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Steve St. Angelo über die Energie- und Schuldenkrise und die Notwendigkeit, Edelmetalle zu besitzen

08.06.2016  |  Mike Gleason

Mike Gleason: Heute habe ich das Vergnügen, Steve St. Angelo, den Betreiber der Webseite The SRSrocco Report, zu unserem Interview begrüßen zu dürfen. Steve ist ein unabhängiger Analyst und Investor, der die Edelmetall- und Energiemärkte so aufmerksam verfolgt wie kaum ein zweiter, und er hat eine der inhaltlich besten und Webseiten unserer gesamten Branche. Steve, willkommen zurück. Schön, dass Sie heute wieder bei uns sind.

Steve St. Angelo: Ja Mike, ich freue mich schon auf unser Gespräch.


Mike Gleason: Unsere letzte Diskussion liegt schon einige Monate zurück, also sagen Sie uns zunächst doch bitte, wie Sie die bisherige Entwicklung der Edelmetalle in diesem Jahr einschätzen und was nach den Hochs Ende April zum aktuellen Kursrückgang geführt hat.

Steve St. Angelo: Der Hauptfaktor, der nicht nur den sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach physischen Edelmetallen, sondern auch nach ETFs, vor allem Gold-ETFs ausgelöst hat, war meiner Meinung nach der Crash an den Aktienmärkten und die deutliche Korrektur des Dow Jones um 2.000 Punkte. Das Interessante daran ist, dass die Goldbestände der ETFs diesmal allein im ersten Quartal 2016 um 364 Tonnen aufgestockt wurden.

Im Jahr 2009 brach der Dow Jones in ersten Quartal dagegen um 4.000 Punkte ein und fiel auf einen Kursstand von rund 6.600. Die Investoren ängstigten sich zu Tode und die Bestände der Gold-ETFs erhöhten sich um 50 Tonnen. Nun, diesmal ging es für den Aktienindex nur 2.000 Punkte nach unten, aber die Investoren strömten an den Goldmarkt und investierten in Gold-ETFs, als wäre das Ende der Welt gekommen - dabei handelte es sich nur um eine ganz normale Kurskorrektur von vielleicht 10% oder 15%. Doch die Anleger hatten Angst, dass die Korrektur sich zu einem massiven Crash ausweiten könnte.

Dazu ist es nicht gekommen. Bis zum April hatten sich die Märkte erholt und die Stimmung hatte sich wieder aufgehellt. Ein weiterer Faktor, der auf den Edelmetallpreisen lastet, sind die enormen Short-Positionen der Commercials. Diese haben vor ein oder zwei Wochen ein Rekordniveau erreicht und natürlich beobachten die Investoren das. Die Gold- und Silberkurse hätten auf über 1.300 $ bzw. 18 $ steigen müssen. Das hätte die Commercials womöglich viel stärker unter Druck gesetzt.

Diese Grenzen wurden auch kurz angekratzt, aber es sieht so aus, als hätten die Banken genau dieses Kursniveau genutzt, um die Preise wieder nach unten zu drücken. An mehreren Tagen wurden innerhalb weniger Minuten gewaltige Goldpositionen im Wert von 2 oder 3 Milliarden $ verkauft und das war ausreichend. In dieser Situation finden wir uns jetzt also wieder und die Marktstimmung hat sich mittlerweile deutlich eingetrübt, weil die Kurse die 1.300-$- und die 18-$-Marke nicht halten konnten. Wir müssen abwarten, wie sich die Short-Positionen der Commercials von nun an entwickeln und wie es künftig weitergeht.


Mike Gleason: Ich möchte mit Ihnen auf jeden Fall ausführlich über die Angebotsseite sprechen. Sie berichten ja sehr detailliert darüber und Sie haben großartige Information dazu zusammengetragen. Vor Kurzem haben Sie einen Artikel über die enorme Erhöhung der Nachfrage nach den Münzen Silver Eagle und Silver Maple Leaf veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass die jährliche Silberproduktion in den USA und in Kanada nicht ausreicht, um den Bedarf der Prägestätten zu decken, die diese beiden Anlagemünzen herstellen.

Vor zehn oder 15 Jahren war das noch nicht der Fall. Das ist eine sehr interessante Entwicklung der Dynamik von Angebot und Nachfrage in Nordamerika. Steve, was haben Sie bei Ihren Recherchen herausgefunden und welche Schlüsse ziehen Sie daraus?


Steve St. Angelo: Ich denke es ist wichtig, dass die Leser die Bedeutung der mittel- und langfristigen Fundamentaldaten verstehen. Wir sollten unsere Aufmerksamkeit verstärkt darauf konzentrieren, denn am Ende werden die fundamentalen Gegebenheiten immer die Oberhand behalten, allen Marktmanipulationen zum Trotz. Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.

Im Jahr 2001 haben die Vereinigten Staaten und Kanada zusammen etwas mehr als 95 Millionen Unzen Silber gefördert und die Verkäufe der Siver-Eagle-Münzen lagen bei rund 9 Millionen Unzen, d. h. sie machten weniger als 10% der Gesamtproduktion aus. 2015 belief sich das Silberangebot aus der nordamerikanischen Minenproduktion auf 47 Millionen Unzen. Es hat sich also halbiert, doch allein die Nachfrage nach Silber Eagles und Silver Maple Leafs lag im letzten Jahr bei 81 Millionen Unzen und übertraf die Fördermenge der USA und Kanadas damit um 33-34 Millionen Unzen.

2001 war also noch Silber übrig, welches in der Industrie und zur Herstellung von Schmuck und Silberwaren verwendet werden konnte, doch heute müssen allein für die Herstellung der Silbermünzen 33 Millionen Unzen importiert werden. Dieser aktuelle Trend stellt eine phänomenale Entwicklung dar. Die Nordamerikaner sammeln aus irgendeinem Grund gern Silbermünzen, während in Asien, oder zumindest in Indien, Silberbarren beliebter sind. In Nordamerika werden also viele Silbermünze und selbst Silbermedaillen gekauft. Diese Nachfrage ist richtungsweisend für den Edelmetall-Investmentmarkt.

Ich schätze, dass die Verkaufszahlen der Silver Eagles und Silver Maple Leafs in diesem Jahr deutlich steigen werden, insgesamt vielleicht auf 90 Millionen Unzen. Da die Minenproduktion in etwa stabil bleiben wird, erhöht sich das Defizit dadurch um weitere 7 oder 8 Millionen Unzen, allein aufgrund der Münznachfrage. Diese Entwicklung sollte nicht unterschätzt werden, Mike.


Mike Gleason: Sehr interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch einen aktuellen Bericht von Ihnen, in dem Sie herausstellen, dass die weltweite Investitionsnachfrage nach Silberbullion vor zehn Jahren nur 8% der industriellen Nachfrage entsprach, während sie heute halb so groß ist wie der globale Silberbedarf der Industrie. Die industrielle Nachfrage ist dabei weitestgehend konstant geblieben, sie hat nur geringfügig abgenommen.

Wenn es so weitergeht, erleben wir vielleicht schon bald, dass für Investmentzwecke mehr Silber gefördert werden muss, als für industrielle Anwendungen, wer weiß. Wenn man bedenkt, wie die Nachfragesituation früher war, ist das wirklich verblüffend. Was denken Sie darüber?




Steve St. Angelo: In den Jahren 2005, 2006 und 2007 hatte die Investmentnachfrage, d. h. die Münz- und Barrennachfrage jeweils einen Anteil von 8% an der gesamten Silbernachfrage. Dann kam 2008 und alles änderte sich. Was war geschehen? Die US-Banken und der US-Immobilienmarkt crashten zum ersten Mal. Ich sage zum ersten Mal, weil uns das zweite Mal noch bevorsteht. Man versucht zwar alles, um die Krise zu vermeiden, doch das wird nicht für immer funktionieren. 2008 nahmen die Silberinvestitionen stark zu und machten plötzlich 29% der Gesamtnachfrage aus.

GFMS hat kürzlich die von privaten Prägestätten hergestellten Silbermedaillen und -barren in die Statistiken mit aufgenommen. Früher war das nicht der Fall, weil das Analystenteam keine guten Daten zu diesem Sektor hatte, doch jetzt haben sie die Zahlen für 2015 in ihre World Silver Survey 2016 mit aufgenommen. Dadurch haben sich ihre Angaben zur Gesamtnachfrage nach Silbermünzen und -barren im letzten Jahr um 40 oder 50 Millionen Unzen erhöht und die Statistiken der vorhergegangenen Jahre mussten überarbeitet werden. Das ist also ein weiterer Faktor, der die Investmentnachfrage steigen lässt, die sich mittlerweile auf 50% der industriellen Nachfrage beläuft.

Hier ist der springende Punkt dabei: In den 1960er Jahren haben wir den Silberstandard aufgeben, weil das weiße Metall zu wertvoll wurde, um Münzen daraus herzustellen. So war es wirklich. Wir haben zu große Mengen davon in der Industrie verwendet und beides war nicht möglich. Wir konnten nicht gleichzeitig Münzgeld aus Silber und genügend Silber für die Industrie und die Herstellung von Schmuck und Silberwaren haben. Es gab einfach nicht genug davon. Also hat man das Silber aus den Münzen entfernt, weil sonst auch der Preis der Münzen gestiegen wäre. Die Industrie hat unterdessen weiter gewaltige Mengen an Silber verschlungen und die Hälfte davon ist unwiderruflich verloren.

Doch wenn sich die Investitionsnachfrage nach Silber im Verhältnis zu letztem Jahr eines Tages verdoppeln sollte, dann würde sie den Bedarf der Industrie übersteigen, beispielsweise wenn die institutionellen Investoren im großen Stil in den Silbermarkt einsteigen oder weil die Anleger sehr besorgt sind, so wie im ersten Quartal dieses Jahres. Sobald es zu einem größeren Crash kommt, könnte sich die Nachfrage nach Silberinvestitionen leicht verdoppeln und von 300 Millionen Unzen im vergangenen Jahr auf 600 Millionen Unzen anwachsen, weil Gold und Silber echtes Geld sind. Dann läge sie bereits über der Nachfrage der Industrie. Ich denke, dass die Nachfrage eines Tages enorm zunehmen wird, Mike, und ich glaube nicht, dass das Angebot gleichermaßen mitwächst.


Mike Gleason: Sie beobachten auch das Angebotsdefizit am Silbermarkt schon seit Langem und ich würde gern Ihre Meinung zu den von Thomson Reuters veröffentlichten Statistiken zu Silberangebot und -nachfrage auf globaler Ebene hören, Steve. Sie haben kürzlich von einer Anpassung der Zahlen berichtet, durch die das Defizit viel größer wurde, als zunächst gemeldet. An den Märkten besteht also schon seit mehr als einem Jahrzehnt diese permanente Knappheit, doch die Preise sind zwar deutlich höher als noch vor zehn oder 15 Jahren, waren in den letzten fünf Jahren aber auch stark rückläufig. Was können wir daraus ableiten?

Steve St. Angelo: Innerhalb weniger Monate, sagen wir innerhalb eines halben Jahres, haben die Analysten das seit 2004 angestaute Defizit von etwas über 1 Milliarde Unzen auf fast 1,3 Milliarden Unzen nach oben korrigiert. Sie haben also festgestellt, dass der Fehlbetrag knapp 300 Millionen Unze höher ist, als zunächst angenommen.

Ich habe per E-Mail Kontakt zum Silber-Chefanalysten bei GFMS aufgenommen und geschrieben, dass ich von Defiziten am Silbermarkt Anfang der 1980er und 1990er Jahre gehört hatte. GFMS schickte mir daraufhin sämtliche Daten zu Angebot, Nachfrage und den Defiziten seit 1975. Ich habe mir die Statistiken alle angesehen und wie sich herausstellte, gab es in den 1980ern und 1990ern einen Überschuss. Insbesondere Mitte der 1990er verkauften die Investoren eine Menge Silberbarren am Markt, weil sie gedacht hatten, dass die Preise sich erholen würden. Doch das war nicht der Fall. Die Überschüsse dieser beiden Jahrzehnte summierten sich insgesamt auf rund 1,6 Milliarden Unzen.

Und jetzt raten Sie mal - zwischen 2000 und 2015 hat sich ein Defizit von 1,6 Milliarden Unzen angesammelt. Die Märkte haben in den letzten 15 Jahren also in Wirklichkeit vom Überschuss der vorhergegangenen zwei Jahrzehnte gezehrt. Warum hatte dies keine Auswirkung auf den Silberpreis? Nunja, der Markt wird manipuliert. Die Märkte sind vollkommen manipuliert. Warum steigt der Dow Jones, obwohl grottenschlechte wirtschaftliche Fundamentaldaten veröffentlicht werden?

Die Märkte sind ein seltsamer Ort. Die Aktienkurse von Bear Stearns und später von Lehman Brothers implodierten rasend schnell, doch wenn man etwas von den Fundamentaldaten der beiden Unternehmen verstand, dann zeichnete sich das wahrscheinlich schon lange vorher ab. Die Fundamentaldaten zeigten schon zwei oder drei Jahre zuvor, dass Aktienkurse nicht dem tatsächlichen Wert entsprachen, und dass die beiden Banken bankrott waren.

Eine ähnliche Situation haben wir auch heute wieder. Gold und Silber sind unterbewertet, weil die Märkte die Daten nicht richtig verstehen. Wenn die eigentliche Lage offensichtlich wird und die echten Fundamentaldaten zum Tragen kommen, werden wir ein umgekehrtes Lehman-Brothers-Ereignis, eine umgekehrte Entwicklung wie bei Bear Stearns erleben: Die Gold- und Silberpreise werden endlich durchstarten.


Mike Gleason: Mit der steigenden Investmentnachfrage geht offenkundig auch eine örtliche Verlagerung der Edelmetalle von West nach Ost einher, möglicherweise wandern Gold und Silber aus den schwachen Händen des Westens in die starken Hände des Ostens. Wahrscheinlich werden wir diese Edelmetalle auch nicht so schnell wiedersehen. Die Investoren tätigen zwar größere Edelmetallkäufe, doch sie werden nicht unbedingt bereit sein, ihre Bestände wieder zu verkaufen, solange die Preise nicht deutlich steigen.

Ich denke, auch das ist ein wichtiger Faktor. Die jetzigen Anleger werden ihre Edelmetalle nur mit einem Gewinn wieder verkaufen wollen und damit dieses Gold und Silber wieder auf den Markt gelangt, sind signifikant höhere Preise nötig. Ein großer Teil der Edelmetalle wird von sehr starken Händen gekauft. Sehen Sie das genauso?


Steve St. Angelo: Ja, auf jeden Fall. Wir dürfen auch nicht vergessen, was 2011 passiert ist, als der Silberpreis im Durchschnitt bei über 35 $ lag. Damals war das Angebot an Altsilber mit 240 Millionen Unzen verhältnismäßig hoch, doch die Märkte absorbierten alles. Ich denke allerdings, dass das Angebot an recyceltem Silber selbst dann sinken könnte, wenn der Preis auf 100 $ steigt, denn hier besteht ein Unterschied im Vergleich zu Gold.

In den späten 1990er Jahren und Anfang der 2000er Jahre kauften die Amerikaner viel Goldschmuck, weil der Preis niedrig war und die Dinge damals gut liefen. Sie kauften Gold, um sich damit zu schmücken und damit anzugeben, während die Inder im Goldschmuck eine Notreserve sahen. Sie betrachten ihn eher als Ruhestandsgeld, als Vermögen, während die Amerikaner zeigen möchten, dass sie einen schönen Goldring besitzen. Sie sind auch bereit, ihre Goldmünzen und ihren Schmuck zu verpfänden, denn für 500 $ oder 800 $ lohnt es sich, zur Pfandleihe zu gehen.



Aber in einem Silberring ist nicht einmal eine Unze Silber enthalten. Selbst bei einem Silberpreis von 100 $ wird kaum jemand zum Edelmetallhändler oder Juwelier gehen und seinen Silberring für 40 $ verkaufen. Aus diesem Grund wird Silberschmuck nur selten recycelt. Gold dagegen schon, weil der Preis viel höher ist. Ich denke also nicht, dass das Angebot an wiedergewonnenem Silber stark steigen wird. Selbst wenn der Silberpreis wirklich enorm in die Höhe klettern sollte und mehr Menschen ihr Silber verkaufen, wird das zusätzliche Angebot von den Märkten wahrscheinlich sofort absorbiert, weil Gold und Silber die Assets der Zukunft sind.


Mike Gleason: Wenn höhere Preise nicht zwangsläufig eine deutliche Zunahme des Angebots an recyceltem Silber zur Folge haben, dann stellt sich die Frage, woher das Angebot kommen wird. Was die Minenproduktion anbelangt wissen wir ja, dass diese sich nicht so schnell steigern lässt. Derzeit werden viele Minen vorläufig stillgelegt und nur die nötigen Instandhaltungsarbeiten werden noch durchgeführt. Wenn die Preise steigen, kann die Produktion an diesen Minen nicht sofort wieder beginnen.

Doch ich möchte mit Ihnen noch über das Verhältnis zwischen dem Dow Jones und dem Silberkurs reden, denn dazu haben Sie ja auch einige Analysen durchgeführt. Was haben Sie durch Ihre Recherchen über das Dow/Silber-Verhältnis gelernt, Steve?


Steve St. Angelo: Ich denke, dass dieses Verhältnis wichtig ist, weil uns gar nicht bewusst ist, wie stark alles aus dem Gleichgewicht geraten ist. Als der Silberpreis 1980 erstmals auf 49 $ gestiegen ist, notierte der Dow Jones im ersten Quartal bei durchschnittlich 864 Punkten. Im Mai 2011 kletterte der Silberkurs erneut bis auf 49 $, doch gleichzeitig lag der Dow Jones im Bereich von 12.000-13.000 Punkten. 1980 betrug das Dow/Silber-Verhältnis also 25:1, doch im Laufe der nächsten Jahrzehnte schoss es in die Höhe und im Juni 2001 lag es bei 2.500:1.

Relativ zum Dow Jones konnte man 2001 also hundertmal mehr Silber kaufen, als 1980. Als der Silberpreis 2011 nach oben schoss, fiel das Dow/Silber-Verhältnis auf 250:1, d. h. auf ein Zehntel seines Spitzenwertes. Derzeit liegt es bei etwa 1.000:1.

Ich möchte, dass Ihre Zuhörer und Leser Folgendes verstehen: Während der Kurs des Dow Jones seit 1980 auf das 21fache klettert ist, haben sich die US-Schulden auf das 22fache erhöht. Der Rentenmarkt der USA ist unterdessen auf das 25fache Volumen angewachsen. Wenn Sie alle diese Zahlen, all die Assets miteinander vergleichen, dann wird klar, dass sie fast genau in dem gleichen Maße gewachsen sind, wie die Staatsschulden der USA. All diese Assets sind in Wirklichkeit Schuldenassets. Es sind keine echten Vermögenswerte. Einen echten Vermögenswert kann man verkaufen. Ruhestandskonten und der Dow Jones sind nichts als Forderungen an die zukünftige Wirtschaftsleistung.

Ich hatte Ihnen ja bereits von meinen Analysen des Energiesektors berichtet. In den USA hat die Ölproduktion ihr Maximum erreicht und von nun an wird es höchstens bergab gehen. Seit den 1970er und 1980er Jahren haben die Märkte das Kapital weg von Realwerten und hin zu Papierassets wie dem Dow Jones, den Staatsanleihen und dem Rentenmarkt gelenkt. All diese Finanzmärkte sind einzig und allein durch Schulden gedeckt. Es ist daher kein Zufall, dass der Wert all dieser Assets um mehr als das 20fache zugenommen hat, während die US-Staatsschulden auf das 22fache angewachsen sind.

Den meisten Anlegern ist gar nicht bewusst, dass sie in Forderungen investiert haben, statt in Vermögenswerte. Im ersten Quartal des Jahres 1980 lag der durchschnittliche Silberpreis bei 30 $, heute liegt er bei 16 $. Wenn die Investoren ihr Geld in Gold und Silber angelegt hätten, statt in das Ponzi-System der Rentenkonten, wären die Edelmetallpreise heutzutage viel höher, das Volumen des Rentenmarktes und der Kurs des Dow Jones dagegen viel niedriger. Das ist das Problem. So haben sich die Dinge im Laufe der letzten 30 Jahre entwickelt.


Mike Gleason: Sie haben gerade das Thema Energie angesprochen, Steve. Jeder, der ihre Webseite besucht, wird die Abkürzung "EROI" sehen, die für "Energy Returned on Invested", d. h. für den Erntefaktor steht. Darauf möchte ich gern kurz eingehen und Sie sollten das Konzept für unsere Leser und Zuhörer noch einmal erklären, bevor wir fortfahren. Ich würde außerdem gern einen Artikel zitieren, denn Sie jüngst zu diesem Thema veröffentlicht haben, und dann können Sie das kommentieren.

"Es wird völlig egal sein, wie viel Geld in Zukunft im Umlauf ist, wenn die Energieerzeugung in den Keller fällt. Wen interessiert es, wie viele Billionen dann in der Geldmenge M2 oder M3 sind, wenn wir nicht genügend Strom haben, um ein System am Laufen zu halten, das nur mit einem kontinuierlich wachsendem Energieangebot funktionieren kann. Den künftigen Wert von Gold anhand der ausstehenden Geldmenge bemessen zu wollen, ist völliger Unsinn.

Genau aus diesem Grund bezeichne ich Gold und Silber als Investments. Der Wert der Edelmetalle wird steigen, während der Wert der meisten Papierassets und auch der meisten physischen Vermögenswerte kollabieren wird. Die Neubewertung von Gold und Silber wird sich lange nach dem Zusammenbruch des Fiatwährungssystems fortsetzen. Gold und Silber werden weiter an Wert gewinnen, weil die meisten anderen Assets förmlich zerfallen werden. Das geht weit über den Nutzen der Edelmetalle als Geld oder als Absicherung hinaus."

Geben sie uns doch bitte eine allgemeinverständliche Erklärung des Erntefaktors und gehen Sie dann auf den Abschnitt ein, den ich gerade zitiert habe, und sagen Sie uns, warum Sie der Ansicht sind, dass all das auf deutlich höhere Gold und Silberpreise hindeutet.


Steve St. Angelo: Ja Mike, meine Analysen unterscheiden sich von denen der meisten Kommentatoren im Edelmetallsektor, weil diese sich mit der Österreichischen Schule der Wirtschaftstheorie befassen und die Geldmenge betrachten. Jim Sinclair und selbst Jim Rickards prognostizieren auf Grundlage der Geldmenge Goldpreise in Höhe von 10.000, 15.000, 20.000 oder 30.000 $. Doch wie das Zitat, das Sie gerade vorgelesen haben, schon sagt - es wird nicht von Bedeutung sein, wie hoch die Geldmenge M1, M2 oder M3 ist, wenn die Energieerzeugung rückläufig ist.

Wir dürfen die enorme Schuldenlast von 20 Billionen $ nicht vergessen. Ich bezeichne diese auch als "Energieschulden". Unser Problem ist, dass alles vom Erntefaktor abhängt, der einfach gesagt ausdrückt, wie viel Energie notwendig ist, um neue Energie zu erzeugen.

Als die Vereinigten Staaten mit der Ölförderung begannen, war der Erntefaktor mit 100:1 noch sehr hoch. Wenn wir damals so viel Energie aufwendeten, wie in einem Barrel Öl gespeichert sind, konnten wir damit den Gegenwert von 100 Barrel Öl an Energie gewinnen. Dieses Verhältnis ist seitdem dramatisch gesunken. 1920 konnte man durch Einsatz von einem Barrel Öl noch 1.500 neue Barrel Öl finden.



Heute ist liegt das Verhältnis eher bei 5:1. ConocoPhillips, das drittgrößte Ölunternehmen der USA, hat die Explorationstätigkeit sogar vollständig aufgegeben, weil die Preise zu niedrig sind. Im Bereich der Exploration liegt das Verhältnis schon jetzt bei 5:1 und ich gehe davon aus, dass es noch weiter fallen wird. Der Erntefaktor sinkt ernsthaft ab. In der Schieferölindustrie liegt er heute bei 5:1, nachdem er früher 100:1 und in den 1970er Jahren immerhin noch 30:1 betragen hatte.

Unsere Wirtschaft und unsere moderne Gesellschaft benötigen einen Erntefaktor von etwa 12:1, um zu funktionieren. Die Schieferölindustrie kann da nicht mithalten. Die Tiefsee-Ölförderung verzeichnet Erntefaktoren im Bereich von 10:1. Wir stecken in großen Schwierigkeiten. Ich werde Ihnen sagen, wie groß: Der US-Energiesektor hat Schulden in Höhe von 370 Milliarden $ angehäuft. Im letzten Jahr mussten die Unternehmen 17 Milliarden $ an Gewinnen allein für die Bedienung dieser Schulden aufwenden, d. h. für Zinszahlungen. Ich spreche hier nicht von der Rückzahlung der Schulden, nur von den fälligen Zinsen. Im ersten Quartal dieses Jahres hat sich die Situation sogar noch weiter verschlechtert und ganze 86% der Unternehmensgewinne flossen allein in Zinszahlungen.

Ja, der Ölpreis ist ein wenig gestiegen, aber der Grund dafür ist die große chinesische Nachfrage. Das Land hat seine strategischen Reserven aufgestockt. Nicht alles Öl wird aktuell auch wirklich verbraucht, ein Teil wird angesichts der niedrigen Preise eingelagert. Ich denke daher nicht, dass der Preis weiter steigen wird. Sobald China seine Reserven aufgefüllt hat, könnte er sogar wieder fallen. Seit dem Rekordniveau im letzten Jahr ist die US-amerikanische Rohölförderung um fast 1 Million Barrel zurückgegangen.

Eine Million Barrel weniger, und es werden auch nicht wieder mehr. Höhere Ölpreise können wir uns zudem gar nicht leisten. Wir hatten einige Jahre lang das Phänomen der Nullzinsen und es wurde mehr und mehr Geld gedruckt. Das wird vielleicht noch eine Weile so weitergehen, aber die Schulden sind mittlerweile einfach zu hoch. Das ist ein echtes Problem.

Im Energiesektor und in unserem gesamten Finanzsystem ist das Schuldenniveau viel zu hoch. Auf jeden Dollar, der im Rahmen des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet wird, kommen 6 $ Schulden. Es ist ein einziges Desaster. Wie lange kann das noch so weitergehen? Wahrscheinlich noch eine Weile, aber eines Tages werden die Fundamentaldaten zum Tragen kommen und wenn es soweit ist, werden die Anleger an den Papiermärkten und Immobilienmärkten in ernsten Schwierigkeiten stecken. Die Kurse der Papierassets werden in sich zusammenbrechen und die Immobilienpreise werden implodieren, weil es nicht möglich ist, eine gigantische Vorstadt-Wirtschaft wie unsere mit einem um 20%, 30% oder 50% reduziertem Energieangebot zu betreiben. Das wird sich auch in den Grundstückspreisen niederschlagen.

Ich sage das schon seit ein oder zwei Jahren in unseren Gesprächen, aber in Zukunft wird sich die Lage nur weiter verschlechtern und die meisten Investoren können das nicht erkennen. Sie sehen es nicht kommen, aber die Krise wird ihren Lauf nehmen und deswegen bin ich davon überzeugt, dass Gold und Silber die besten und flüssigsten Assets sein werden. Edelmetalle sind sinnvolle Investitionen, sie sind viel mehr, als nur Geld. So sehe ich das zumindest.


Mike Gleason: Sie haben eine einzigartige Perspektive, Steve. Viele Menschen berücksichtigen die eben von Ihnen angesprochenen Trends nicht. Deshalb laden wir Sie immer wieder gern zu unseren Interviews ein und deshalb finde ich unsere Gespräche immer so interessant. Sagen Sie unseren Lesern und Zuhörern doch bitte noch, was sie auf Ihrer Webseite SRSrocco Report finden können, bevor wir uns verabschieden.

Steve St. Angelo: Auf der Webseite The SRSrocco Report veröffentlichen wir im Schnitt zwei bis drei Artikel pro Woche, hauptsächlich zu den Edelmetallen und zum Minensektor, aber ich gehe auch auf die Trends im Energiesektor ein. Leider werden die Artikel zum Thema Energie von viel weniger Menschen gelesen, als die Edelmetallanalysen, obwohl es eigentlich anders herum sein sollte.

Energie ist die Antriebskraft für alles. Wenn jemand krank ist, fehlt ihm die nötige Energie, um aufzustehen, um auf Arbeit zu gehen. Man braucht Energie, um morgens aus dem Bett zu kommen und man braucht Benzin, um mit dem Auto zur Arbeit zu kommen. Energie hält das gesamte System am Laufen. Solaranlagen, Windkraftanlagen und andere erneuerbare Energiequellen sind leider nicht ausreichend. Es ist sicher nicht verkehrt, Solarzellen auf dem Dach zu haben, wenn die Stromversorgung zusammenbricht, aber im großen Maßstab funktionieren diese Energiequellen nicht. Ich habe es durchgerechnet.

Ihre Zuhörer und Leser sollten sich in Zukunft vor allem auf die Fundamentaldaten konzentrieren, Mike. Diese zeigen uns, dass mehr und mehr Menschen in Edelmetalle investieren, auch wenn die Preise das nicht widerspiegeln. Im Hinblick auf den Energiesektor wird die Lage immer schlechter. Angesichts der erdrückenden Schulden, die auf dem gesamten Finanzsystem lasten, wird es für das Establishment immer schwerer werden, so weiterzumachen wie bisher.

Ich weiß nicht, wie lange es noch so weitergehen kann, aber es wird jedes Jahr schlimmer. Das Beste, was Sie tun können, ist regelmäßig physische Edelmetalle zu kaufen, so wie Sie auch regelmäßig etwas auf Ihr Sparbuch oder Ihr Ruhestandskonto einzahlen würden. Statt nur Forderungen, Schuldscheine und digitales Guthaben auf einem Konto zu besitzen, ist es besser, Gold und Silber in Form von Münzen oder Barren einem sicheren Ort zu verwahren. So schätze ich die zukünftigen Entwicklungen ein, Mike.


Mike Gleason: Wir sind uns einig, dass sich nicht exakt vorhersagen lässt, wann das System kollabieren wird, aber es sieht auf jeden Fall so aus, als würden wir uns auf einen Crash zubewegen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit. Das war ein sehr erhellendes Gespräch, Steve. Viele Menschen müssen dringend aufwachen und erkennen, was wirklich vor sich geht, und ich denke, dass Sie in dieser Hinsicht einen großen Beitrag leisten, Steve. Danke für die fantastische Arbeit, die Sie leisten, und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Wir wissen das immer zu schätzen. Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende und bis bald!

Steve St. Angelo: Es war mir ein Vergnügen Mike, vielen Dank!


© Mike Gleason
Money Metals Exchange


Der Artikel wurde am 27. Mai 2016 auf www.moneymetals.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.