Nach dem Platzen der New-Economy-Blase könnten nicht nur Silvesterböller krachen
02.01.2010 | Redaktion
10 Jahre nach dem Platzen der New-Economy-Blase könnten den Börsianern nicht nur die Silvesterböller um die Ohren krachen
Kaum hat sich der Rauch verzogen, wird schon wieder gezündelt. Schuldenberge und mögliche Staatsbankrotte könnten die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise auslösen. Beobachter befürchten heftige Übertreibungen am Rentenmarkt, die sich zu einer gefährlichen Blase aufblähen. Rückblick auf zehn turbulente Börsenjahre und Ausblick auf die nächste Dekade. Ein Interview auf Europeonline-magazine.eu mit dem Gold- und Börsenexperten Uwe Bergold, der bereits im Jahr 2000 vor dem großen Crash warnte.
Martina Beierl: Herr Bergold, das neue Jahrtausend begann mit einem großen Knall: Dem Sturzflug der Aktienkurse der New Economy. Zehn Jahre später könnten den Börsianern nicht nur die Silvesterböller um die Ohren krachen. Was war das für ein außerordentliches Jahrzehnt?
Uwe Bergold: Für die Aktienmärkte (Antizipationsmechanismus für den wirtschaftlichen Verlauf) und somit für die Realwirtschaft (340.000 Unternehmens- und 600.000 Privatinsolvenzen alleine in Deutschland seit dem Millenniumswechsel) war es ein verlorenes Jahrzehnt, für Gold- und Rohstoffinvestments (Sachwerte mit Inflationssichernden Eigenschaften) war es das gewonnene Jahrzehnt. Während der DAX in der vergangenen Dekade 14,4 Prozent an Wert einbüßte, stieg der Goldpreis in Euro um 163 Prozent. Nachdem wir im März 2000 zum Ausstieg aus dem Aktienmarkt geraten haben, empfehlen wir seit März 2001 Investments im Gold- und Rohstoffsektor.
M. Beierl: Beginnen wir von vorn. Wie konnte es so weit kommen, dass eine eben erst sich entwickelnde Branche, die sog. New-Economy, die Börsen rund um die Welt ins Wanken und Millionen von Anlegern um ihr Geld brachte?
U. Bergold: Das Platzen der New-Economy-Bubble war nicht die Ursache, sondern nur der Auslöser der seitdem ablaufenden Krise oder bezeichnen wir es objektiver als realwirtschaftliche Kontraktion. Die Bank- und Wirtschaftskrise begann nicht erst im Jahr 2007 mit dem Immobiliencrash, sondern bereits am Beginn des vergangenen Jahrzehnts mit dem Aktiencrash. Ursache der weltweiten Aktienblase war die jahrelange zu expansive Geldpolitik (von den Zentralbanken gesteuerte Niedrigzinspolitik), welche die weltweite Wirtschaft als auch die vorauslaufenden Aktienmärkte künstlich, quasi mit Liquidität „gedopt“, zu stark und zu steil nach oben trieb. Die seitdem ablaufende Kontraktion bereinigt nur die zuvor entstandene Fehlallokation und somit die Überinvestition.
M. Beierl: Einige Monate später brach die nächste Schockwelle los, ausgelöst durch die Terroranschläge vom 11. September 2001. Nicht nur politisch ist die Welt eine andere seither.
U. Bergold: Die Terroranschläge hatten kurzfristig weniger wirtschaftliche als politische Auswirkungen. Seit dem 11. September 2001 befindet sich die USA offiziell im "Krieg gegen den Terrorismus". Langfristig belastet solch eine Situation eine Volkswirtschaft natürlich enorm. Krieg kostet immer sehr viel Geld, schränkt zunehmend individuelle Freiheitsrechte ein und entzieht Ressourcen aus dem wirtschaftlich privaten Sektor. Diese daraus entstehenden Konsequenzen werden nur langsam und immer in kleinen Schritten sichtbar werden.
M. Beierl: Der nächste Crash - die Subprime-Krise - brachte die Welt fast an den Abgrund. Haben wir das Schlimmste hinter uns?
U. Bergold: Nach dem Aktiencrash im Jahr 2000 folgte, aufgrund der damaligen Krisenbekämpfung mit "billigem Geld", der Immobiliencrash im Jahr 2007. Nun wurde 2008 und 2009 wieder das gleiche Krisenbekämpfungsmittel, noch mehr Kredit zu noch günstigeren Konditionen, eingesetzt, wie in den Jahren zuvor. Nur diesmal mit noch mehr Kredit zu noch günstigeren Konditionen. Dies führt unweigerlich zur nächsten Blase, dem Rentenmarkt. Die vordergründig so sicheren festverzinslichen Wertpapiere stellen für mich aktuell das risikoreichste Investment dar. Aktien und Immobilien haben aufgrund der extremen Geld- und Kreditschwemme nominal das Schlimmste hinter sich. Staats- und Unternehmensanleihen haben jedoch das Platzen noch vor sich. Da der Rentenmarkt die größte Anlageklasse darstellt, dürfte dessen Platzen noch zu erheblichen Verwerfungen am Kapitalmarkt führen.
M. Beierl: Nach einem schwierigen Jahr 2009 erwarten führende Ökonomen ein Anziehen der Weltwirtschaft. Andere befürchten eine W-Rezession, also ein erneutes Einbrechen der Wirtschaftsleistung nach einer kurzen Erholungsphase, wenn zum Beispiel noch größere Bankabschreibungen eintreten. Wie schätzen Sie die Lage ein?
U. Bergold: Aufgrund der historisch einmaligen Liquiditätsschwemme, die in den vergangenen zwölf Monaten in den Markt gepumpt wurde, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erholung sowohl in der Realwirtschaft als auch am Aktienmarkt weitergehen. Natürlich handelt es sich bei dieser Entwicklung nur um eine inflationäre Illusion, welche mit Geldentwertung und somit zukünftiger Preissteigerung erkauft wird. Besonders davon profitieren werden die Rohstoffe und die Rohstoffaktien.
M. Beierl: Die weltweite Rettung systemrelevanter Bankinstitute kostete Milliarden. Teilen Sie das Motto: "Besser einen Schuldenberg als einen Scherbenhaufen"?
U. Bergold: Nein, denn hier wird eine Geld- und Kreditkrise mit noch mehr Geld und noch mehr Kredit bekämpft. Die eigentliche Krisenursache - Überinvestition und Überschuldung aufgrund des jahrelang zu "billigen Geldes" - wird nicht beseitigt, sondern nur das Symptom (Nachfragerückgang) unterdrückt (staatliche Konjunkturprogramme zur künstlichen Nachfragebelebung). Das Problem wird nicht behoben, sondern nur über die Zeitachse gestreckt. Der unter Entzugserscheinungen (Kreditkrise) leidende drogenabhängige Patient (überschuldete Volkswirtschaft) wird nicht dem schmerzhaften Entzug und somit der Gesundung unterzogen, sondern mit noch mehr Drogen (Schulden) ruhig gestellt. Die Wirkung der Drogen (Wirtschaftsaufschwung) wird immer mehr nachlassen und die darauf folgenden Entzugserscheinungen (Wirtschaftsabschwung) werden immer stärker werden. Ein kurzfristig schmerzhafter Entzug hätte langfristig die positivere Wirkung.
M. Beierl: Die europäischen Staatshaushalte sind durch die Bank hoch verschuldet. Einige Länder schlinger(te)n am Staatsbankrott vorbei. Was passiert, wenn sich das Wirtschaftswachstum nicht wie erwartet einstellt, die Schulden nicht in geplanter Höhe abgetragen werden können und die Sozialausgaben steigen? Wird da schon wieder gezündelt, obwohl sich der Rauch noch gar nicht verzogen hat?
U. Bergold: Auch wenn es zu einem leichten Wirtschaftswachstum kommt, wird dies nie zu einem Abbau der Staatsschulden führen. Die deutsche Staatsverschuldung wächst, außer dem einem Jahr 1966, seit Gründung der Bundesrepublik unaufhörlich. Wenn es die Politiker nicht einmal in fetten Jahren schaffen, die Verschuldung zu reduzieren, wie soll es ihnen dann in mageren Zeiten gelingen. Alleine die im Maastrichtvertrag festgelegten Grenzen der Neuverschuldung (maximal drei Prozent des Bruttosozialprodukts) konnte Deutschland seit Einführung des Euro nicht ein einziges Jahr einhalten. Im kommenden Jahr soll es sogar zu einem historischen Rekorddefizit von knapp 10 Prozent kommen. Der europäische Stabilitätspakt wird aktuell von zirka 90 Prozent der EWWU-Mitglieder nicht mehr eingehalten. Dies führt, wie der Name schon sagt, zwangsweise zur Instabilität: zuerst bei der Währung (Geldentwertung) und dann bei der Wirtschaft der Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion.
M. Beierl: Wären weitere Konjunkturprogramme dann noch finanzierbar?
U. Bergold: Eigentlich sind die Konjunkturprogramme bereits heute nicht mehr finanzierbar, was an den historischen Neuverschuldungen ablesbar ist. Es wird jedoch so lange mit kreditfinanzierten Programmen weiter gehen können, so lange die Staatsanleihen am Kapitalmarkt noch Abnehmer finden. Im Endeffekt sind nicht die Schulden das Problem, sondern die Zinszahlungen. Bezahlt werden all diese Konjunkturprogramme nicht mit einer Steuer-, sondern mit einer zukünftig zunehmenden Inflationsproblematik.
M. Beierl: Viele Menschen befürchten eine steigende Inflation, obwohl die offiziellen Inflationsraten das Gegenteil aufzeigen. Womit rechnen Sie?
U. Bergold: Ein Inflationsproblem ist unvermeidlich. Die Milliarden, die in den vergangenen zwölf Monaten ohne eine Gegenleistung in den Markt gepumpt wurden, werden Wirkung zeigen. Inflation war und ist immer "Geldmengenwachstum pro Produktionseinheit". Die Ursache ist das übermäßige Wachsen der Geld-/Kreditmenge (M) gegenüber der Gütermenge (BSP). Die Wirkung ist die Preissteigerung, die nicht linear und nicht gleichzeitig am Markt sichtbar wird. Am Ende jedes Inflationszyklus sind es die Konsumentenpreise, die steil nach oben gehen. Die Bürger werden die Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme mit Kaufkraftverlust bezahlen.
M. Beierl: Sie empfehlen seit Jahren Gold als Inflationsschutz. Bisher hatten Sie damit recht behalten. Wo steht der Goldpreis Ihrer Meinung nach nächstes Jahr?
U. Bergold: Ich habe in den 80er und 90er Jahren ausschließlich in Standardaktien investiert. Erst der Ausstieg vom Aktienmarkt im Frühjahr 2000 und der erwartende Wirtschaftsabschwung veranlassten mich ein Jahr später, in Gold zu investieren. Ich denke, dass die Unze Gold am Ende des Jahres 2010 Chancen hat, über 1.500 USD zu notieren.
M. Beierl: Machen andere Edelmetalle, wie Silber oder Platin, als Alternative zum teuren Gold Sinn?
U. Bergold: Auf alle Fälle. Besonders bei wieder anziehender Wirtschaft profitieren die Edelmetalle, die vorwiegend in der Industrie verbraucht werden - wie Silber, Platin und Palladium - überproportional.
M. Beierl: Zunehmend investieren Vermögensverwaltungen in den Rohstoffsektor, weshalb Experten jetzt schon vor der nächsten Blase warnen...
U. Bergold: Nach zehn Jahren Rohstoff-Hausse ist es ganz normal, dass immer mehr Marktteilnehmer auf den strategischen Rohstoffaufwärtstrend aufmerksam werden. Jedoch jetzt bereits von einer Blase zu sprechen, zeigt doch die weit verbreitete Unwissenheit. Man sollte doch lieber auf die Leute hören, die am Tief der Rohstoff-Hausse auch den Boden der Entwicklung richtig diagnostiziert haben. Die Geschichte hat gezeigt, dass noch nie vor einer Blase öffentlich gewarnt wurde, sondern solche Warnungen immer das beste Fundament für weiter steigende Kurse darstellten. Wir sind genau zum Tief strategisch in den Rohstoffsektor eingestiegen und werden am strategischen Hoch auch diesen Sektor wieder verlassen. Der größte Preisanstieg bei den Rohstoffen liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht hinter uns, sondern erst vor uns.
M. Beierl: Sie haben bereits im Jahr 2000 vor dem großen Crash, dem Kaufhaus-Sterben und großen Bankenpleiten gewarnt. Was erwarten Sie vom kommenden Jahrzehnt?
U. Bergold: Ich denke, dass wir in diesem Jahrzehnt die im Jahr 2000 begonnene strategische Kontraktion (Wirtschaftskrise) auf alle Fälle beenden werden. Der Tiefpunkt oder das Tal wird höchstwahrscheinlich von massiven sozialen und politischen Problemen begleitet sein. Somit werden wir in der ersten Hälfte des kommenden Jahrzehnts unsere makroökonomische Abwärtsbewegung noch fortsetzen, jedoch zum Ende des Jahrzehnts sollten wir aus einer extrem pessimistischen Stimmung heraus bereits den nächsten großen realen Aufschwung gestartet haben. Die neue Dekade wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Jahrzehnt der unteren Wende darstellen und am Ende einen neuen strategischen Aufschwungszyklus eingeläutet haben.
M. Beierl: Wie sieht die Strategie Ihrer Vermögensverwaltung aus und was empfehlen Sie Ihren Anlegern?
U. Bergold: Da wir Vermögensverwaltung im Rahmen der makroökonomischen Zyklik betreiben, ist unsere Anlagestrategie seit dem letzten Zykluswechsel im Jahr 2000 immer die gleiche geblieben. Wir empfehlen seitdem bis zu 30 Prozent in die Edelmetalle Gold und Silber (Münzen oder Barren) und den Rest in Rohstoffaktien, kombiniert mit Geldmarktpapieren zur individuellen Risikosteuerung, zu investieren. Die zukünftig wichtigste Aufgabe einer Vermögensverwaltung wird der Schutz vor Inflation sein.
© Martina Beierl
www.europeonline-magazine.eu