Subvention, Protektion, Evolution
06.03.2009 | Klaus Singer
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Wenn uns das Beispiel der 1930er Jahre lehrt, dass Protektionismus eine Rezession so weit verschlimmern kann, dass daraus eine Depression wird, so lehrt uns das japanische Beispiel der 1990er Jahre, dass es nicht damit getan ist, die Wirtschaft in einer Finanzkrise mit Liquidität zu überschwemmen. Dadurch dass man damals die Zombie-Banken stützte, wurde weder eine deflationäre Tendenz verhindert, noch konnte das Banken-System gesunden. Dieser Tage kam ein Vorschlag auf den Tisch, der auf Jeremy Bulow, Stanford, zurückgeht: Man nehme alle gesunden Assets einer taumelnden Bank, sowie alle Spareinlagen und übertrage sie auf eine neue, gute Bank, die mit angemessenem Eigenkapital ausgestattet wird. Die alte Bank fungiert als deren Holding und behält alle faulen Assets. Sie hört auf, Bank zu sein, bleibt im Besitz der alten Anteilseigner, bleibt Schuldner für alle ausstehenden Anleihen, Commercial Papers usw.
Falls nach Ende der Finanz-Turbulenzen der Restwert der faulen Assets die Schulden der Holding übersteigt, profitieren die Anteilseigner, falls nicht, gehen sie leer aus und Bond-Halter müssen einen Abschlag hinnehmen. Bei einer Pleite der Holding können ihre Restwerte einschließlich der Anteile an der guten Bank meistbietend verkauft werden. Insoweit wäre das ein normales Verfahren nach Chapter 11 der amerikanischen Konkursordnung. Die Auswirkungen einer Pleite blieben isoliert, die gute Bank wäre nur wenig tangiert.
Der Vorteil dieses Konzepts ist zweifellos, dass sich für die gegenwärtigen Anteils- und Bond-Halter nichts zum Negativen ändert. Es findet keine Enteignung und keine Verwässerung statt. Im Gegenteil - die Aussichten, dass die neue „gute“ Bank besser läuft als die alte Gesamtheit, sind gut, demzufolge bietet diese Konstruktion Rendite-Chancen. Komplexe Bewertungsfragen und Finanzarithmetik stehen nicht an - sie wären bei einer klassischen Bad Bank ein großer Stolperstein. Und: Das vorgeschlagene Konzept würde einen klaren Schnitt vollziehen, was aktuell vielleicht das klimatisch Wichtigste ist.
James Baker schlägt vor, die Banken in drei Gruppen zu teilen, die guten, die schlechten und die nötigen. Die schlechten solle man schließen, die nötigen sollten restrukturiert, wenn nötig, verstaatlicht werden. Dabei sollte das Management entlassen, die Anteilseigner enteignet, den Bond-Haltern ein „Haarschnitt“ verpasst werden. Anderenfalls werde die USA in dieselbe Richtung gehen wie Japan in den 1990ern.
So wie die Planung der Obama-Regierung jetzt aussieht, wird zusätzlich zu den 700 Mrd. Dollar des TARP-Programms noch einmal eine Summe von 750 Mrd. Dollar an direkten Hilfen für die Finanzindustrie bereit gestellt. Abgesehen davon, dass das langsame Sterben einiger großer Institute immer mehr Steuergeld verschlingen könnte, unterminieren die beständigen Notaktionen des Staates das Vertrauen in das Bankensystem immer weiter.
Zwar sind die Vorhaben der Obama-Regierung zur Rettung der Finanzindustrie immer noch besser als die klassische, von der Wall Street gewünschten "Bad Bank", aber sie wirken wenig entschlossen, sind eher reaktiv. So werden die Mittel ineffektiv eingesetzt und man läuft Gefahr, dass sich das japanische Beispiel wiederholt, indem Zombie-Banken zu einem deflationär wirkenden Kapital-Fass ohne Boden werden. (Ich hatte mich im Artikel vom 27. Feb 2009 mit dem Zusammenhang zwischen Deleveraging und Deflation befasst.)
Sind Rettungsaktionen für Finanzsysteme nicht auch eine Art Subvention oder Protektionismus? Ja, wenn sie darauf hinaus laufen, faktisch tote Banken "so wie sie sind" am Leben zu erhalten. Nein, wenn Maßnahmen ergriffen werden, wie sie Roubini, Stiglitz, Bulow oder Baker vorschlagen. Denn es geht darum, die Folgen der neoliberalen, von Politik und Zentralbanken zu verantwortenden Laissez-faire-Deregulierung insbesondere nach 2000 zu beseitigen. Es geht darum, ordnungspolitische Fehler zu korrigieren und einen RAHMEN zu schaffen, der im Finanzbereich wieder Marktmechanismen implementiert und das Finanzwesen zu einer der Güterwirtschaft dienenden Funktion zurückführt.
Leider ist aber momentan ziemlich sicher, dass dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird - das Ganze wird münden in eine Serie von bürokratischen, operativen Eingriffen in die Märkte (im Sinne etwa des Verbots von Leerverkäufen). Man darf auf das G20-Treffen im April gespannt sein, auf dem eine neue Weltfinanzordnung beschlossen werden soll.
Alles in allem: Wenig Hoffnung momentan, dass die Finanz-Industrie aus dem Gröbsten heraus ist - eher im Gegenteil. Immerhin hat der Führer der internationalen Finanzwelt, Fed-Chef Bernanke, nun auch die Zeichen der Zeit erkannt: Hatte er im Herbst 2007 die Verluste aus der Finanzkrise noch mit 100 Mrd. Dollar veranschlagt und einige Monate später von rund 500 Mrd. Dollar gesprochen, so taxierte er sie jüngst vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats auf einige Billionen Dollar. Das wussten einige schon lange vor ihm.
The worst to come, würde der Amerikaner sagen.
© Klaus G. Singer
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