Der mysteriöse Brief in Austin, Texas
29.01.2011 | Redaktion
Nach einer sprichwörtlichen Reise "von Pontius zu Pilatus" wird heute erstmalig im Internet als PDF-Photokopie der kontrovers diskutierte "Blessing-Brief" veröffentlicht, der immer wieder dann "zitiert" wird, wenn es um die Lagerung der deutschen Goldreserven in den USA geht. Zurecht?
Der "Blessing-Brief" - unter deutschen Goldbugs und jenen kritischen Zeitgenossen, die sich mit der Frage befassen, wie es um die deutschen Goldreserven bestellt ist, die bei der New Yorker Federal Reserve eingelagert sind, besitzt er eine geradezu mythisch aufgeladene Aura. Immer wieder muss dieser Brief, den der damalige Bundesbank-Präsident Karl Blessing am 30. März 1967 schrieb, als Erklärung dafür herhalten, dass Deutschland nicht in der Lage sei, seine Goldreserven aus den USA abzuziehen, um sie nach Frankfurt am Main zu verfrachten. Ein missliches Detail ist jedoch: von denjenigen, die diese Lesart des "Blessing-Briefs" vertreten, hat ihn wahrscheinlich kaum jemand je zu Gesicht bekommen.
Insbesondere wurde in der Vergangenheit auf die Erkenntnisse von Dr. Bruno Bandulet verwiesen, dem Herausgeber von "Gold&Money Intelligence". Sein im Mai 2003 erschienener Artikel "Das Gold der Deutschen" ist im Internet die Primärquelle zu der gängigen Interpretation, wonach den Vereinigten Staaten von Amerika im "Blessing-Brief" mutmaßlich die "Immobilisierung" der deutschen Goldreserven zugesichert worden sei. Weitere Vertreter dieser Analyse eines Briefes, den nur die Wenigsten je gelesen haben, sind ferner (der inzwischen verstorbene) Walter Hirt und Dr. Udo Ulfkotte - Letzterer kann zumindest bezüglich der Vermutung, dass es im "Blessing-Brief" um die dauerhafte Lagerung der deutschen Goldreserven in den USA gegangen sei, durchaus fehlinterpretiert werden.
Ein sehr konkreter Hinweis
Im Zuge meiner eigenen Nachforschungen hinsichtlich der Frage: "Wo exakt sind die deutschen Goldreserven gelagert und zu welchem Zweck?", erhielt ich vom Presse-Sekretär des Gold Anti-Trust Action Committee (siehe: www.gata.org), Chris Powell, mit dem ich diesbezüglich eng zusammenarbeite, am 3. Dezember 2010 unter der Betreffzeile "Old article from Der Spiegel" diese Email-Nachricht:
"Könnten Sie sich in Ihrer freien Zeit einmal diesen alten Artikel von Der Spiegel anschauen?
Er ist von 1971 und jemand schickte ihn mir, indem er sagte, dass dies der Schlüssel zu all unseren Fragen zu den deutschen Goldreserven sei. Vielleicht können Sie den Sinn herausfinden und mir mitteilen."
Nachdem ich das zugesandte Interview durchgegangen war, das Der Spiegel mit Karl Blessing geführt und am 3. Mai 1971 unter dem Titel "Der Brief gilt leider noch heute" veröffentlicht hatte, versuchte ich Chris Powell und zwei weitere "Mitstreiter", nämlich Max Keiser und James G. Rickards, mit Dr. Bandulet in Kontakt zu setzen. Dabei ging mir Peter Boehringer, der Vorstand der Deutschen Edelmetall Gesellschaft, unterstützend zur Hand. Das schien mir Sinn zu machen, denn wie ich mit Rückgriff auf die Interpretation von Dr. Bandulet erklärte:
"Chris, Karl Blessing war der Vorsitzende der Deutschen Bundesbank während der Sechziger Jahre. Ungefähr zur gleichen Zeit, als de Gaulle ein Kriegsschiff nach NYC schickte, um die Goldreserven Frankreichs zurückzuholen (und Präsident Johnson die Defizit-Geschwister Vietnamkrieg / Great Society laufen hatte), schrieb Blessing den berühmten Blessing-Brief, in dem er versprach, dass Deutschland niemals um die Rückführung seines Goldes von NYC nach Frankfurt bitten würde, solange die US-Armee ihre Truppen in West-Deutschland stationiert ließe. Es war ein Handel, da die USA nicht alle Kosten selbst bezahlen wollten.
Er erwähnte es nicht explizit in dem Spiegel-Interview - aber das ist der Hintergrund."
Aufgrund seiner Expertise fragte ich Dr. Bandulet, ob er den Herrschaften mehr dazu erzählen könne.
Hinterdrein schob ich noch in einer anderen Email nach:
"Ich vergaß etwas. In diesem Interview mit Der Spiegel sagte Blessing, dass Deutschland den USA versprach, dass Deutschland seine Dollarreserven nicht in Gold umtauschen würde."
Bezogen auf das, was ich zum "Blessing-Brief" geschrieben hatte, meldete sich alsbald Dimitri Speck zu Wort, der Autor von "Geheime Goldpolitik", das Anfang 2010 im Finanzbuch Verlag erschienen ist (siehe: www.geheime-goldpolitik.de), und Berater von GATA. Seine kurze Mitteilung schickte ich an alle Beteiligten, darunter auch an Dr. Bandulet, und zwar:
"Chris, der Blessing-Brief ist in der Lyndon B. Johnson Library in Austin.* Er hat nichts mit der gegenwärtigen Situation bezüglich der Lagerstätte zu tun hat. (...)
*: Brief von Karl Blessing an Mr. William M. Martin, Jr., kein Betreff, unklassizifiert, 30. März 1967, in: LBJL, NSF, NSCH: TTNAN, Box 50, 1966–67, Buch 2, Tabs 72–98 [1 von 2]“
Kurz darauf setzte ich mich mit Herrn Speck telefonisch in Verbindung, um mir seine Version des "Blessing-Briefs" auseinandersetzen zu lassen. Herr Speck meinte, dass Blessing seinem Gegenüber bei der Federal Reserve in Washington D.C., William M. Martin, zugesichert habe, dass West-Deutschland zukünftig keine Dollar-Reserven mehr in Gold umzutauschen gedachte. In seinem besagten Buch sei er auch sehr wohl kurz inhaltlich darauf eingegangen.
Die Versicherung von Seiten der Bundesbank habe zwar Konsequenzen gehabt, insofern sie den Dollar-Standard - hinter den Kulissen und gegenüber der Öffentlichkeit unausgesprochen - auf den Weg brachte; mitnichten jedoch habe Blessing zugesichert, dass die Bundesrepublik Deutschland niemals ihre Goldreserven aus den USA abziehen werde, solange dafür US-Truppen im westlichen Teil Deutschlands stationiert blieben. Ebenso sei es in keinster Weise um die Frage der Lagerorte gegangen, da New York wegen des Kalten Krieges als sicherer Aufbewahrungsort galt.
Diese Kern-Interpretation der Dinge deckt sich im Übrigen mit dem, was der ehemalige Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl zum "Blessing-Brief" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im August 2007 erklärte. Hinsichtlich des unilateral durchgeführten "Schließens des Goldfensters" durch US-Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 schrieb Pöhl:
"Bis dahin hatten sie [die USA] - jedenfalls theoretisch - freiwillig jeden Dollar in Gold eingetauscht, Westdeutschland als größter Besitzer von Dollar hatte darauf allerdings schon lange im sogenannten 'Blessing-Brief' verzichtet und sich damit als guter Gläubiger erwiesen."
Dr. Bandulets Antwort
Zunächst ließ ich es damit bewenden. Dann allerdings schickte, als ich schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, Dr. Bandulet am 18. Januar doch noch eine Email-Nachricht an Peter Boehringer und mich. Sinngemäß wiederholte er darin noch einmal seine Interpretation, dass es in dem Brief, der seines Wissens nach immer noch vertraulich behandelt werden würde, um ein "Immobilisations"-Versprechen bezüglich der deutschen Goldreserven gegangen sei, solange Truppen der USA in Deutschland stationiert blieben.
Relevant wäre daran bis heute, dass dieses Arrangement von deutscher Seite nach wie vor respektiert würde. In seinem Buch "Das geheime Wissen der Goldanleger" käme ein ehemaliges Mitglied der Bundesbank zu Wort, demgemäß Deutschland lediglich "kleinen Mengen" an Gold von New York abziehen könne, und das auch nur unter einem Vorwand.
Darüber hinaus habe der Abgeordnete des Deutschen Bundestages Dr. Peter Gauweiler am 16. Dezember 2010 von der Bundesregierung in einem Brief mitgeteilt bekommen, dass Vertreter der Bundesbank am 11. Juni 2007 die deutschen Goldbestände bei der NY Fed inspiziert hätten, was ein gewisses Misstrauen bewiese. Fernerhin sei Dr. Gauweiler am 19. November 2010 von der Bundesregierung mitgeteilt worden, dass derzeit kein deutsches Gold verliehen sei und dass der Gesamtbetrag der Reserven 3401,8 Tonnen betrage.
Abschließend schrieb Dr. Bandulet, dass er vielmals öffentlich zu einer Rückführung des Goldes aufgerufen habe; er wisse aber, dass das unter diesen Umständen nicht geschehen werde. Die Kontrolle über den internationalen Goldmarkt liege nach wie vor in London und New York/Washington.
Ich versendete diese Nachricht an Chris Powell, Max Keiser und James G. Rickards, woraufhin Powell antwortete:
"Vielleicht können wir einen Weg finden, um bei diesem Problem Druck auszuüben, obwohl es natürlich am besten wäre, wenn der Druck von Deutschland käme, da es eine Angelegenheit der grundlegendsten nationalen Souveränität Deutschlands ist."
Richtung Austin, Texas
Um zu versuchen, den Dingen genauer auf den Grund zu gehen, wandte ich mich sodann als nächstes an Bob Chapman, den Herausgeber des "International Forecaster". Herr Chapman - ehemals der größte Gold- und Silberaktienhändler der Welt - gibt in aller Regelmäßigkeit Interviews für die Infowars-Radio-Show von Alex Jones, und Herr Jones wiederum ist in Austin, Texas beheimatet - sprich genau dort, wo der Brief von Karl Blessing an William M. Martin in der Präsidenten-Bibliothek von Lyndon B. Johnson liegen sollte. Also schrieb ich Herrn Chapman:
"Könnten Sie ihn fragen, ob er so nett wäre, jemanden von seinem Mitarbeiterstab eine kurze Fahrt machen zu lassen, um eine Kopie/Faksimile/PDF des unten genannten Gegenstandes zu machen? Es würde helfen, den exakten Inhalt des Blessing-Briefs bezüglich des deutschen Goldes / der Dollarreserven in den späten Sechzigern klarzustellen.
Sehr vielen Dank,
Lars.
Dimitri Speck am 6. Dezember 2010:
Der Blessing-Brief ist in der Lyndon B. Johnson Library in Austin.*
*: Brief von Karl Blessing an Mr. William M. Martin, Jr., kein Betreff, unklassizifiert, 30. März 1967, in: LBJL, NSF, NSCH: TTNAN, Box 50, 1966–67, Buch 2, Tabs 72–98 [1 von 2]“
Bob Chapman entsprach postwendend meiner Bitte und wurde in der Tat via Email für mich aktiv. Doch regen tat sich daraufhin in Austin, Texas nichts. Drum wandte ich mich zwei Tage später an den Verfasser des Buches "The Best Way to Rob a Bank Is to Own One", William K. Black, der als Ökonomie-Professor an der University of Texas in Austin gearbeitet hatte, und an den GATA-Vorsitzenden Bill Murphy, der in Texas lebt. Murphy antwortete, dass er gerade im kanadischen Vancouver sei. Eine weitere Sackgasse. Aber Professor Black hatte eine naheliegende Idee. Nachdem ich ihn wegen meines "Texas-Problems" um einen Anruf gebeten hatte, schrieb er zurück:
"Wenn die Angelegenheit darin besteht, dass jemand ein Dokument in der LBJ-Präsidentenbibliothek überprüfen soll, dann würde ich vorschlagen, Prof. Jamie Galbraith zu fragen, ob er einen Stundenten losschicken kann, um das zu tun (die Bibliothek ist 100 Meter von seinem Büro entfernt)."
Diesen Einfall hatte ich zwar selber zuvor auch schon gehabt, da James K. Galbraith, einer der renommiertesten Ökonomen der Vereinigten Staaten, den Lloyd M. Bentsen, Jr.-Lehrstuhl für Government/Business Relations an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs der University of Texas in Austin innehält; allerdings hatte ich in der Annahme, dass Professor Galbraith allzu sehr beschäftigt sein könnte, den Einfall zunächst wieder verworfen. Mit dem Hinweis:
"Ich habe ein kleines Problem und versuchte es anders zu lösen, aber diese Wege sind eher Sackgassen",
erklärte ich ihm schließlich dann doch mein Anliegen, und erhielt wenige Minuten später die Zusicherung:
"Ja, ich werde mich drum kümmern."
Der Brief
Gesagt, getan. Denn am nächsten Tag fand ich des Abends eine Email von Professor Galbraith unter den eingegangen Nachrichten samt und sonders eines PDF-Anhangs. Mit der Frage versehen: "Irgendetwas Interessantes da drin?", hatte er mir eine Photokopie des viel diskutierten, aber nie so recht gesichteten Briefes geschickt, den Karl Blessing am 30. März 1967 an die Adresse von William M. Martin, dem damaligen Vorsitzenden des Board of Governors des Federal Reserve Systems der USA, aufgesetzt hatte. Diese Kopie (Download als PDF) veröffentlichen wir nunmehr hier und machen damit dieses wichtige Dokument erstmals im Internet für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich:
In dem vorliegenden Brief schrieb Blessing durchaus von gewissen Problemen hinsichtlich der "Goldpolitik" beider Staaten, und ja, er adressierte das Problem der Kosten für die Stationierung der US-Armee in West-Deutschland. Eine Zusicherung allerdings, dass die Bundesbank niemals beabsichtigen werde, ihre in den Vereinigten Staaten gelagerten Goldreserven abzuziehen, solange im Gegenzug die US-Truppen auf deutschem Boden bleiben würden, sucht das lesende Auge vergebens. Auch wird, wie Dr. Ulfkotte nahelegt, niemals auch nur ansatzweise die Frage der generellen Lagerung an sich aufgeworfen. Dafür lässt sich in den letzten beiden Sätzen des Briefes die Interpretation von Dimitri Speck belegen, die er mir bereits vergangenen Dezember per Telefon gegeben hatte. Mit dem vorangehenden Hinweis, dass Deutschland schon seit einigen Jahren keine Dollar mehr in Gold umgetauscht habe, ließ Blessing seinen Kollegen Martin wissen - wir zitieren zunächst im englischen Original:
"By refraining from dollar conversions into gold from the United States Treasury the Bundesbank has intended to contribute to international monetary cooperation and to avoid any disturbing effects on the foreign exchange and gold markets. You may be assured that also in the future the Bundesbank intends to continue this policy and to play its full part in contributing to international monetary cooperation."
Und hier nun die Kern-Aussage auf Deutsch:
"Indem sie es unterließ, Dollars in Gold des US-Schatzamts zu konvertieren, hat die Bundesbank beabsichtigt, zu einer internationalen monetären Kooperation beizutragen und störende Effekte für die Devisen- und Goldmärkte zu vermeiden. Sie können versichert sein, dass die Bundesbank auch weiterhin plant, diese Politik fortzusetzen und ihren Beitrag zu voller internationaler monetärer Kooperation zu leisten."
Direkt im Anschluss, als ich die Kopie des Briefes erhalten hatte, schickte ich die PDF-Datei zur Auswertung an Dimitri Speck und Peter Boehringer. Ein paar Tage später folgt an dieser Stelle nun die Einordnung des "Blessing-Briefs" von Dimitri Speck:
"Die Amerikaner und Briten drohten 1967, wegen der Kosten ihre Stationierungen in Westdeutschland zu reduzieren. Wegen des Kalten Krieges wollten die Deutschen eine Reduktion vermeiden, ohne allerdings selbst mehr zu zahlen. Teil des Abkommens dann war der Blessing-Brief, der den Verzicht auf Konvertierungen von Dollar in Gold bekräftigte. Deutschland hat sich also (wie andere Länder) Sicherheit gekauft, indem es Dollarforderungen als Devisenreserve anhäufte.
Zwar wurde die Verpflichtung zum Goldeintausch dann erst 1971 endgültig aufgekündigt. Der Blessing-Brief bekräftigte aber formal den Verzicht des größten Dollarhalters, Deutschlands, auf Konvertierungen von Dollars in Gold. Der Brief war somit ein wesentlicher Schritt zum weltweiten Dollarstandard, was die Berater der US-Regierung bereits erkannten und in internen Papieren auch so benannten."
Das also ist dann der reale Inhalt und die historische Signifikanz des "Blessing-Briefes" in Austin, Texas. Er war ein Ende und ein Anfang - wobei das, was damals inoffiziell anfing, namentlich der Dollarstandard, nunmehr in unserer Zeit an sein Ende zu kommen scheint, wohingegen Gold wieder zu monetärer Bedeutung gelangt.
Darüber hinaus empfiehlt Herr Speck, sich bei weiterem Interesse am geschichtlichen Umfeld des "Blessing-Briefs" mit den diesbezüglichen Arbeiten von Thomas Holderegger und Hubert Zimmermann zu beschäftigen. "Ich bin bei den Recherchen zu meinem Buch auf ihre Beiträge zum Thema gestoßen und hatte mit den beiden kommuniziert, da sie eine Kopie des Briefes gemacht hatten (wie jetzt James Galbraith für Sie)."
Zuletzt sei gesagt, dass es durchaus eine "Immobilisierungs"-Vereinbarung zwischen der BRD und den USA auf Zentralbanken-Ebene zu den deutschen Goldreserven in NYC geben mag; Indizien sprechen dafür, seien wir nicht blauäugig. In dem "Blessing-Brief" aber, der von einer anderen Vereinbarung großer Tragweite handelt, findet sich dafür kein Beweis - und so muss diese Suche jedenfalls weitergehen.
Auf der nachfolgendenen Seite finden sie noch das Quellenverzeichnis....
© Lars Schall
Quellen:
i Dr. Bruno Bandulet: "Das Gold der Deutschen. Die Leihgeschäfte der Bundesbank", veröffentlicht am 27. Mai 2003 auf Goldseiten.de.
Dort heißt es zum "Blessing-Brief":
"Da kommt natürlich ein Verdacht auf. Warum legen die USA so großen Wert darauf, die deutschen Goldreserven bei sich zu haben? Ein exzellenter Kenner der Verhältnisse und früheres Mitglied der Bundesregierung meinte gegenüber G&M: 'Die Amerikaner betrachten das deutsche Gold als eine Art Pfand.' Er hätte auch sagen können: als eine Art Geisel für deutsches Wohlverhalten.
Ein heikles Thema, dem der Bundesbankkenner Marsh elegant auswich. Zum Verständnis des Ganzen müssen wir zurückblenden auf das Wirtschaftswunder der fünfziger und sechziger Jahre, auf die Exportüberschüsse, die sich damals in Gold verwandelten, auf die Besatzungskosten - und vor allem auf den berühmt-berüchtigten 'Blessing-Brief', der nie veröffentlicht wurde, mit dem aber jeder intime Kenner der Frankfurter Szene vertraut ist.(...)
Zurück zu Karl Blessing, der von 1958 bis Anfang 1970 der Bundesbank vorstand. Zwischen ihm und der Bundesregierung existierte ein geheimes Verwaltungsabkommen, wonach die Bundesbank bei gewissen Kabinettssitzungen hinzugezogen wurde. Besonders gefragt war die Kooperation zwischen Frankfurt und Bonn, als Gold wieder einmal in den Mittelpunkt der Währungspolitik rückte und als die US-Regierung Ende der sechziger Jahre einen neuen finanziellen Ausgleich für ihre Stationierungskosten in Deutschland verlangte.
Bonn war zahlungsunwillig, Resultat des amerikanischen Drucks war der bereits erwähnte Blessing-Brief. Darin sicherte der Bundesbankpräsident seinem Gegenüber bei der Federal Reserve die 'Immobilisierung' der deutschen Goldreserven zu. Er versprach, daß die Bundesbank die Reserven nicht aus den USA abziehen werde, solange die USA Stützpunkte in Deutschland unterhalten. Dies eine Konzession, auf die die Amerikaner allergrößten Wert legten."
ii Walter Hirt: "Die Zukunft des Goldes. Die Notenbanken als Helfershelfer der Hochfinanz", veröffentlicht auf Goldseiten.de am 10. September 2004.
Dort heißt es zum "Blessing-Brief":
"Wie kommt die Deutsche Bundesbank dazu, den Grossteil ihres Goldes in New York lagern zu lassen? Reichlich viel ist zu dieser Frage schon geschrieben worden, sowohl konkrete Hinweise als auch wilde Phantasien aus dem Reich der 'Verschwörungstheorien'. David Marsh bleibt verhalten: 'Im Interesse guter Beziehungen zur internationalen Finanzwelt werden die großen Mengen von Goldbarren wahrscheinlich bleiben, wo sie sind.' Offenbar betrachtet Washington das deutsche Gold als eine Art Pfand für weiteres 'Wohlverhalten'.
Diese etwas kühn anmutende Feststellung wird indessen durch den berühmt-berüchtigten 'Blessing-Brief' gestützt. Karl Blessing, von 1958 bis 1970 Präsident der Bundesbank, sicherte seinem Kollegen beim FED die 'Immobilisierung der deutschen Goldreserven' zu. Er versprach in Abstimmung mit der Bundesregierung, daß die Bundesbank die Reserven nicht aus den USA abziehen werde, solange die USA Stützpunkte in Deutschland unterhalten. Zum Hintergrund des 'Blessing-Briefs' gehört auch die Haltung des damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der Dollar-Hegemonie offen entgegenzutreten und tonnenweise Gold von New York nach Paris verschiffen zu lassen, begleitet von Kriegsschiffen der Grande Nation und verbalen Attacken aus dem gallischen Reservoir."
iii Dr. Udo Ulfkotte: "Muss die Bundesbank ihre Goldreserven abschreiben?", veröffentlicht am 3. Juli 2009 auf "Schweizerzeit"/"Gesunde Währung".
Dort heißt es zum "Blessing-Brief":
"Zu verdanken hat die Bundesregierung die Einlagerung des Goldes der Bundesbank in den USA einem Herrn Karl Blessing, der von 1958 bis Dezember 1969 die Bundesbank leitete. Blessing sicherte der Fed am 30. Mai 1967 schriftlich zu, dass die Bundesrepublik ihre Dollar so lange nicht gegen Gold eintauschen werde, wie amerikanische Soldaten auf deutschem Boden stationiert seien. Allein 1967 bis 1969 lagerte die Deutsche Bundesbank dann Gold im damaligen Gesamtwert von vier Milliarden Dollar bei der Fed ein. In einem Interview, das Karl Blessing kurz vor seinem Tode im Mai 1971 dem 'Spiegel' gab (Überschrift 'Der Brief gilt leider noch heute'), sagte der frühere Bundesbank-Präsident: 'Dann kam die Geschichte mit den Truppen.' Und der 'Spiegel' fragte: 'Sie meinen die Drohung der Amerikaner: Wenn ihr den Dollar nicht auf diese Weise stützt, ziehen wir die Truppen aus der Bundesrepublik zurück?' Darauf antwortete Karl Blessing: '(…) aber die Drohung war immer im Hintergrund da. Der Brief gilt leider heute noch, den ich damals geschrieben habe.'"
Um unnötige Fehler zu vermeiden, setzte ich mich mit Dr. Ulfkotte vorab in Verbindung, und bat betreffend dieser Passage um einige Aufklärungen. So wollte ich beispielsweise wissen, was der "Blessing-Brief" exakt mit der Frage nach der "Einlagerung des Goldes der Bundesbank in den USA" zu tun habe, und ob es sich bei der Datumsangabe "30. Mai 1967" eventuell um einen Tippfehler handeln könnte oder ob es da noch einen anderen "Blessing-Brief" gäbe. Unter anderem schrieb ich: "Mir ist es nach der Ansicht des Blessing-Briefes nicht ersichtlich, was er mit der Einlagerungsfrage zu tun hat bzw. warum der Brief in einem Artikel vorkommt, der mit der Frage zu tun hat, ob die BRD ihr Gold dauerhaft in den USA belassen 'muss'." Meine diesbezüglichen Fragen blieben bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung unbeantwortet.
iv Vgl. Dimitri Speck: "Geheime Goldpolitik. Warum Zentralbanken den Goldpreis steuern", Finanzbuch Verlag, München, 2010, Seite 114.
v Karl Otto Pöhl: "Bundesbank - Ein Mythos wird fünfzig", veröffentlicht am 1. August 2007 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Um unnötige Fehler zu vermeiden, setzte ich mich auch mit Karl Otto Pöhl vorab über das Bankenhaus Sal. Oppenheim in Zürich in Verbindung, und bat betreffend des "Blessing-Briefs" um etwas Aufklärung. Unter anderem wollte ich erfahren, ob der "Blessing-Brief" vom 30. März 1967 stammt oder vom 30. Mai 1967. Ferner, ob der Brief als vertraulich behandelt wird oder jemals für die deutsche Öffentlichkeit veröffentlicht wurde (beispielsweise, um die Gerüchte rund um den Brief zu kontern), und vor allem, ob es einen geheimen - oder doch zumindest nicht veröffentlichten - Anhang gäbe. Meine diesbezüglichen Fragen blieben bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung unbeantwortet.
vi Bruno Bandulet: "Das geheime Wissen der Goldanleger", Kopp-Verlag, Rottenburg, 2007.
vii Genauer gesagt war Bill Murphy auf der Vancouver Resource Investment Conference 2011- siehe: www.youtube.com.
viii Als weitere Autoren zur Überprüfung des Sachverhalts nannte Herr Speck: H. W. Brands und Francis M. Bator.
ix Von daher sehe ich diese grundlegende Annahme von Dr. Bandulet keineswegs widerlegt, und ich möchte ausdrücklich betonen, dass es mir persönlich auch gar nicht darum ging. Gleichwohl möchte ich auch darauf hinweisen, dass mein Vorschlag an Dr. Bandulet, ein gemeinsames Interview zum "Blessing-Brief" zu führen, unbeantwortet blieb.