "Aktien-Inflation in Deflation" vom 28. Nov 2008). Die Kosten der gesellschaftlichen Produktion steigen, die Gewinnmöglichkeiten privater unternehmerischer Initiative nehmen ab. Mithin verschlechtern sich die Entwicklungsmöglichkeiten, bzw. Renditemöglichkeiten privater Investitionen zusätzlich zum aktuell schon negativen zyklischen Kontext auch strukturell. Das begünstigt Cash-Hortung und deflationäre Spirale.

Der charismatische Redner und künftige Präsident Obama hat die Amerikaner überzeugt, dass die Demokraten den besseren Weg aus der Krise weisen. Der erste Nicht-Weiße im Weißen Haus ist zugleich ein Signal der Flexibilität der amerikanischen Gesellschaft und des Willens der Amerikaner, mit vereinten Kräften die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Ob Obama auch in der Lage sein wird, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, muss sich noch zeigen. Die Voraussetzungen dafür, dass die USA die Krise schneller und besser bewältigen als die EU sind jedenfalls recht gut. Die USA verfügen über einen großen, einheitlichen Binnenmarkt mit einer relativ zentralistisch ausgerichteten politischen Führung. Die EU ist hingegen ein bürokratisch verkrustetes Gebilde. Sie ist wirtschaftlich, politisch und finanziell, auch kulturell heterogen. Die EU kann damit nur schwerfällig auf die Anforderungen der Krise reagieren. Der hierdurch entstehende Tempoverlust kann gravierende Auswirkungen haben, begründet aber auf jeden Fall deutliche Nachteile im globalen Vergleich.

Da die USA sich in der nächsten Zeit relativ stark auf ihr "Innenleben" konzentrieren werden, entsteht Freiraum für andere Großmächte, mehr Einfluss in der Welt zu erlangen. Der Versuch der Neuaufteilung der Welt wird mittelfristig zu verstärkten internationalen politischen Spannungen führen.

Mit den national sehr unterschiedlichen Subventionsprogrammen und der Konzentration auf die Bewältigung der Krise im eigenen Land wird es auch zu einer Einschränkung des Welthandels kommen. Die Ansätze hierzu sind schon deutlich zu sehen. Diese Tendenz zur Rückabwicklung der Globalisierung wird begleitet werden von einer Tendenz zu Handelsbeschränkungen und stärkeren Regulierungen im internationalen Waren- und Kapitalverkehr.

Insgesamt dürfte die Möglichkeit sozialer Unruhen zunehmen, erst recht, wenn sich die Ansätze einer Depression ausprägen. Hierfür haben die meisten Staaten seit 2001 um Rahmen der Terroristenhatz Vorkehrungen getroffen. Die Notstandsgesetze der ehemaligen BRD z.B. nehmen sich gegenüber den mittlerweile erreichten tatsächlichen und gesetzlich möglichen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten vergleichsweise niedlich aus.

Bemühungen zu einem stärkeren Klimaschutz dürften in vielen Ländern aus kurzsichtigen "Kostenerwägungen" zurückgeschraubt werden. Der kollabierende Ölpreis tut ein Übriges, um die Effizienz der Energiegewinnung auf der Prioritätenliste nach unten rutschen zu lassen. Dabei ergäben sich genau hier große Chancen. Andeutungen des zukünftigen US-Präsidenten Obama lassen vermuten, dass er diese durchaus sieht.

Zusammenfassung: Wir befinden uns am Anfang einer schweren Rezession, die noch 18 bis 24 Monaten dauern dürfte. Es besteht die akute Gefahr einer deflationären Spirale und eines Abgleitens in eine Depression. Die tiefgreifende Unsicherheit über die weitere Entwicklung und die Furcht vor großen strukturellen Umbrüchen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene dürften für anhaltende, erhebliche Volatilität an den meisten Segmenten der Finanzmärkte sorgen.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de






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