Mein Credo: Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der nächsten 2 Jahre
03.07.2009 | Dr. Dietmar Siebholz
In den letzten Wochen und Monaten habe ich viel gelesen und das Gelesene kritisch durchdacht; dazu habe ich mich bemüht, keine Journaille an mich herankommen zu lassen, es sei denn, sie hätte lediglich über Fakten aus Politik und Wirtschaft berichtet. Ich glaube, es wird an der Zeit sein, auch die Motive der Kommentatoren und die mögliche Zielsetzung ihrer Kommentare nach dem alten lateinischen Motto "cui bono" (wem nützt dies?) zu überdenken. Zuviel steht für das Establishment auf dem Spiel. Die ökonomischen Sünden der letzten 25 Jahre fordern ein Umdenken und vor allem ein Umlenken, das aber von den Hauptakteuren in der politischen Weltstrikt verweigert wird.
Nun hat die Historie gezeigt, dass das Festhalten an Althergebrachtem, aus welchen Gründen auch immer, den Keim des Untergangs mit sich trägt. Ersparen Sie mir die Aufzählung der Beispiele für diese These; es sind zu viele, ob es das Ende der Dampfmaschinenära, der Segelschiffe oder viele andere Entwicklungen war, immer bedeutete das Festhalten an gewohnten Prinzipien "Verlust und Untergang".
Mein Credo - das kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "ich glaube.(daran") - ist denkbar einfach. Es umfasst sechs Zentralthemen, auf die ich im Folgenden kurz eingehen werde.
Thema 1: Europa und die individuelle Freiheit
Wir sind seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gewohnt, unsere umfangreichen Freiheiten zu genießen; gewöhnen Sie ich daran, dass mit welchen Begründungen auch immer diese Freiheiten mit dem Niedergang der westeuropäischen Industrienationen mehr und mehr eingeschränkt werden nach dem Motto "die Freiheit stirbt zuerst". Der freie Kapitalverkehr wird stark eingeschränkt, das Hexentreiben gegen die Schweiz, gegen Österreich und Liechtenstein und das permanente Hetzen gegen steuergünstige Standorte sind ein Teil dieses Trends. Bei dem dann bald eintretenden Verteilungskampf der Länder (PIGS-Staaten P-ortugal, I-talien, G-riechenland und S-panien) sowie Irland auf der einen und Deutschland, Niederlande und Österreich auf der anderen Seite werden Spannungen auftreten, durch die die Freiheiten immer weiter eingeschränkt werden müssen.
Thema 2: Inflation oder Deflation
Mein Essay vom 06.06.2009 unter dem Titel "Aussichten 2009: Deflation, Inflation oder...?" zeigt deutlich auf, welche Meinung ich vertrete. Solange die Politiker keine vollständig unabhängigen Notenbanken zulassen, damit diese ihnen nicht die Geldschöpfungsmacht entziehen oder sogar die Politik kontrollieren können, werden sie die Wohltaten an ihre Wähler (mit dem Ziel, diese so zu bestechen, damit sie wiedergewählt werden und an der Macht bleiben) weiter verteilen, auch wenn das Kapital für diese Wohltaten dafür nicht vorhanden ist.
Die Schuldenfinanzierung hat aber tödliche Spielregeln, das Ende ist immer eine Währungsreform, wenn man entdeckt, dass man die eingegangenen Schulden nicht mehr bedienen kann. Wenn Sie diese Schuldenwirkung nicht einschätzen können, dann helfe ich Ihnen weiter. Sie wissen, dass der Niedergang der USA mit der Kriegsfinanzierung für Vietnam eng verbunden ist, denn ab dieser Zeit begannen die USA, ihre Kriege mit Krediten (mit so genannten Euro-Dollars) zu finanzieren. Die Schätzungen, in welchem Umfang Kredite letztendlich für den Vietnam-Krieg aufgenommen worden sind, bleiben auch heute noch sehr unbestimmt. Es werden an die 150 Mrd. geschätzt. Nehmen wir also einmal einen Musterkredit in Dollar von 1,0 Mrd. US$ an, der seit dem Jahre 1972 nicht getilgt, sondern immer wieder mit neuen Krediten prolongiert wurde und mit einem Durchschnittszinssatz von 6% zu verzinsen war.
Natürlich haben die USA nach der ersten Festschreibungsperiode dieses Darlehen getilgt, aber nur durch Neuaufnahme eines weiteren Darlehens. Was meinen Sie, ist die heutige Sollstellung dieses 1,0 Mrd.-US$-Kredits von 1971? Heute wären inkl. Zins und Zinseszins etwas mehr als 8,6 Mrd. US$ zu tilgen. Unglaublich? Das ist der Zwang der Zinseszinsrechnung. Rechnen Sie nach! Alle von den Staaten aufgenommenen Darlehen haben das gleiche Schicksal: Sie wurden nie getilgt und erfahren die exponentielle Belastung aus der Zinseszinsrechnung, denn auch die Zinsen werden in den Folgejahren mitfinanziert. Die Regierungen dieser Welt müssen daher zwangsläufig irgendwann einmal Bankrott anmelden, weil sie die Zins- und Tilgungslasten nicht mehr stemmen können, aber spätestens dann, wenn die Bürger des Staates mit den vielen Nullen auf den Banknoten nicht mehr intellektuell zurechtkommen.
Bis dahin werden die Staaten und ihre Notenbanken aber zur Aufrechterhaltung ihrer fehlgeleiteten Systeme Geld in den Umlauf bringen, um den Anschein einer stabilen Konjunktur zu wahren oder um sich über eine Wahl zu retten.
Daher werden sie, gerade wenn es zeitweilig den Eindruck erwecken sollte, die Deflation würde die Überhand gewinnen, dann noch "eine Schippe drauflegen", um sich aus dem Sumpf heraus zu inflationieren. Der US-FED-Präsident sagte es so drastisch und er meinte es ernst; "dann werden wir halt Geld aus Helikoptern abwerfen, um die Konjunktur zu beleben...". Wenn ich mich nicht irre, ist dies aber lediglich Baron zu Münchhausen gelungen, sich und sein Pferd an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Lesen Sie hierzu meinen Kommentar vom 19. Mai 2009 unter der Überschrift "Wann platzt die Mutter aller Blasen (nämlich die Anleihenblase)"
Thema 3: Überschuldung und Schuldenbereinigung
Spätesten mit dem steigenden Misstrauen der Anleger, die die Flut an Neuemissionen von Staatsanleihen (diese hohen Neuemissionen müssen ja sein, weil die Bankensanierung und die Konjunkturförderung nicht aus vorhandenen Reserven, sondern aus Schulden finanziert werden müssen) dann nicht mehr abnehmen, werden die Zinsen steigen müssen; sie sind derzeit durch die Notenbanken künstlich niedrig gehalten. Das ist das Gleiche wie bei einer zusammengedrückten Feder: Wird der Widerstand zu groß und man lässt die Feder frei, dann entfaltet sich blitzartig der aufgestaute Druck. Das System kollabiert aber, wenn sich die derzeit künstlich niedrig gehaltenen Zinsen auf ihr "natürliches" Niveaus zurückbegeben werden, denn die Riesenberge an Schulden können kaum eine durchaus denkbare 50%-ige Steigerung der Zinssätez von z.B. 3,75% auf 5,62% vertragen.
Thema 4: Welche Grundsätze muss der verantwortungsbewusste Bürger zur eigenen Sicherheit-beachten?
Erkennen Sie bitte, dass der Staat Ihr erbittertster Gegner ist, denn er muss sich, um sich und die von ihm Abhängigen ernähren zu können, Ihr Kapital möglichst schnell und einfach durchsetzbar aneignen. Er wird Ihnen falsche Maßstäbe (also Statistiken etc) reichen und Sie zwingen, Dinge zu tun, die Sie freiwillig nie vollziehen würden. Aber bedenken Sie: Wenn es selbst für Falsches und Unethisches ein Gesetz gibt, dann ist jede Handlung eines Staates legal, d.h. dem Gesetz entsprechend.
George Bernhard Shaw hat dieses Verhalten in einem anderen Zusammenhang mit dem Kommentar bedacht: "Machen Sie sich keine Illusionen, der Staat muss so sein, denn bedenken Sie: Andernfalls müssten die Kinder einer humanen Tigerin ja verhungern...". Machen Sie sich durch ein Bargeldpolster wo auch immer, unabhängig, reduzieren Sie ihre Verbindlichkeiten, denn die werden Ihnen auch in einer Währungsreform nicht erlassen (so war es immer und so wird es immer sein, denn der Staat braucht ja in einer Währungsreform Barmittel, um seine Abhängigen zu subventionieren). Leben Sie in Ihrer eigenen Immobilie, wenn Ihnen dies möglich sein sollte.
Da nicht zu erwarten ist, dass der Staat wirklich die Inflation bekämpft, denn durch eine Deflation würden ja seine Schulden erheblich aufgewertet und daher überhaupt nicht mehr tilgbar sein, wird er den Weg der (un)heimlichen Besteuerung über die Inflation wählen. Halten Sie daher neben Barmitteln für die tägliche Überlebenssicherung vor allem wertstabile, beweglich Güter, bei denen der Zugriff des Staates nicht so einfach ist, wie beim Erwerb von Bundesanleihen etc.
Engagements in Edelmetallen sind deshalb wie eine Unfallversicherung anzusehen. Gut, dass man sie hat, aber schöner wäre es, wenn man sie nie brauchen sollte. Im Gegensatz zur Unfallversicherung aber bleibt einem das in Edelmetallen angelegte Kapital erhalten und verwertbar. Andere Rohstoffe, wenn diese auch problematisch aufzubewahren und zu verwerten sind, stellen eine weitere Alternative dar, vor allem, weil man ihren Besitz nie verbieten kann. Sie sind ja wichtig und werden industriell benötigt.
Thema 5: Denken Sie "grenzenlos"
Denken Sie auch an das Undenkbare. Warum nutzen Sie die Vorteile der EU-Erweiterungen nicht für eine flexible Standortauswahl. Für mich steht fest, dass bei gleichen EU-Spielregeln der deutsche Standort immer benachteiligt ist und auch weiterhin sein wird und dies aus zwei Gründen: Erstens haben wir die beste Bürokratie, die die teils unsinnigen EU-Gesetze auch wirklich umsetzt, notfalls auch gegen Ihre Interessen und zweitens dürfen die anderen EU-Länder Deutschland gar nicht aus der engen Bindung und dem Zahlungsobligo entlassen, sonst ist deren teils durch uns subventioniertes Dolce Vita zu Ende.
Um das Ganze etwas lockerer zu formulieren, zitiere ich einen Witz, den ich vor einem Jahr im Kassel bei einem Seminar vortrug. Frage: "Wenn ein Unternehmer die Wahl zwischen der Bürokratie und der Mafia hätte, welche Alternative würde er bevorzugen?" Die richtige Antwort lautet: "Immer die Mafia, denn sie ist in den Folgen der Bürokratie ähnlich, aber sie hat wenigstens keine Formulare..."
Die allerwichtigste Frage sollte zum Schluss gestellt werden. Wann beginnt das Inferno?
Zur Beantwortung müssen Sie sich eine Reihe von modellhaften Markierungen bereitlegen, anhand derer Sie die Entwicklung unbeeinflusst von Dritten genau dokumentieren können. Da der Haarausfall in unserer Familie seit Generationen vererbt wurde, habe ich mir meine eigenen Marken gesetzt und konnte nüchtern trotz verzweifelter Gegenmaßnahmen in den späten Jugendjahren den "Fortschritt" präzise feststellen. Das hat mir geholfen, realistisch die Korrektur meiner Außenerscheinung und die Geschwindigkeit des Haarausfalles beurteilen zu können. Bedenken Sie aber bitte: Was da auf uns zukommt, ist aber sehr viel unangenehmer als das Schwinden irgendeiner Haarpracht.
Meine OP-Liste (also die Aufstellung der noch abzuwartenden Entwicklungen) sieht folgende Marksteine vor: Erhöhung der Schuldaufnahme über den verfassungsgemäßen Rahmen (Bedingung bereits erfüllt), Senkung der Durchschnittlaufzeiten der Schuldtitel zur Zinsherabsetzung (Bedingung bereits erfüllt), Schuldaufnahme zur Sanierung nicht mehr lebensfähiger Unternehmen (Aktion angelaufen, Lawine zu erwarten), Ankauf von Wertpapieren durch die Notenbanken (in den USA im vollen Gange, in Europa im Grund genehmigt), Verpflichtung der Empfänger von Staatssubventionen in der Finanzindustrie, den Großteil der Subventionen in den Wirtschaftskreislauf zu bringen (die USA diskutieren derzeit eine derartige Gesetzesvorlage, mit der die Geldumlaufgeschwindigkeit extrem erhöht werden würde - wir werden in Europa diesem Entwurf sicherlich dann folgen, wenn die Rezession stärker wird) und last but not least, das Abwerfen von Papiergeld aus Hubschraubern á la Benjamin S(halom).
Bernanke oder die etwas weniger dramatische Variante des "Quantitative Easing" (zu gut Deutsch: "Mengenmäßige Entlastung" was wohl eine euphemistische Umschreibung für das Wort "hemmungsloses Gelddrucken oder Geldschöpfen" sein wird). Da ich gerade bei neuen Wortschöpfungen der Politiker immer die Frage stelle, was sie damit wirklich meinen oder verschleiern wollen, möchte ich im Rückgriff auf die euphemistische Umschreibung der Tötung eines Kriminellen in einem Notstandsfalle (das hieß in Deutschland damals bei der Ratifizierung des dazu gehörenden Gesetzes "finaler Rettungsschuss") die Maßnahme des Quantitative Easing, die in den USA und in Großbritannien bereits praktiziert wird, den "finalen Rettungsschuss" für die Geldwertstabilität nennen. Spätestens dann, wenn die EZB diese FED-Maßnahme übernimmt, ist der Count-Down gegeben. Natürlich kann es auch früher losgehen, zum Beispiel wenn EU-Länder einen Austritt aus dem Währungskollektiv vollziehen oder auch nur planen.
Der unvermeidliche "finale Rettungsschuss" kommt aber aus einer ganz anderen Ecke, er kumuliert sich aber mit großer Vehemenz zu einem finalen Furiosum: Sollte die Rettung des total verkorksten Finanzsystems weltweit durch die aktuell eingeleiteten Maßnahmen dennoch vorübergehend gelingen, so wird ein weiteres Damoklesschwert die weltweite Umstellung des gesamten Finanzsystems unausweichlich machen und das ist die Demografie in den entwickelten Ländern.
Nehmen wir einmal die Bevölkerungszusammensetzung nach Lebensjahren in den Ländern wie Deutschland, Russland und den USA als Muster. Wir in Deutschland überaltern extrem und unser Schicksal hängt von den Zuwanderungen ab, deren Qualität leider zu wünschen übrig lässt. Im Jahre 2030 werden dann hier zwei Berufstätige einen Pensionär subventionieren müssen. Aber schon lange vorher wird das soziale Netz nicht mehr belastbar sein. Russland geht es ähnlich. Die größte Bedrohung stellt aber die Generation der "Baby Boomer" d.h. die Generation mit den hohen Geburtsjahrgängen von 1945 bis 1957 in den USA dar. Die ersten Pensionierungen haben Anfang 2008 stattgefunden (mit 63 Jahren möglich). In den nächsten 12 Jahren werden weitere ca. 77 Millionen Amerikaner in den Ruhestand gehen, das wären mehr als 25% der US-Einwohnerschaft.
Die dadurch ausgelöste soziale Krise (das Social Security System ist in den USA keine Körperschaft mit eigenem Kapital, sondern mehr als in Deutschland von Staatszuweisungen abhängig, Zuweisungen von einem Staat, der inzwischen ein Haushaltsloch von mehr als 1.000 Mrd. US pro Jahr aufweist) wird an sozialer Härte alles bisher Erlebte in den Schatten stellen. Die USA sind für diese Situation ebenso unvorbereitet wie unser Land.
Betrachten Sie bitte die seit Mitte April 2009 von mir publizierten Kommentare als Teile des mit diesem Essay im Zusammenhang stehenden Gesamtbildes; alle Kommentare wie z.B.
- 19.04.2009: Bildung einer neuen Weltwährungsordnung
- 19.05.2009: Das Platzen der Anleihen-(=Bonds)Blase
- 05.06.2009: Weltkonjunktur, Technologieentwicklungen und Rohstoffbedarf
- 06.06.2009 Die Aussichten für 2009 "Deflation, Inflation oder was?
Die oben erwähnten Kommentare zeigen Ihnen Facetten auf, die Sie dann im Ergebnis dieses Credos wieder finden; diese Kommentar können Sie auf www.goldseiten.de nachlesen.
Ich wiederhole: Schützen Sie sich selbst, der Staat wird Ihnen nicht helfen, es sei denn, Sie sind ein Finanzinstitut, ein Konzern oder gehören zu den sonstigen Privilegierten, insbesondere zur politischen Kaste ...("deren Rente ist sicher, nicht wahr Herr Blüm?")
© Dr. Dietmar Siebholz
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