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Wall Street feiert

27.03.2009  |  Klaus Singer
Nachdem die Akteure Mitte Februar die erste Ankündigung von US-Finanzminister Geithner hinsichtlich seiner Pläne, die Finanzindustrie zu retten, noch mit fallenden Kursen abgestraft hatten, haben sie die Vorstellung von Details am Montag dieser Woche mit starken Kursaufschlägen gefeiert. Dabei handelt es sich im Kern um die gleichen, nur etwas weiter präzisierten Eckpunkte.

Ist Wall Street jetzt schizophren?

Brauchen die Turbokapitalisten überhaupt noch Nothilfen? BofA-Chef Kenneth Lewis sagte jetzt, sein Institut wolle im nächsten Monat mit der Rückzahlung der staatlichen Rettungsgelder im Volumen von 45 Mrd. Dollar beginnen. Das Geschäft muss ja blendend laufen!

So allmählich kann einen das Gefühl beschleichen, die Finanzindustrie spielt den kranken Mann, arbeitet aber mit Hochdruck an der Komplettübernahme aller öffentlichen Mittel (aus den Händen der Steuerzahler). "Wer das Geld hat, hat die Macht" oder war das umgekehrt "Wer die Macht hat, hat das Geld"?

Es scheint nur eine Frage der Zeit, dass "die Reise nach Jerusalem" wieder beginnt - nur dieses Mal ist das Rad dann dank der Mittel der Steuerzahler noch größer als zuvor.

In der Folge wird die Schere zwischen arm und reich noch weiter aufreißen. Bis sie eines Tages reißt. In England gab es Vandalismus gegen das Haus des Ex-Chefs der Pleitebank RBS, in Frankreich haben Beschäftigte zeitweilig den dortigen 3M-Chef festgesetzt. Kleine Anzeichen wachsenden politischen Unmuts, aber nicht weiter dramatisch, da sind sich die Beobachter einig. Und wenn es schlimmer kommt - es gibt ja die Gesetze der Terroristenhatz. Der deutsche Verbraucher zeigt sich weiterhin optimistisch gestimmt, wie die GfK herausfand - die Krise tangiert ihn bisher kaum.

Zurück zum Geithner-Plan: Im Kern werden über das PPP-Programm faule Assets aus den Bilanzen der Finanzinstitute gekauft. Dabei soll privates Kapital involviert werden, sein Anteil dürfte jedoch so gering bleiben, dass es auch im schlechtesten Fall noch verdient. Der Steuerzahler zahlt die Zeche von bis zu einer Bill. Dollar fast alleine. Die als große Besonderheit herausgestellte Beteiligung privater Fondsmanager an der Preisfindung soll Mondpreise wie bei einer normalen Bad Bank oder beim alten TARP-Programm verhindern.

Adam Posen, Peterson Institute, ruft das japanische Experiment in Erinnerung: 1998 wurde ein weiterer Versuch unternommen, das Bankensystem zu rekapitalisieren - die Bedingungen waren jedoch zu lasch und so scheiterte es drei Jahre später, ohne die Kreditvergabe anzukurbeln. Erst als die Banken gezwungen wurden, ihre faulen Assets abzuschreiben, konnte die Krise gelöst werden, weil in diesem Zusammenhang Zombie-Banken verschwanden und die Landschaft neu geordnet wurde.

Wolfgang Münchau schrieb in der FT Deutschland, der teure Geithner-Plan könne wohl eine künstliche Liquidisierung der Märkte für faule Assets bewirken. Aber es vergehe weitere kostbare Zeit, um das Kernproblem, die Rekapitalisierung, anzugehen. Martin Wolf sieht durch die massive Verschiebung von Steuerzahler-Mitteln in die Taschen der Bank-Eigner die Gefahr, dass die weiterhin dringend nötige Rekapitalisierung auf immer größere politische Widerstände stößt.

Brad DeLong begrüßt die Pläne. Aufgrund hohen Risikos und geringer Transparenz seien die Asset-Preise gedrückt, was die finanzielle Expansion zur Lösung der Krise verhindere. Um diese Abwärtsspirale zu durchbrechen, müsste eine Höherbewertung angestoßen werden. Er schätzt zwar, dass hierzu insgesamt 4 Bill. Dollar nötig seien, daher sei das Volumen des PPP mit bis zu einer Bill. Dollar eigentlich viel zu gering. Aber da sind ja noch die anderen Maßnahmen der Fed (siehe Artikel vom 19. März 2009 an dieser Stelle), sowie das konjunkturelle Anreiz-Programm und die Aussicht auf Nachschlag im September und noch weitere 200 Mrd. Dollar aus dem alten TARP-Programm und, und, und...

Auch Nouriel Roubini gewinnt den Plänen positive Seiten ab. Er sehe Licht am Ende des Tunnels, sagte er der NYT, auch wenn noch nicht ganz klar sei, ob es nicht das Licht des entgegen kommenden Zuges ist. Aber die Beteiligung privaten Kapitals, auch mit nur geringem Anteil, stelle einigermaßen sicher, dass faule Assets eben nicht zu Mondpreisen gekauft würden. Dadurch sei eine gewisse Effizienz beim Einsatz der Mittel gewährleistet.

Der geringe Anteil privaten Kapitals verbunden mit der Aussicht, dass es beim PPP (fast) nur gewinnen kann, war denn auch wohl das entscheidende Argument für die Finanzmärkte, die Pläne nun gut zu heißen. Außerdem war von Verstaatlichung keine Rede mehr und, nochmals außerdem, war man sowieso gerade bullischerseits gut unterwegs.





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