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Wie sagte doch Fed-Chef Bernanke in dieser Woche vor dem amerik. Senat?

28.02.2009  |  Klaus Singer
Wie sagte doch Fed-Chef Bernanke in dieser Woche vor dem amerikanischen Senat?: "If actions taken by the Administration, the Congress, and the Federal Reserve are successful in restoring some measure of financial stability -- and only if that is the case, in my view -- there is a reasonable prospect that the current recession will end in 2009 and that 2010 will be a year of recovery."

Es geht doch nichts über eine klare Aussage. Das dachten sich auch die Aktien-Bullen und zogen die Aktienindices in den USA nach dieser Rede kräftig nach oben. Der S&P 500 war zuvor fast punktgenau auf das Tief aus November 2008 abgetaucht.

Aber in den Folgetagen fiel den meisten Akteuren an der Wall Street dann doch nicht mehr ein, was Bernanke wohl gemeint haben könnte und so hörten sie auf die Worte ihres neuen Präsidenten, hörten von Regulierung, Haushaltsdisziplin, höheren Steuern für Reiche und schließlich auch noch von einem neuen Gesundheitssystem. Und das passt nun mal nicht in das Weltbild derer, die gerne noch einmal das schöne Spiel "die Reise nach Jerusalem" spielen wollen - dieses Mal aber mit einer ausreichenden Anzahl von Stühlen.

Auch wenn Wall Street mit fallenden Kursen gegen Obama stimmt, so gilt die Aussage meines Artikels aus der Vorwoche noch (!) weiter: Die Aktienmärkte hängen am seidenen Faden. Im S&P 500 wird es erst unter 740 richtig dramatisch, über einem Schlusskurs von 774 hellt sich das Bild bullisch auf. "Unter der Decke", unter Intermarket-Aspekten nämlich, gibt es durchaus bemerkenswerte bullische Attitüden. So zeigen sich Euro und Dollar jeweils gegen Yen in den vergangenen Tagen fest. Die beiden "Carry-Trade-Indikatoren" haben ihre Eigenschaft, positiv mit Aktien korreliert zu sein, noch nicht verloren.

In den bullischeren Intermarket-Kontext passt auch, dass Gold bei 1.000 Dollar pro Feinunze vorerst gescheitert ist und sich nun anschickt, den wichtigen Pegel bei etwa 920 zu testen. Gold bewegt sich zuletzt strikt invers zu Aktienkursen und seit einigen Wochen auch zu Euro/Dollar. Eine Korrelation zeigt kein Ursache-Wirkungs-Verhältnis. Die dahinter steckende gemeinsame Ursache dürfte in Ängsten bestehen, einerseits in Bezug auf galoppierende Inflation, andererseits in Bezug auf einen Zusammenbruch des Finanzsystems.

Hinsichtlich Inflation kann ich nur immer wieder vor einem zu einfachen Zusammenhang zwischen ausufernder Verschuldung, Geldmengenexplosion und Preisauftrieb warnen. Für Inflation kommt es darauf an, dass die Geldmenge auch da ankommt, wo sie preistreibend wirken kann, nämlich beim Verbraucher. Zugleich darf die Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht dagegen stehen. Wenn die anwachsende Geldmenge aber vorrangig dazu eingesetzt wird, im "Deleveraging-Prozess" Schulden abzubauen, gibt es keinen inflationären Impuls. Genauso verhält es sich mit den steuerlichen Anreizen. Sie werden wenig dazu beitragen, zu verhindern, dass die Krise in eine lange Abwärtsphase mündet. So lange die Probleme im Finanzsystem nicht behoben sind, wird jeder Nachfrageimpuls (mit Verzögerung) dazu benutzt, Kredite zurückzufahren. Irving Fishers Schulden-Deflations-Theorie ist nach wie vor aktuell (siehe auch meinen Artikel vom 28. Nov. 2008).

Das Vertrauen der amerikanischen Verbraucher (CCI) ist mittlerweile auf den tiefsten Stand seit 1967 abgerutscht. Es besteht ein starker Gleichlauf zum Rekordeinbruch der Hauspreise (Case-Shiller-Index). Der Verbraucher, der viel zitierte Mann (Frau) auf der Strasse, hat das Vertrauen verloren. Die völlig abwegigen Erwartungen der hohen Herren Ökonomen an Wall-Street, die im Vorfeld der CCI-Veröffentlichung mit einem Rückgang auf lediglich 35,5 Punkten nach 37,4 Punkten im Vormonat gerechnet hatten, wurden Lügen gestraft. Hatte sich der CCI in den beiden zurückliegenden Rezessionen jeweils bei einem Niveau von rund 60 fangen können, so liegt er aktuell bei 25.

Das fehlende Konsumentenvertrauen, besser das Konsumentenmisstrauen ist der tief und fest sitzendste Umstand dieser Krise. Wenn die Stimmung auf einem Tiefpunkt angelangt ist, kann das zwar auch immer ein Hinweis auf einen Boden sein. Aber die Dynamik der Entwicklung spricht nicht dafür. Sie weist eher auf weiter sinkende Konsumbereitschaft und mithin auf eine anhaltend schlechte wirtschaftliche Situation in den USA hin, wo rund 70 Prozent der Wirtschaftskraft vom privaten Konsum abhängig sind.

Woher soll das Vertrauen auch kommen? Konsumzurückhaltung ist da eine ganz normale, logische Entscheidung. Sie wird auch durch halbherzige Versprechungen irgendeiner Regierung nicht umgekehrt, sondern nur durch handfeste, überzeugende Aktionen.

Der ehemalige Fed-Präsident und Greenspan-Vorgänger Paul Volker, sowie jetziges Mitglied im wirtschaftlichen Beraterteam Obamas hat kürzlich entsprechende Vorschläge gemacht. Er fordert die Rückkehr der Geschäftsbanken zu einer Brot- und Butter-Geschäftspolitik: Sie sollen sich wieder auf das konzentrieren, womit sie der Güterwirtschaft dienen, Spargelder verwalten, sowie Kredite an Private und Unternehmen vergeben. Alle anderen Aktivitäten sollen begrenzt sein, das Spekulieren außerhalb der Bilanz (und damit außerhalb der direkten Zentralbankkontrolle) ist verboten.

Die Obama-Regierung hat zumindest Weichen gestellt, die die Möglichkeit eröffnen könnte, dass die Reise in diese Richtung gehen könnte. In dieser Woche sind Stress-Tests der 20 größten US-Banken angelaufen, die ein klareres Bild über die weiter bestehenden Risiken in den Bilanzen geben können. Wenn ("If") dann die richtigen Konsequenzen gezogen und die Institute gezwungen werden, sich vom Schatten-Finanzsystem zu verabschieden, kann der mehrfache Konjunktiv im Satz zuvor durch eine bestimmtere Aussage ersetzt werden. Dazu gehört zur Not auch, Banken zu verstaatlichen, sie auseinander zu nehmen und auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu stellen.

Es ist klar (und verständlich), dass den Turbokapitalisten an Wall Street diese Richtung nicht passt. Es war ja auch zu schön seit 1990: Die Vorstandsgehälter in den 500 größten US-Unternehmen hatten sich seitdem vervierfacht, während sich die Unternehmensgewinne sich gleichzeitig lediglich verdoppelten. Die Vorstände haben also weit überproportional am Erfolg partizipiert, während Arbeiter und Angestellte mit einer Steigerung ihrer Entlohnung um nicht einmal 10 Prozent kaum etwas davon gehabt haben. Dafür eröffnete das Finanzsystem ihnen als zusätzliche Einkommensquelle die Spekulation mit Immobilieneigentum. Mit den bekannten Folgen.

Wo soll da das Verbrauchervertrauen herkommen?

Nun, da auch das Turbokapitalistenvertrauen leidet, kann es ja nur noch besser werden. Aber wahrscheinlich wird es erst einmal noch schlimmer.

Die deflationäre Spirale hört erst dann auf, sich zu drehen, wenn der Verbraucher wieder Vertrauen fasst. Und wenn er dann Geld in der Hand hat, um es auszugeben. Erst dann kann man wieder ernsthaft über ein Ende der Krise und Inflation reden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de






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