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Gold- und Silberpreise: Warum die meisten Analysten falsch liegen

08.11.2016  |  Steve St. Angelo

Die Edelmetallinvestoren werden von den Preisprognosen der meisten Analysten in die Irre geführt, weil diese die entscheidenden, fundamentalen Mechanismen nicht verstehen, auf denen die Preisbildung beruht. Zudem scheint zwischen verschiedenen Gruppen von Anlegern im Edelmetallsektor eine ausgeprägte Feindseligkeit zu bestehen. Vor allem die auf kurzfristige Trades spezialisierten Analysten werfen vielen anderen immer wieder vor, sie würden einen Hype begünstigen und Verschwörungstheorien verbreiten.

Einer dieser Analysten ist Avi Gilburt von der Webseite Elliottwavetrader. Er kritisiert die "Goldbugs" in einigen seiner neueren Artikel, "Why Do You Allow Yourself To Be Manipulated" ("Warum lassen Sie sich manipulieren?"), "Did Your Mother Write An Article On Gold" ("Hat Ihre Mutter einen Artikel über Gold geschrieben?") und "Damn Manipulators" ("Verdammte Manipulatoren"). (Die englischen Artikel können Sie hier, hier und hier lesen.)

In diesen Beiträgen verurteilt Avi Gilburt jene Kommentatoren, die das Thema "Manipulationen" unermüdlich wiederkäuen. Andererseits ist Avi fest davon überzeugt, dass sich der Wert der Edelmetalle und anderer Rohstoffe ermitteln lässt, indem man "aus dem Kaffeesatz liest" oder "Ziegeneingeweide interpretiert" - also durch Anwendung der Elliot-Wellen-Theorie.

Diese Theorie wird er wahrscheinlich bis zum Tod verteidigen. Obwohl ich es bewundere, wenn jemand so starke Überzeugungen hat, macht sich Avi Gilburt hinsichtlich seiner Vorhersagen des "Wertes" von Gold und Silber damit genauso schuldig, wie die Autoren, die er ständig kritisiert.

Meiner Meinung nach gibt es tatsächlich große Unterschiede zwischen den beiden Lagern. Während ich frustriert darüber bin, dass ein großer Teil der Edelmetallinvestoren den wahren Wert von Gold und Silber nicht versteht, sind die auf kurzfristige Trades fokussierten Analysten wie Avi Gilburt und Dan Norcini mit ihrer Kritik auch nicht gerade zurückhaltend.

Das Thema der Manipulationen an den Gold- und Silbermärkten ist äußerst komplex, daher werde ich es in diesem Artikel ausklammern. Ich werde aber dennoch zeigen, dass die Mehrheit der Edelmetallinvestoren und Trading-Analysten den falschen Ansatz zur Vorhersage der Gold- und Silberpreise verwendet.


Der wichtigste Preisfaktor an den Edelmetallmärkten

Ich habe dieses Thema zwar schon in früheren Artikeln diskutiert, doch es gibt neue Informationen, die meine Analysen bestätigen. Die meisten Ökonomen, Trader und Edelmetallanleger glauben, dass Angebot und Nachfrage den größten Einfluss auf den Wert von Gold und Silber haben, doch das ist nicht richtig. Die für die Preisbildung bedeutendste Größe war schon immer der Energiefaktor.

Hier sehen Sie einen aktualisierten Chart, der das Verhältnis zwischen dem Silberpreis und dem Ölpreis seit 1900 zeigt:

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Wie Sie sehen, blieb die Preiskurve von Silber und Öl bis 1971 flach. Mit Ausnahme einiger weniger Jahre verharrte der Preis beider Rohstoffe zwischen 1900 und 1971 fast durchgängig bei unter 2,00 $. Erst als Präsident Nixon 1971 die Bindung des US-Dollars an Gold aufhob, begann der Wert von Rohöl und den Edelmetallen beträchtlich zu schwanken.

Obwohl die Entwicklungen des Ölpreises und des Silberkurses nicht exakt übereinstimmen, können wir definitiv eine starke Korrelation erkennen. Als der Ölpreis in den 1970er Jahren in die Höhe schoss, explodierte auch der Silberpreis. Das Gleiche geschah zwischen 2000 und 2016.

Ob Avi Gilburt einen solchen Chart hat, den er seinen Abonnenten zeigt? Ich bezweifle es. Auf kurze Sicht sind die Parallelen zwischen der Kursentwicklung von Öl und Silber natürlich nicht so deutlich ausgeprägt, wie die langfristigen Schwankungen, die in diesem Chart dargestellt sind. Wir können dennoch erkennen, dass die Änderungen des Ölpreises stärkeren Einfluss ausüben als Angebot und Nachfrage.

Das Gleiche gilt auch für den Goldsektor. Der nächste Chart zeigt den Goldpreis im Vergleich zum Ölpreis seit 1940:

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Auch hier können wir gut erkennen, dass beide Preise bis 1971 relativ konstant blieben. Mit der Explosion des Ölpreises in den 1970er Jahren erreichte auch der Goldkurs neue Spitzenwerte. Und als der Ölpreis von 20 $ im Jahr 1999 bis auf 112 $ im Jahr 2012 kletterte, stieg auch der Wert des gelben Metalls sprunghaft an, von durchschnittlich 279 $ im Jahr 2000 bis auf 1669 $ im Jahr 2012.

Es ist kein Zufall, dass sich der Wert von Rohöl und Gold in diesem Zeitraum um mehr als 500% erhöht hat. Der Silberpreis ist währenddessen auf das Siebenfache gestiegen, von 4,95 $ im Jahr 2000 auf 35 $ 2012. Aktuell liegt der Kurs des weißen Metalls beim 3,5fachen des Durchschnitts von 2000, während der Goldpreis zur Zeit 4,5 mal so hoch ist wie damals.

Folglich muss es abgesehen von Ölpreis noch andere Faktoren geben, die Einfluss auf die Edelmetallpreise nehmen. Angebot und Nachfrage spielen also mit Sicherheit ebenfalls eine Rolle, doch verglichen mit der übergeordneten Dynamik der Ölpreise ist diese eher unbedeutend.

Was ich damit sagen will ist, dass der Wert von Gold und Silber schon immer an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt war und das auch immer sein wird. Angebots- und Nachfragefaktoren wirken sich ebenfalls auf die Preise aus, aber in viel geringerem Maße.


Gold und Silber beginnen sich vom Ölpreis zu lösen

In letzter Zeit war bei der Kursentwicklung der Edelmetalle ein interessanter Trend zu beobachten: Sie scheinen sich vom Ölpreis zu entkoppeln. Wenn wir die beiden untenstehenden Gold- und Silbercharts betrachten, stellen wir fest, dass der Ölpreis 2015-2016 auf relativ gleichbleibendem Niveau lag, während sich die Edelmetallpreise erhöht haben - insbesondere der Goldpreis.

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Zwar ist der Goldkurs gegenüber dem Ölpreis stärker gestiegen als der Silberkurs, doch letztlich ging es für beide Edelmetalle aufwärts, während der Ölpreis stagniert. Um zu verstehen, warum das geschieht, müssen zwei Schlüsselfaktoren mit einbezogen werden: die Marktstimmung und der kommende Ölpreiscrash.

Die auf kurze Zeiträume spezialisierten Analysten sind der Ansicht, dass die Marktstimmung für die Preisbildung an den Rohstoff-, Aktien- und Anleihemärkten eine wichtige Rolle spielt. Ich stimme ihnen zum Teil zu, aber sie gelangen aus den falschen Gründen zu einer richtigen Schlussfolgerung.

Lassen Sie mich das in Bezug auf Gold und Silber erklären. Zu Beginn dieses Jahres brachen die Aktienmärkte stark ein, der Dow Jones verlor beispielsweise innerhalb kurzer Zeit 2.000 Punkte. Die Anleger strömten also an die Gold- und Silbermärkte, insbesondere die institutionellen Investoren, die im großen Stil Gold-ETFs kauften. Die meisten Trader und Investoren würden dafür die instinktive Erklärung geben, dass die Stimmung sich umgekehrt hat und die neuen Kapitalzuflüsse die Gold- und Silberpreise in die Höhe getrieben haben.

Wie gesagt, prinzipiell stimme ich dem zu, aber aus einen ganz anderen Grund. Die "Marktstimmung" als Instrument der Preisbildung an den Edelmetallmärkten funktioniert nur, wenn sie dafür sorgt, dass die Investoren aufwachen und den fundamentalen Wert von Gold und Silber erkennen, doch das geschieht üblicherweise nun innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums.

Sie können sich die Marktstimmung im Edelmetallsektor als Ehepaar vorstellen, bei dem einer der beiden vermutet, dass der andere eine Affäre hat. Wenn etwas Verdächtiges geschieht, ist der Ärger zunächst groß, doch dann wird der oder die Verdächtigte versuchen, den Partner zu beruhigen und Erklärungen (oder Ausflüchte) dafür finden, warum die Sorgen unbegründet sind. Nach ein paar Tagen glaubt der Partner diese dann und alles beruhigt sich.

Dieses Auf und Ab der Stimmung geht so weiter und sorgt für eine äußerst volatile Ehe. Eines Tages wird der Gatte oder die Gattin jedoch auf frischer Tat ertappt und die Wahrheit kommt ans Licht. Dann können auch keine Lügen, Ausreden oder Manipulationen der Fakten mehr glaubhaft machen, dass alles in Ordnung ist. Der oder die Betrogene hat sozusagen die rote Pille geschluckt und kann das einmal Gesehene nicht wieder vergessen.

Das ist eine perfekte Analogie zur Marktstimmung. Wenn die Investoren an den Aktien- und Anleihemärkten ängstlich oder äußerst besorgt sind, strömen sie zu den Edelmetallen - aber nur vorübergehend.



Wenn die Federal Reserve und die anderen Zentralbanken dieser Welt als Antwort darauf Billionen von Dollars an Liquidität in das Finanzsystem pumpen, glätten sich die Wogen wieder und die Investoren beruhigen sich. Die Nachfrage nach Gold und Silber sinkt.

Leider handelt es sich dabei um ein Spiel, das die Wahrheit verheimlicht. Wenn den Anlegern eines Tages endlich bewusst wird, dass die Aktien- und Anleihemärkte das größte Ponzi-System der Geschichte sind, dann wird es zu einem wahnsinnigen Run auf die Edelmetalle kommen.

Der folgende Chart von Louis Arnoux lässt erkennen, warum die Aktien- und Anleihemärkte nicht weiter sind als heiße Luft und ein typisches Ponzi-System:

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In den Vereinigten Staaten ist der Wert des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf, gemessen in US-Dollar, Gold und Öl bis 1970 in allen drei Vergleichsgrößen parallel angestiegen. Während sich das BIP in US-Dollar (grüne Linie) auch danach immer weiter erhöhte, können wir eindeutig erkennen, dass sich das BIP gemessen in Gold und Öl (rote und blaue Kurve) ganz anders entwickelt hat. Ich empfehle Ihnen, mein Interview mit Dr. Louis Arnoux zum thermodynamischen Kollaps anzuschauen, in dem die Details erklärt werden.

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Echter Wohlstand kann nur entstehen, wenn eine Übereinstimmung mit dem Wert von Gold und Öl gegeben ist. Das US-Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist gemessen in Gold und Öl im Jahr 2012 jedoch stark eingebrochen, während es in Dollarwerten auf neue Rekordwerte gestiegen ist.

Der von der US-Regierung gemeldete Wert des BIP ist folglich stark inflationiert. Diese Feststellung beruht auf dem Verständnis des thermodynamischen Kollaps des Ölsektors und seines Einflusses auf die gesamte Weltwirtschaft. Nach Angaben von Louis Arnoux und den Recherchen der Hills Group zufolge wird der Ölpreis bis 2020 weiter fallen - auf ein Maximum von 12 $.

Grund dafür ist der "verbleibende Wert" eines Barrels Öl. Stellen Sie sich das wie bei einem Auto vor: Wenn das Auto brandneu ist, hat es z. B. einen Wert von 30.000 $. Nach 15 Jahren ist es jedoch nur noch 5.000 $ wert. Der wirtschaftliche Wert des Autos hat sich "erschöpft". Es funktioniert zwar noch, aber das 15 Jahre alte Auto hat nicht mehr den gleichen darin enthaltenen Energiewert, daher ist auf sein Preis gesunken.

Die Hills Group hat mit Hilfe ihres ETP-Modells zu Öl errechnet, dass es sich mit dem Wert eines Barrels Öl ähnlich verhält, wie mit einem Gebrauchtwagen. Wenn wir das gesamte System der Ölindustrie betrachten, stellen wir fest, dass die Produktionskosten für ein Barrel Öl mittlerweile so hoch sind, dass in fünf Jahren für die weltweite Industrie kaum noch etwas an Wert übrig sein wird. In Zukunft werde ich weitere Beiträge zu diesem Thema verfassen, denn wenn der thermodynamische Kollaps der Ölindustrie erst einmal in seine Endphase geht, werden Gold- und Silberinvestoren am meisten profitieren.


Warum der Wert von Gold und Silber explodieren wird, wenn alles andere crasht

Obwohl der Ölpreis seit mehr als einem Jahrhundert die wichtigste Antriebskraft hinter den Gold- und Silberpreisen ist, beginnt sich nun eine Entkopplung abzuzeichnen. Warum ist das so? Weil der Wert von Gold und Silber in der Vergangenheit so bemessen wurde, als handele es sich um Rohstoffe, nicht um beständige Vermögenswerte erster Klasse.

Ich werde künftig einen weiteren Artikel zu diesem Thema schreiben, in dem ich den Zusammenhang detaillierter erklären werde. Die Gesamtheit aller globalen Assets wird von Savills World Research auf 373 Billionen Dollar geschätzt. Die Mehrheit dieser Assets sind Immobilien, größtenteils Wohnimmobilien.

Wenn der Ölpreis tiefer und tiefer fällt, wird er den Wert der meisten Aktien, Anleihen und Immobilien zerstören. Der Wert dieser Assets leitet sich davon ab, dass Jahr für Jahr mehr Energie verbraucht wird. Die Produktionskosten für ein Barrel Öl sind mittlerweile allerdings so hoch, dass nicht mehr viel übrig ist, um den Wert der weltweiten Assets von 373 Billionen $ zu stützen.

Der Kollaps des Ölpreises wird daher das Ereignis sein, das die Welt endlich wachrüttelt und den Anlegern zeigt, dass sie in die falschen Werte investiert haben. Im Zuge dessen können wir uns auf die Mutter aller Stimmungsänderungen an den Märkten gefasst machen.

Ich schätze, Avi Gilburt wird diesen Artikel als weitere Zeitverschwendung abtun. Gegenüber der Dynamik des Öl- und Energiesektors ist er offenbar blind. Ich würde meinen letzten Silberdollar darauf wetten, dass er lieber weiter im Kaffeesatz der Elliot-Wellen-Theorie liest, bis zu dem Punkt, an dem das ganze System zerfällt. Vielleicht sollte er das auch, denn wenn das Endspiel beginnt, wird er sich eine andere Beschäftigung suchen müssen.


© Steve St. Angelo
(SRSrocco)


Dieser Artikel wurde am 27. Oktober 2016 auf srsroccoreport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.