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Was droht uns aus Italien?

30.08.2016  |  Dr. Dietmar Siebholz

Als mich kürzlich ein italienischer Geschäftspartner fragte, ob wir in Deutschland nicht wegen der nächsten Monate bezüglich seines Landes in heller Aufregung wären, war ich ein wenig erstaunt. Nun gut, wir wissen, dass einige italienischen Banken am Rande des Zusammenbruchs stehen, dass sie in Europa (außer wohl Griechenland) mit die höchste Kreditausfallquote von mehr als 16% haben und ein eiligst zusammengetrommelter Bankennothilfefonds mit dem "herausragenden Betrag von ca. 5 Mrd. Euro" gegründet wurde (verzeihen Sie bitte meinen Zynismus).

Wenn man etwas tiefer in die Materie eindringt, wird man schon etwas nervöser. Da haben sich schon vor Monaten die Herren Rienzi und Hollande getroffen und über "neue Grundlagen für die EU" gesprochen. Es ist kein Geheimnis, dass es dabei um die Risikoverteilung zwischen den stärkeren und den schwächeren EU-Staaten ging. Und beide meinten, Frankreich und Italien würden zu den letzteren gehören. Und man war sich einig, dass die BRD mit ihrer starken Wirtschaftsleistung und ihren Überschüssen mehr denn je zu fordern wäre.


Nun habe ich ja schon seit Monaten eine konträre Stellungnahme zur realen Verschuldung der BRD, zur unheilvollen Verknüpfung von TARGET-2-Guthaben der Bundesbank bei der EZB und zu den realen Verpflichtungen der BRD aus den bereits abgeschlossenen EU-Verträgen oder aus den Einlageverpflichtungen in die EU-Institutionen wie ESM, ELA und andere geschrieben, die uns bis an die Grenze des Erträglichen auslaugen werden.

Merken Sie: Seit Jahrzehnten werden weltweit Lumpereien hinter obskuren Abkürzungen versteckt, wissend, dass niemand seine Unkenntnis zugeben und nach dem inneren Sinn der Institutionen fragen wird. So hat kaum einer aus dem Bundestag nach dem Sinn der ELA-Aktionen der EZB gefragt.

ELA = Emergency Liquidity Assistance = Notfall-Liquiditätshilfe oder kurz gesagt: Wenn keiner mehr einem Land oder einer Institution Geld geben will, tut dies die Europäische Zentralbank unter Verkennung, dass im normalen Bankgeschäft vorsichtige Bankiers eher nach dem alten indianischen Sprichwort entscheiden "Reite niemals ein totes Pferd…“.

Wir über die EZB geben aber gegen dieses Prinzip Milliarden an Euro aus.



Was, so werden Sie mich jetzt frage, soll nun noch mit Italien geschehen, was uns zusätzlich Angst machen sollte? Oder besser die Frage: "Ist Italien bereits ein solches Pferd?"

Da wäre erst einmal der Beschluss aus Brüssel, einen einheitlichen Bankensicherungsfonds bedienen zu müssen, in den alle EU-Banken einbezogen werden sollen, und zwar nicht nur die der EURO-Staaten, sondern die aller EU-Länder. Bei den EURO-Staaten hätte ich ja noch ein wenig Verständnis, denn wir hängen ja auch tödlich verbunden am EURO dran. Aber warum denn für alle 28 EU-Länder? Meine persönliche Meinung hierzu ist ggfl. ketzerisch, aber wahrscheinlich wahr:

Nach dem Aderlass für die deutsche Lehman Bros.-Tochter (Sie sollten sich einmal mit der Historie dieses Aderlasses bekannt machen - kein Wunder, dass nach der Schlussabwicklung der Lehman-Pleite das wunderbare Ergebnis herauskam, dass man Lehman hätte gar nicht opfern müssen.

Wobei ich meine, dass man den Aderlass des deutschen Bankensicherungsfonds schon gebraucht hatte, um dieses für die Gläubiger erfreuliche Ergebnis zustande zu bringen) sollte der inzwischen wieder relativ gut gefüllte deutsche Bankensicherungsfonds nun auch noch für alle anderen 27 EU-Länder herhalten. Brüssel hat ja bisher nicht die Sicherungsbeträge veröffentlicht, die die anderen 27 schon (wenn überhaupt) gesammelt haben. Ich vermute, die wissen warum.

Nicht zu übersehen ist das Risiko aus dem Vertrag über den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM). Ich will nicht viele Worte verlieren, aber wie ich schon mehrmals erwähnte, kein Kaufmann, den ich in meiner nunmehr 50-jährigen Geschäftspraxis kennengelernt habe, würde selbst noch dem Konsum von drei Joints und zusätzlich einer Flasche Johnny Walker einen solchen Vertrag zur Kenntnis nehmen, geschweige denn unterzeichnen.

Zu den schlimmsten Folgen zählt die Verschleierung der Tatsache, dass man (erst einmal die Aufnahme von Fremdmitteln in der ersten Vertragsversion ausschloss) und dann in der zweiten Version heimlich dem ESM die automatische Bankeigenschaft zubilligte. Was schlicht heißt, dass der ESM bevorzugt am Markt (aber wohlweislich nach dem IWF) Darlehen aufnehmen kann, also seine Liquidität immer gesichert ist, natürlich verbunden mit einer Zusatzbelastung der Mitgliedsländer, die dann nämlich ihre Verpflichtungen in Form von weiteren Einlagen in den ESM. Erfüllen müssen.

Viel vernichtender ist jedoch die Klausel, dass, wenn ein Land die von ihm geforderte Mitwirkung bei der Bedienung des ESM nicht leisten kann, es keine künftige Liquidität vom ESM erwarten kann (für mich ein logischer Ausschluss), seine ausgefallene Leistung dann aber unter den verbleibenden Mitgliedsstaaten quotal aufgeteilt wird. Man verstehe: Die zu verteilende Quote ist keine Ausschüttung, sondern eine Beitragsleistung, eine enorme zusätzliche Verpflichtung.

Das erinnert fatal an den alten DDR-Witz, in dem ein Republikflüchtling dem Staatsratsvorsitzenden Honecker zugerufen haben soll "Erich macht das Licht aus, Du bist der letzte…". Nun im Ernst, wer glauben Sie, wird der Letzte in der ESM-Mannschaft sein, der die Leistungsquoten der ausgefallenen Länder zu übernehmen hätte? Nur für Ihre Statistik, das ESM-Eigenkapital, das die Mitgliedsländer aufzubringen haben, beträgt 700 Mrd. €, der deutsche Anteil liegt bei etwa 190 Mrd. €. Und da liegt das große Risiko, das uns mit Italien beschert wird, wenn die kippen oder sogar fallen sollten, müssen wir mit unserer dann wieder gestiegenen Quote deren Anteil mit übernehmen. Ein Griechenland könnten wir sogar noch abfangen, ein Ausfall von Italien oder sogar von Frankreich aber nicht.

Ein noch unüberschaubares Problem zeigt sich im geänderten Wanderungsverhalten der Wirtschaftsflüchtlinge. Nachdem nun die Einreise über die Balkanroute zumindest erschwert wurde (Dank sei Kroatien, besonders aber Ungarn und ebenso Dank der Reaktion Österreichs), wird nun die Migrationswaffe, die der US-Stratege Thomas P.M. Barnett schon vor Jahren in seinen strategischen Empfehlungen an die US-Regierung und in seinen Büchern beschrieben hatte, nun mehr in den afrikanischen Staaten angewendet. So sehr man die Menschen in Somalia, Äthiopien, in den Maghrebstaaten, in Tunesien und in Ägypten bemitleiden muss, so wenig sind wir dazu in der Lage, hier helfend einzugreifen, ohne unsere eigene Existenz infrage zu stellen.

In Libyen und in Ägypten sammeln sich schon Hunderttausende, um zu prüfen, ob die Verheißungen unserer Kanzlerin erfüllt werden. Und der Weg geht über Italien, die immer weniger in der Lage sind, ihr Land von dieser Völkerwanderung abzuschotten. Um es kurz zu machen, je unfähiger Italien regiert werden kann, umso höher steigt die Quote der uns dann anstrebenden kulturellen Bereicherer. Mein nicht ganz ernst zu nehmender Vorschlag wäre der, Flüchtlinge aus Namibia bevorzugt aufzunehmen.



Erstens hätten diese eventuell noch einen moralischen Anspruch aus den Sünden der Kaiserzeit in Deutsch-Süd-West (Stichwort: Vernichtung der Hereros) und zweitens - so hörte ich - können immer noch einige Einheimische Deutsch. Diese hätten dann einen wesentlichen Vorteil gegenüber den Flüchtlingen aus den anderen Staaten. Denn deren geschätzte Integrationszeit in Deutschland würde nicht - wie derzeit geschätzt - zwischen sieben bis zehn Jahren liegen, sondern schon kürzer, weil sie ja schon teilweise unsere Sprache verstehen können.

Mein trockener Hinweis als Bänker soll Sie nicht nervös machen, aber versuchen Sie einmal, meine Rechnung nachzuvollziehen. Die laufenden Unterhaltskosten für einen Antragsteller“ liegen bei ca. 3.000 € pro Monat, wenn man nur die reinen Sozialleistungen heranzieht. Nur zur Statistik: MUFl´s - also die komplexere Variante eines Antragstellers - nämlich ein Minderjähriger Unbegleiteter Flüchtling kostet so an die 50.000 € pro Jahr. Bei einer Million Antragstellern wären dies ohne die zahlreichen MUFL´s schon jährlich 36 Mrd. €.

Bei einer durchschnittlichen Integrationszeit von optimistisch geschätzten fünf Jahren wären es kumuliert 180 Mrd. €; die Höhe der Sach- und Investitionskosten für Gebäude, Umbaumaßnahmen etc. kann man nur schätzen und daher sollten sie zwar nicht ignoriert aber fairerweise aus der Bedarfsberechnung für die erforderlichen Steuerreinnahmen herausgelassen werden. Wahrscheinlich werden sie aber durch Kürzungen der anderen Haushaltspositionen teilweise finanziert werden können. Wie das die davon betroffenen Bevölkerungsteile sehen werden, ist jetzt schon zu vermuten.

In Italien hat die "Fünf-Sterne-Partei" des Beppe Grillo dort ihren Zuwachs an Stimmen generiert. Diese Kostenschätzungen stellen jedoch nur die Belastungen dar, die sich aus dem Status Quo ergeben; eine neue Wanderungsbewegung aus Afrika über Italien und dann wieder Österreich ins gelobte Mutti-Land dürfte dann aber alle Kalkulationen über den Haufen werfen.

Italien wird für uns die zweite Türkei, von der wir ja hoffen, dass sie uns die Segnungen der Kanzlerin-Euphorie vom Leibe halten. Wer Südtirol kennt, wird den Engpass "Franzensfeste" (Ital. Fortezza) kennen, mit dem das Wiener Kaiserreich sein Herrschaftsgebiet gegen die Italiener halten wollte. Damals und heute wird diese Festung aber nicht dem Ansturm der Massen standhalten.

Ich frage mich, was die Politiker getan haben, als die US-Strategen, also Mr. Barnett und auch George Friedman von STRATFOR dieses Prinzip in Büchern oder in Vorträgen dargestellt haben. Man hätte mit dieser Kenntnis schon ein Reaktionskonzept erstellen können. So etwas würde ich dann gute Staatsführung nennen.

Extrem wichtig wird jedoch noch dieses Jahr die Volksabstimmung sein, die im Oktober oder November in Italien stattfinden soll. Meiner Meinung nach ist diese Abstimmung fast wichtiger als die US-Präsidentenwahl, denn sie betrifft uns direkt als EU-Mitgliedsland. Ministerpräsident Rienzi will in einer Volksabstimmung wesentliche Strukturveränderungen durchsetzen, die die Lähmungen der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Italien großflächig beseitigen sollen.

Erhält Rienzi nicht die Zustimmung zu seinen Reformen, mit denen er Italien grundsätzlich verändern und sich als stabiler Partner auch für uns darstellen will, wird er zurücktreten. Seine PD-Partei liegt noch mit kleinem Vorsprung so bei ca. 31% vor der Protestpartei "Fünf-Sterne" mit ca. 29%. Rienzi braucht aber mehr als 50%; wer ihm dazu die Differenz an Stimmen liefern soll, ist derzeit noch unklar.

Tritt Rienzi zurück, ist dies nicht nur ein üblicher Stabwechsel in Rom, es ist der Beginn des absoluten Scheiterns Italiens; da sind die Flüchtlinge, die es jetzt schon aufnehmen muss, fast nur noch ein lästiges Beiwerk. Die bekannte politische Forderung der "Fünf-Sterne-Partei" nach einer Volksabstimmung über den Austritt aus der EURO-Zone und aus der EU würde meiner Meinung nach bestätigen, dass die Lunte für den Verfall der EU bereits im Jahr 2016 gelegt wird. Beachten Sie bitte, Italien ist ein wichtiger Baustein dieses schon morschen Hauses EU; wenn Italien ausfallen sollte, dann steigt nach dem Ausstieg von Großbritannien der Druck auf Deutschland.

Da sich die Probleme eher vergrößert haben als vermindert, gilt der alte physikalische Grundsatz "Druck ist Gewicht pro Fläche" oder auf die Wirtschaftskraft bezogen - "wenn alle materiellen EU-Probleme dann nur noch auf ca. 70% der verbleibenden EU-Bevölkerung konzentriert werden, erhöht sich der Druck auf Deutschland überproportional. Da setzt natürlich voraus, dass die verbleibenden EU-Länder dann noch für die materiellen Lasten der Ausgeschiedenen in der Verpflichtung stehen. Ich glaube nicht an die Aussage, dass wir bei einem Ausscheiden eines EU-Landes nicht mehr indirekt noch in die Haftung einbezogen werden.

Wenn Sie weitschauender als unsere Politkomiker in Berlin agieren wollen, stellen Sie sich auf ein - nach dem Brexit-Beschluss der Briten - weiteres Beben in der EU aufgrund der tektonischen Einflüsse aus Bella Italia ein. Wir werden fast wie immer der EU-Leit(d)hammel sein.

Und was ich nach den Erkenntnissen aus Griechenland befürchte, ist, dass die vermögenden Italiener so wie die vermögenderen Griechen vorher schon daran gehen werden, Euro-Vermögen aus Italien zu exportieren und an andere Standorte zu bringen. Dieser Gedanke ist nicht weit hergeholt, wenn man sehen musste, wie diese Transfers das Guthaben der Bundesbank bei der EZB und die Schulden der Griechischen Nationalbank nach oben schießen ließ. Uns sollte da nicht gleichgültig sein, denn das daraus resultierende Guthaben eines Italieners bei uns ist für diesen frei verfügbar, aber der gestiegene Guthabensaldo der Bundesbank bei der EZB ist dies eben nicht.

Denken Sie darüber nach, mit welchen persönlichen Konsequenzen Sie wegen der möglichen Zuspitzung der Probleme Italiens rechnen müssen, also mit einem schwachen Euro, mit neuen Inanspruchnahmen für die Umlagefinanzierung zur Rettung unserer südlichen Partner nach den kostenträchtigen Erfahrungen mit Griechenland. Und dazu mit der Erkenntnis, dass unsere umfangreichen EZB-Guthaben nicht Liquidität darstellt, über das wir verfügen können.

Die Inanspruchnahme zur Stützung Italiens wird sicherlich indirekt und wieder über Steuererhöhungen erfolgen, denn unser Guthaben bei der EZB aus dem TARGET-2-Programm ist ja ohnehin nicht zu verwenden, weil dies nur dann möglich wäre, wenn die Schuldner aus den Verrechnungskonten - also die schwachen Notenbanken der EU-Länder - ihren Verpflichtungen nachkommen könnten. Wer kann daran noch glauben? Bleiben Sie bitte wachsam.


© Dr. Dietmar Siebholz
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