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Die fundamentalen Probleme mit Fiat-Währungen (Teil 1/2)

30.03.2012  |  Ron Hera

Wert-Subjektivismus und monetäre Instabilität

Der Subjektivismus ist eine erkenntnistheoretische Position in der Philosophie, die davon ausgeht, dass das, was wir wahrnehmen, real ist, und dass es unabhängig von der menschlichen Wahrnehmung keine grundlegende wahre Wirklichkeit gibt. Anders formuliert: Die Wirklichkeit der einzelnen Person ist abhängig von ihrem eigenen Bewusstsein. Daraus folgt, dass jede Person ihre eigene Wirklichkeit erlebt, die nicht von anderen geteilt wird. Was der einen Person wahr und moralisch scheint, muss nicht wahr oder moralisch für eine andere Person sein - d.h. Wahrheit und Moral sind relativ. Der Objektivismus ist wiederum eine erkenntnistheoretische Position in der Philosophie, die davon ausgeht, dass Wirklichkeit auch unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existiert, dass der Mensch über sein Wahrnehmungsvermögen direkten Kontakt mit der Wirklichkeit hat und dass objektives Wissen über die Wirklichkeit durch Wahrnehmung, Beweisführung und Logik (z.B. durch wissenschaftliche Methoden) erlangt werden kann.

Ein Subjektivist könnte den Aktienmarkt beispielsweise als ewige Blase betrachten, die auf den Hoffnungen und Träumen der Unternehmer und Investoren gleitet, welche in Aktien investieren wie Glücksspieler, die ihre Plastikjetons auf den Spieltisch eines Kasinos platzieren, ohne jegliches Konzept von der ökonomischen Wirklichkeit außerhalb des Spiels zu haben. Der Subjektivist könnte die technische Analyse, die allein auf den Handelsaktivitäten am Aktienmarkt gründet, als das ideale Werkzeug zum Verständnis der Finanzmärkte betrachten, obgleich sie keine direkte Verbindung zur objektiven ökonomischen Wirklichkeit der Unternehmen hat, für die die Aktien stehen.

Ein Objektivist könnte den Aktienmarkt hingegen als Ort betrachten, an dem die Teilhabe an Unternehmenseigentum ausgehandelt wird. Aktien besitzen hier einen Wert in Anhängigkeit und auf Grundlage der betreffenden Unternehmen und wegen der Güter und Dienstleistungen, die diese Unternehmen in der objektiven Welt anzubieten haben. Ein Subjektivist könnte sagen: "alles ist relativ“ (obwohl diese Aussage in sich widersprüchlich ist), Objektivisten könnten hingegen sagen, dass sie "an Begründung glauben, die nicht auf Glaube, sondern auf Prüfung gründet.“ (Thomas H. Huxley 1825-1895). Obwohl sie sich vielleicht nicht darüber im Klaren sind, so gehören keynesianische Ökonomen, Banker und Daytrader häufig zu den Subjektivisten, während man die Ökonomen der Österreichischen Schule, die Verfechter des Goldstandards und die Value-Investoren häufig zu den Objektivisten rechnen kann.

Eine objektivistische Interpretation von "Moralität“ lautet: Moralität geht in natürlicher Weise von Menschen aus, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Und Immoralität ist Folge von Zwang. Für die meisten Menschen umfasst das “Eigeninteresse” die Unterstützung der eigenen Familie und der Gemeinde, aus dem einfachen Grund, weil Menschen soziale Wesen sind. So kümmern sich beispielsweise Eltern ganz natürlich um ihre eigenen Kinder. Moralisches Handeln ist ein Naturphänomen und kein Ergebnis von Zwang. Menschen leben normalerweise von Natur aus friedlich in Gemeinschaften zusammen und die überwiegende Mehrheit der Individuen erfährt Empathie. In menschlichen Gemeinschaften treten Wohltätigkeit als auch Widerstand gegen Zwang ganz natürlich auf.

Es kommt extrem selten vor, dass Menschen keine Empathie erfahren können (Soziopathen) und die Interessen ihrer Mitmenschen missachten oder so handeln, dass der Gemeinschaft Schaden entsteht. Die Philosophin Ayn Rand schrieb: "Gewalt und Verstand sind Gegensätze; Moralität endet, wo ein Revolver beginnt.“ Menschen handeln nicht moralisch, weil sie von der Polizei beobachtet werden, oder weil ihnen ein Revolver an den Kopf gehalten wird. In allen Kulturen, zu allen Zeiten und an allen Orten (seit es Geschichtsschreibung gibt und sicherlich auch davor) werden diejenigen als unmoralisch erachtet, von denen grundlose Gewalttätigkeit oder Zwang ausgeht, gerade wenn dadurch die Gemeinschaft Schaden nimmt. Auch wenn sich bestimmte Regeln und Gesetze von Kultur zu Kultur unterscheiden, so ist die Moralität weder subjektiv noch relativ.

Paradoxerweise wurde die objektivistische Sicht auf Moralität dahingehend missdeutet, dass sie Egoismus befördere. Egoismus führt in der Regel dazu, dass andere Entbehrungen und Zwang erleiden müssen. Die Eigeninteressen verfolgen, steht hingegen für das, was Menschen auf natürliche Weise und freiwillig ohne Zwang tun. Und diese Vorstellung von Moral - die sich auf natürliche Weise äußert, wenn der Mensch die Freiheit besitzt, seinem Eigeninteresse folgen zu können (d.h. frei von Zwang) - ist exakt die moralische Doktrin der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten:

"Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unabdingbaren Rechten ausgestattet sind, darunter das Recht auf Leben und Freiheit sowie das Streben nach Glück.“

Auch im Bereich des Geldes gibt es zwei grundlegend unterschiedliche Konzepte von "Wert“, das eine ist im Subjektivismus verwurzelt, das andere im Objektivismus. Im monetären Kontext bedeutet eine subjektivistische Wertbetrachtung, dass Geld nur deshalb einen Wert besitzt, weil die Menschen daran glauben. Alles, was Menschen durch Überzeugung oder unter Zwang als Geld akzeptieren, hat einen "Wert“ - so auch das Stück Papier, das einen staatlichen Stempel trägt.





Die subjektivistische Wertbetrachtung geht also davon aus, dass "Wert“ einzig und allein als Konzept oder Glaube in den Vorstellungen der Menschen existiert; und daher kann "Wert“ auch ex nihilo durch Überzeugung oder Zwang erschaffen werden - d.h. durch Beeinflussung oder Kontrolle (Zwang oder Angst vor Zwang) des menschlichen Verstands. Eine objektivistische Wertbetrachtung des Geldes bedeutet, dass Geld einen Wert besitzt, weil in ihm die Ressourcen und die Arbeitskraft stecken, die zu seiner Herstellung nötig waren.

Natürlich existiert auch so etwas wie subjektiver Wert, der sich beispielsweise in der Wertschätzung eines Picasso-Gemäldes durch Kunstliebhaber niederschlägt, dieser subjektive Wert unterscheidet sich aber vom Wert im Kontext des biologischen Überlebens (buchstäblich Leben oder Tod). Das erste bezieht sich auf subjektive Geistesregungen, das zweite auf eine objektive biologische Realität, die unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existiert.

Die Bewohner des Warschauer Ghettos hatten 1943 mit Sicherheit nicht die gleiche Wertschätzung für Gewehre und Picasso-Gemälde. Im Allgemeinen messen Menschen den Produkten menschlicher Arbeit, die einen realen Nutzwert haben (wie beispielsweise ein Werkzeug), einen Wert in Bezug auf ihre materiellen und überlebendnotwenigen Bedürfnisse bei. Dieser “Überlebenswert” ist vollkommen pragmatisch und tief verwurzelt im natürlichen Verständnis der Menschen von ihren biologischen Bedürfnissen und ihrer physischen Beziehung zur objektiven Welt.

Primärgeld (vormünzliche Zahlungsmittel, auch "Primitivgeld“ genannt) entsteht auf natürlichem und freiwilligem Weg und ist nicht von Regierungen oder Banken abhängig. Natürliche Geldformen entwickeln sich immer dort und dann, wenn Menschen Dinge beziehen, die sie nicht ausdrücklich und ausschließlich zum Umtausch in andere Dinge benötigen. Das am häufigsten zum Tausch eingesetzte Gut ist de facto Geld. Der griechische Philosoph Aristoteles definierte als erster die Eigenschaften eines Gutes, das als Geld eingesetzt werden kann 1) Teilbarkeit, 2) Beständigkeit 3) Transportfähigkeit und 4) Knappheit - d.h. es ist selten und wertvoll. Später wurde Geld dann als Tauschmittel, Rechnungseinheit - z.B. standardisierte Gold- und Silbermengen - und als Wertspeicher beschrieben. Natürlich muss Geld auch breite Akzeptanz genießen, und das kann entweder durch natürliche Kräfte oder Zwang geschehen.

Das Angebot an Primärgeld hält sich normalerweise begrenzt im Verhältnis zur Produktion anderer Güter. Die für die Herstellung natürlichen Geldes benötigen Ressourcen und Arbeitskraft stehen im Zusammenhang mit anderen ökonomischen Ressourcen, mit denen die überlebensnotwenigen Bedürfnisse der Menschheit gedeckt werden. Die Herstellung von Primärgeld entzieht anderen ökonomischen Aktivitäten Ressourcen, die direkten Überlebenswert haben. Das Prinzip, das die Herstellung von Primärgeld reguliert, ist somit das Überlebensprinzip.

Das Überlebensprinzip ist kein vorschreibendes Gesetz (das durch menschliche Autorität deklariert wird), sondern ein Prinzip, das sich mittels Beobachtung beschreiben lässt. Die Herstellung von Primärgeld reguliert sich automatisch in Abhängigkeit von den biologischen Bedürfnissen der Menschen. Deswegen ist das Primärgeld auch eng mit der physischen Wirtschaftsaktivität in der objektiven Welt verknüpft - wie auch die Errichtung von Unterkünften. Menschen bauen selten mehr Unterkünfte, als sie wirklich brauchen, weil der dafür benötigte ökonomische Aufwand besser an anderer Stelle eingesetzt ist. Im Preismechanismus der modernen Ökonomie spiegelt dieser grundlegende Umstand wieder.

Obwohl allgemein geglaubt wird, dass jeder Gegenstand als Geld dienen könnte, so ist damit nur das Tauschmittel an sich gemeint - d.h. die Währung. Währung ist genauer gesagt ein "Geldsubstitut“, das nützlich und vorteilhaft ist, aber nicht im strengen Sinn Geld. Grundstücksurkunden könnten beispielsweise als Währung zirkulieren, aber nicht das Land an sich. Werden zusätzliche Währungseinheiten aus dem Nichts geschaffen - in diesem Fall ungedeckte "Grundstücksurkunden“, an denen aber kein Land hängt - so wird kein zusätzliches Land oder aber irgendeine andere Vermögensform in der objektiven Welt geschaffen - auch wenn sich die Zahl der Transaktionen und die Größe der in "Grundstücksurkunden“ bemessenen Wirtschaft ausweitet.

Im Laufe der Geschichte hat es immer wieder Pläne gegeben, Primärgeld durch Währungen zu ersetzen, deren Herstellung praktisch nichts kostet und die auch keinen Überlebenswert besitzen. Künstliches Geld, auch bekannt als "Fiat-Währung“, hat einen "vermeintlichen“ Wert, weil Regierungen oder Zentralbanken ihm per Verordnung "Wert“ zugemessen haben. Die Einführung von Fiat-Währungen ersetzt den Überlebenswert des Primärgeldes durch einen subjektiven Wert - natürliches Primärgeld wird durch ein bloßes Tauschmittel ausgewechselt. Moderne Währungen, wie der US-Dollar, das Britische Pfund, der Euro und Japanische Yen, sind immer Fiat-Währungen. In der Praxis ist die Fiat-Währung also so viel wert, wie viel man für sie kaufen kann; sie ist jedoch kein Standard, an dem Wert gemessen werden kann, weil ihre Kaufkraft instabil ist. Und Fiat-Währungen bringen eine ganze Reihe von fundamentalen Problemen mit sich.

Lesen sie weiter Teil 2: Die 15 fundamentalen Probleme von Fiat-Währungen.


© Ron Hera
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Zu Hera Research: Ron Hera ist Gründer von Hera Research, LLC. Hera Research analysiert die Beziehungen zwischen Makroökonomie, Staat, Banken und Finanzmärkten. Aktuell spezialisiert sich das Unternehmen auf den Bergbausektor, Metalle, Öl, Energie, alternative Energien, Agrarrohstoffe und andere Rohstoffe. Hera Research gibt einen monatlich erscheinenden Newsletter heraus.

Dieser Artikel wurde am 26.03.2012 auf http://www.24hgold.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten.de veröffentlicht.