Bullen tanzen in den Mai
01.05.2009 | Klaus Singer
Kürzlich sagte jemand, die USA hätten Züge einer Bananenrepublik angenommen, und zwar insbesondere in der Herausbildung einer amerikanischen Oligarchie im Finanzsektor mit ausgedehntem Wohlstand, Macht und Einfluss auf das politische System der USA. Das enorme Wachstum dieses Sektors in den vergangenen 25 Jahren hat ihm, gestützt durch eine Ideologie von Deregulierung und den Wohltaten frei fließenden Kapitals, ein de-facto Veto gegen die US-Politik gegeben.
War das ein Kommunist, der endlich Belege für die Herrschaft des Finanzkapitals und die Beziehung zwischen Basis und Überbau (Ideologie) gefunden hat? Wie heißt es doch bei Marx/Engels: "Das herrschende Bewusstsein ist immer das Bewusstsein der Herrschenden."
Gut, statt von "Bananenrepublik" hat derjenige vornehmer von "Emerging Markets" gesprochen. Aber des Kommunismus ist er unverdächtig. Es war Simon Johnson vom "Peterson Institute for International Economics", einem der größten und bedeutendsten "Think Tank" der USA.
In einer Anhörung vor dem Wirtschaftsauschuss des US-Kongresses kam er nach der obigen Bestandsaufnahme zu dem Schluss, die Macht des Finanzsektors behindere jetzt die Erholung von der Krise. Dieser Zustand müsse gebrochen werden - aggressive Rekapitalisierung und Verstaatlichung zu für den Steuerzahler günstigen Konditionen ist dringend geboten. Zudem müssen die Antitrust-Gesetze angewendet werden, um sicher stellen, dass einzelne Banken durch ihre schiere Größe nicht zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems werden. Jede Bank, die zu groß ist, um zu scheitern, sollte gleichzeitig zu groß sein, um zu existieren, sagte Johnson treffend.
Gut, das will niemand mehr hören. Jetzt, wo nur zwei, drei der 19 größten Banken der USA den Stress-Test nicht bestanden haben und mehr Kapital benötigen. Jetzt, wo angeblich immer mehr Makrodaten zeigen, dass das Schlimmste vorbei ist. Jetzt, wo die Aktienmärkte ihre beste Performance seit vielen Jahren hinlegen.
Auch den aktuellen Global Financial Stability Report will niemand hören. Demnach muss sich die Finanzwirtschaft jetzt in den USA, Europa und Japan auf Verluste von 4,1 Bill. Dollar einstellen. Vor gut einem Jahr nannte der IWF rund 1 Bill. Dollar an Verlusten, im Herbst 2008 mehr als zwei, und auch die jetzige Zahl dürfte wohl weiter nach oben revidiert werden. Damit erhöhen sich die Abschreibungen von Banken und anderen Finanzinstituten auf Ramschpapiere und faule Kredite über die bisher bekannten Beträge hinaus bis Ende 2010 dramatisch.
Nach Erhebungen der Bafin haben deutsche Banken übrigens faule Assets im Volumen von 853 Mrd. Euro in ihren Büchern. Die deutschen Landesbanken haben sich wirklich Mühe gegeben!
Der IWF sagt voraus, die Kreditkrise werde tief sein und lang andauern, selbst dann, wenn die Regierungen die richtigen Maßnahmen entschlossen ergreifen (was sie nach Einschätzung der Organisation nicht tun). Der IWF und die OECD wurden in ihren Einschätzungen zuletzt immer düsterer, während die Finanzmärkte und die Politiker immer optimistischer werden.
Die Gewinnentwicklung gemäß der in der laufenden Quartalssaison bis jetzt erfolgten Unternehmensmeldungen ergibt minus 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Per Q1/2009 stellt sich das KGV im Dow auf Basis "as-reported earnings" auf über 50, im S&P 500 auf gut 130. Auf Basis "operating earnings" ergibt sich bei einem Stand des S&P 500 von 870 ein Wert 19. Per Q1/2003 lagen die entsprechenden Werte im S&P 500 bei 28,00 und 17,80.
Da ja angeblich heute (fast) alles so ist wie 2003 zu Beginn der damaligen Hausse, wird mancher bullisch eingestellte Akteur die ähnlichen KGVs auf Basis der "operating earnings" auch noch als bullisches Argument nehmen. Dabei sollte man sicherheitshalber aber doch bedenken:
Erstens lag im März 2003 der vorangegangene Kurs-Peak 30, die darauf folgende Rezession 15 Monate zurück und konnte damit als "verdaut" gelten. Die aktuelle Rezession jedoch ist noch voll im Schwange. Das lässt sich auch an der heute gemeldeten ersten Schätzung des US-BIP für das abgelaufene Quartal ablesen, wonach die Wirtschaft abermals um annualisiert mehr als 6 Prozent geschrumpft ist.
Zweitens liegt der Peak des vorangegangenen Bull-Runs aktuell erst 17 Monate zurück, wohingegen sich in vergleichbaren, früheren Situationen frühestens nach 30 Monaten ein verlässlicher Boden gebildet hatte (siehe Artikel "Bärenmarkt-Rallye oder Bodenbildung" vom 8. April 2009, hier auch Chart dazu).
Drittens war 2003 nicht gerade die Zeit des "Deleveraging", der starken Staats-Eingriffe und der Regulierungsversuche. Damals wurde noch das hohe Lied des Neoliberalismus gesungen, Kredite waren leicht zubekommen, der Staat zog sich immer weiter aus Real- und Finanzwirtschaft zurück. Die Finanzindustrie und die Investment-Banken (die gab es damals noch!) konnten frei schalten und walten. Der heute kontrahierende Welthandel blühte damals. Dementsprechend "rosig" waren die Wachstums- und Gewinnaussichten - 2003.
War das ein Kommunist, der endlich Belege für die Herrschaft des Finanzkapitals und die Beziehung zwischen Basis und Überbau (Ideologie) gefunden hat? Wie heißt es doch bei Marx/Engels: "Das herrschende Bewusstsein ist immer das Bewusstsein der Herrschenden."
Gut, statt von "Bananenrepublik" hat derjenige vornehmer von "Emerging Markets" gesprochen. Aber des Kommunismus ist er unverdächtig. Es war Simon Johnson vom "Peterson Institute for International Economics", einem der größten und bedeutendsten "Think Tank" der USA.
In einer Anhörung vor dem Wirtschaftsauschuss des US-Kongresses kam er nach der obigen Bestandsaufnahme zu dem Schluss, die Macht des Finanzsektors behindere jetzt die Erholung von der Krise. Dieser Zustand müsse gebrochen werden - aggressive Rekapitalisierung und Verstaatlichung zu für den Steuerzahler günstigen Konditionen ist dringend geboten. Zudem müssen die Antitrust-Gesetze angewendet werden, um sicher stellen, dass einzelne Banken durch ihre schiere Größe nicht zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems werden. Jede Bank, die zu groß ist, um zu scheitern, sollte gleichzeitig zu groß sein, um zu existieren, sagte Johnson treffend.
Gut, das will niemand mehr hören. Jetzt, wo nur zwei, drei der 19 größten Banken der USA den Stress-Test nicht bestanden haben und mehr Kapital benötigen. Jetzt, wo angeblich immer mehr Makrodaten zeigen, dass das Schlimmste vorbei ist. Jetzt, wo die Aktienmärkte ihre beste Performance seit vielen Jahren hinlegen.
Auch den aktuellen Global Financial Stability Report will niemand hören. Demnach muss sich die Finanzwirtschaft jetzt in den USA, Europa und Japan auf Verluste von 4,1 Bill. Dollar einstellen. Vor gut einem Jahr nannte der IWF rund 1 Bill. Dollar an Verlusten, im Herbst 2008 mehr als zwei, und auch die jetzige Zahl dürfte wohl weiter nach oben revidiert werden. Damit erhöhen sich die Abschreibungen von Banken und anderen Finanzinstituten auf Ramschpapiere und faule Kredite über die bisher bekannten Beträge hinaus bis Ende 2010 dramatisch.
Nach Erhebungen der Bafin haben deutsche Banken übrigens faule Assets im Volumen von 853 Mrd. Euro in ihren Büchern. Die deutschen Landesbanken haben sich wirklich Mühe gegeben!
Der IWF sagt voraus, die Kreditkrise werde tief sein und lang andauern, selbst dann, wenn die Regierungen die richtigen Maßnahmen entschlossen ergreifen (was sie nach Einschätzung der Organisation nicht tun). Der IWF und die OECD wurden in ihren Einschätzungen zuletzt immer düsterer, während die Finanzmärkte und die Politiker immer optimistischer werden.
Die Gewinnentwicklung gemäß der in der laufenden Quartalssaison bis jetzt erfolgten Unternehmensmeldungen ergibt minus 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Per Q1/2009 stellt sich das KGV im Dow auf Basis "as-reported earnings" auf über 50, im S&P 500 auf gut 130. Auf Basis "operating earnings" ergibt sich bei einem Stand des S&P 500 von 870 ein Wert 19. Per Q1/2003 lagen die entsprechenden Werte im S&P 500 bei 28,00 und 17,80.
Da ja angeblich heute (fast) alles so ist wie 2003 zu Beginn der damaligen Hausse, wird mancher bullisch eingestellte Akteur die ähnlichen KGVs auf Basis der "operating earnings" auch noch als bullisches Argument nehmen. Dabei sollte man sicherheitshalber aber doch bedenken:
Erstens lag im März 2003 der vorangegangene Kurs-Peak 30, die darauf folgende Rezession 15 Monate zurück und konnte damit als "verdaut" gelten. Die aktuelle Rezession jedoch ist noch voll im Schwange. Das lässt sich auch an der heute gemeldeten ersten Schätzung des US-BIP für das abgelaufene Quartal ablesen, wonach die Wirtschaft abermals um annualisiert mehr als 6 Prozent geschrumpft ist.
Zweitens liegt der Peak des vorangegangenen Bull-Runs aktuell erst 17 Monate zurück, wohingegen sich in vergleichbaren, früheren Situationen frühestens nach 30 Monaten ein verlässlicher Boden gebildet hatte (siehe Artikel "Bärenmarkt-Rallye oder Bodenbildung" vom 8. April 2009, hier auch Chart dazu).
Drittens war 2003 nicht gerade die Zeit des "Deleveraging", der starken Staats-Eingriffe und der Regulierungsversuche. Damals wurde noch das hohe Lied des Neoliberalismus gesungen, Kredite waren leicht zubekommen, der Staat zog sich immer weiter aus Real- und Finanzwirtschaft zurück. Die Finanzindustrie und die Investment-Banken (die gab es damals noch!) konnten frei schalten und walten. Der heute kontrahierende Welthandel blühte damals. Dementsprechend "rosig" waren die Wachstums- und Gewinnaussichten - 2003.