Der Lockdown ist ein Umverteilungs-Karussell, das die Volkswirtschaften ärmer macht
04.07.2020 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die politisch diktierte Lockdown verursacht eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Die Gewinner sind vor allem Staat, Banken und Großunternehmen, die Mehrheit der Bevölkerung hat das Nachsehen.
Dass der politisch diktierte Lockdown als Reaktion auf die Verbreitung des Coronavirus nicht zum Nulltarif zu haben ist, ist vermutlich mittlerweile allen klar. Der Zusammenbruch der Produktion und die offene und verdeckte Massenarbeitslosigkeit, die er verursacht hat, sprechen eine eindeutige Sprache. Gleichwohl haben die "Rettungsmaßnahmen" der Staaten und ihrer Zentralbanken das wahre Ausmaß der Rechnung verschleiert.
Denn um die Einkommens- und Vermögensverluste bei Bürgern und Unternehmern abzufedern beziehungsweise nicht in Erscheinung treten zu lassen, verschulden sich die Staaten sehr stark und die Zentralbanken kaufen in großem Stil alle Arten von Anleihen auf und erhöhen dadurch die Geldmenge. Ökonomisch betrachtet läuft beides auf ein Verfrühstücken der volkswirtschaftlichen Ersparnisse, auf einen Kapitalverzehr hinaus. Das erklärt sich wie folgt.
Der Staat schafft keine Einkommen. Er kann nur das ausgeben, was er Bürgern und Unternehmern vorher abgeknöpft hat. Wenn der Staat neue Schulden macht, kann er seine Anleihen entweder bei "Nichtbanken" - wie privaten Sparern, Versicherungen, Fonds, Pensionskassen etc. - platzieren. In diesem Falle werden die Ersparnisse der Menschen, die bei Versicherungen, Fonds, Pensionskassen etc. eingezahlt worden sind, an den Staat übertragen. Der gibt es dann aus in Form von Kurzarbeitergeld, Arbeitslosenhilfe, Subventionen etc. Und nicht zu vergessen: Der Staat bezahlt sich selbst natürlich auch davon.
Der überwiegende Teil dieser Ausgaben wird für konsumtive Zwecke verwendet. Schon allein deshalb, weil die Hilfsgelder, die der Staat auszahlt, die verlorenen Einkommen der Arbeitslosen ersetzen sollen. Sie werden für Mieten, Kleidung, Nahrung, Benzin etc. ausgegeben. Da der Produktionsstopp verhindert, dass neue Einkommen geschaffen werden, kommt es zur Aufzehrung der Ersparnisse, zu Kapitalverzehr.
Und wenn der Staat seine neuen Schulden an die Zentralbank verkauft, erhält er neues, aus dem Nichts geschaffenes Geld. Reicht er es an die von ihm Begünstigten weiter, landet es auf den Bankkonten der Kurzarbeiter, Arbeitslosen, Transfer- und Subventionsempfänger. Dadurch steigt die Geldmenge in der Volkswirtschaft an. Und was geschieht, wenn die Geldmenge anwächst?
Die Güterpreise werden höher ausfallen - im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre. Das kann entweder dazu führen, dass die Güterpreise steigen (dass es also Güterpreisinflation gibt). Dann schwindet die Kaufkraft des Geldes, und die Ersparnisse werden entwertet, die in Geldforderungen lauten. Die Verlierer sind die Geldhalter, die Gewinner sind diejenigen, deren Sachgüter im Preis steigen.
Oder aber die Güterpreise bleiben unverändert (und sie wären gefallen, wäre die Geldmenge nicht erhöht worden). In diesem Falle wird den Geldhaltern und Sparern verwehrt, Güter zu billigeren Preisen zu können - und das wäre ihnen möglich gewesen, hätte man die Geldmenge nicht ausgeweitet. Also auch in diesem Falle gibt es Gewinner und Verlierer. Allerdings ist das hier nicht ganz so leicht zu erkennen, weil man sich ja zunächst vor Augen führen muss, was geschehen wäre, wenn die Politik, die verfolgt wurde, nicht verfolgt worden wäre!
Der große Profiteur der Lockdown-Krise ist der Staat und seine Repräsentanten. Niemand in der Regierung - weder Kanzler, Präsident, Minister und Abgeordnete - hat seinen Arbeitsplatz verloren. Sie alle erhalten nach wie vor das gleiche Geld, die gleichen Bezüge, keiner muss mit weniger vorlieb nehmen. Damit sind sie privilegiert gegenüber denen, die sich im freien Markt behaupten müssen, die jetzt kein Einkommen mehr verdienen dürfen, weil es ihnen von den Regierenden untersagt wurde, weiter zu produzieren und ihrem Handwerk nachzugehen.
Die "politische Klasse" - neben den Politikern zählen dazu auch zum Beispiel Lehrer, Professoren, Richter und Staatsanwälte, Polizisten, Zollbeamte etc. - ist durch die Lockdown-Krise folglich reicher geworden relativ gesehen gegenüber dem Rest der Bevölkerung, die sich mit verringerten Einkommen oder gar Nulleinkommen begnügen muss, und die vielleicht sogar Haus und Hof verloren hat.
Zu den Gewinnern der Rettungspolitiken zählt ebenfalls die Bank- und Finanzwirtschaft. Die Zentralbanken geben ihnen jetzt Kredite mit Niedrig- und sogar auch mit Negativzinsen, damit ihre Geschäfte profitabler werden.
Abschreibungsverluste werden dadurch Kreditinstituten, Versicherungen, Pensionskassen und Hedgefonds vom Hals gehalten. Sie können ihre Bediensteten wie bisher bezahlen, in Lohn und Brot halten - während so mancher kleine Handwerksbetrieb, so manches Restaurant, so manche "Ich-AG" Konkurs anmelden muss.
Vor allem die Geschäfts- und Investmentbanken, die direkt mit den Zentralbanken handeln, werden begünstigt. So kauft der US-Finanzgigant BlackRock Solutions im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) Schuldpapiere auf (sogenannte "Asset Backed Securities"). Dass BlackRock Solutions sich das gut bezahlen lässt beziehungsweise seine herausgehobene Marktstellung für eigene Gewinnzwecke nutzen kann, ist zu vermuten.
Weiterhin profitieren auch alle diejenigen, die bei Großkonzernen tätig sind. Denn die Großkonzerne werden ebenfalls von den Zentralbanken in besonderer Weise subventioniert: Ihre Schuldpapiere werden aufgekauft, und dadurch können sie sich neue Kredite zu extrem niedrigen Zinsen beschaffen. Kleinen und mittleren Firmen wird diese Vorzugsbehandlung nicht gewährt.
Die Folge: Die großen Unternehmen werden noch größer, viele kleine und mittlere Unternehmen gehen unter, werden von den finanzstarken Großunternehmen geschluckt. Der Wettbewerb wird auf diese Weise heruntergeregelt, die Innovationskraft und -bereitschaft in der Volkswirtschaft nimmt ab. Die künftigen Produktions- und Beschäftigungszuwächse werden geschwächt.
Die junge Generation muss ihre Lebenseinkommen in zusehends staatlich reglementierten Märkten verdienen, ihnen steht nur noch ein durch immer mehr politische Eingriffe verengter Arbeitsmarkt zur Verfügung. Der wirtschaftliche Aufstieg der jungen Menschen wird auf diese Weise erschwert, und das hat negative Auswirkungen auf beispielsweise die Möglichkeit, eine Familie zu gründen.
Doch was hätte man anderes tun können in einer Situation, in der die Wirtschaft zusammenbricht? Hätte man Insolvenzen von Banken und Unternehmen und Staaten tatenlos zulassen sollen? Gewiss, das sind drängende Fragen. Damit wird allerdings gewissermaßen die zweite Frage vor die erste, die ganz entscheidende gestellt. Sie lautet: War der Lockdown angemessen, war er vertretbar mit Blick auf Kosten und Nutzen? Wäre ein anderes Vorgehen angeraten gewesen? Diese Fragen werden nach wie vor höchst kontrovers diskutiert.
Sie sollen an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Aber der Verdacht soll hier ausgesprochen werden, dass den meisten Menschen gar nicht klar ist, welche volkswirtschaftlichen Kosten ein erzwungener Wirtschaftsstillstand nach sich zieht. Die wahren Kosten gehen weit über die (zweifelsohne gewaltigen) Summen hinaus, mit denen die "Rettungspolitiken" der Staaten und ihrer Zentralbanken - und für die der Steuerzahler und Sparer geradezustehen hat - in den Medien beziffert werden.
Zu ihnen sind auch die Kosten zu zählen, die das Ausweiten der staatlichen Maßnahmen auf die weitere Entwicklung der Volkswirtschaften hat. Es steht außer Frage, dass die Staaten durch die Lockdown-Krise nun noch größer und mächtiger geworden sind. Sie betätigen sich als Kreditgeber und Anteilseigner von Unternehmen, entscheiden mehr denn je welche Industrien gestärkt und welche zurückgedrängt werden sollen.
Es wäre naiv zu glauben, dass ein Machtzuwachs, den der Staat und seine Bürokratie über die Bevölkerung gewonnen hat, sich einfach wieder rückgängig machen ließe. Man hat es vielmehr mit einer Art "Mausefallen-Effekt" zu tun: Wurde die Volkswirtschaft erst einmal dem Lockdown unterworfen, können sie den Folgen kaum mehr entkommen.
Wer in diesen Überlegungen den Weg in Richtung "Planwirtschaft" herausliest, der liegt ganz richtig. Die politisch herbeigeführte Lock-down-Krise treibt die Volkswirtschaften (noch weiter) in Richtung Kollektivismus-Sozialismus - entpuppt sich als ein Umverteilungskarussell von Einkommen und Vermögen, unterwandert das System der freien Märkte (beziehungsweise was davon noch übrig ist), macht die Volkswirtschaft ärmer.
© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH